Der dreidimensionale Druck ist ein weltweiter Trend, der in immer mehr Anwendungsgebieten zum Einsatz kommt, etwa der Spielzeug- oder Automobilindustrie. Im Mikro- und Nanobereich könnte er vor allem bei der künstlichen Herstellung von biologischem Gewebe („Tissue Engineering“) neue Erkenntnisse bringen, etwa bei der Fertigung von 3-D-Designer-Petrischalen. Drei Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben eine Methode entwickelt, um flexible und dreidimensionale Mikrogerüste aufzubauen, in denen sie Zellkulturen in einem maßgeschneidertem Milieu züchten und erforschen können. Dafür erhalten sie den Erwin-Schrödinger-Preis der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Erfolg der Interdisziplinarität
„Die Stärke der Forschung des KIT zeigt sich nicht nur in den Kompetenzen und der Leistungsfähigkeit der einzelnen Wissenschaftlerin und des einzelnen Wissenschaftlers, sondern auch in ihrer Motivation, gemeinsam und über Fachgrenzen hinweg herausfordernde Forschungsaufgaben zu bewältigen“, sagt der Präsident des KIT, Professor Holger Hanselka. „Der Erwin-Schrödinger-Preis für die Professoren Bastmeyer, Wegener und Barner-Kowollik bestätigt den Erfolg der interdisziplinären Zusammenarbeit, um gemeinsam höchst innovative Ideen zu entwickeln und neue Forschungsfelder zu erschließen.“
„Jedes Lebewesen besteht aus Zellen, deren Verhalten und Entwicklung auch von den mechanischen und chemischen Eigenschaften ihrer dreidimensionalen Umgebung abhängt“, sagt Professor Martin Bastmeyer vom Zoologischen Institut und vom Institut für Funktionelle Grenzflächen des KIT. „Um Zellen adäquat zu erforschen, ist es daher wichtig, die Prozesse, die in dieser Umgebung ablaufen, möglichst real abzubilden.“ Aktuelle experimentelle Modelle seien jedoch häufig nur für die Zellkultivierung in zweidimensionalen Petrischalen ausgerichtet und könnten die Zellumgebung nicht hinreichend abbilden. Vor allem in Bezug auf Aufbau, Entwicklung und Interaktion zwischen Zellen untereinander sowie deren Umgebung unterschieden sich diese Modelle oft erheblich von dreidimensionalen. „Der Mangel an adäquaten Modellen schränkt die derzeitigen Möglichkeiten in Bezug auf das Tissue Engineering stark ein“, so Bastmeyer.
Strukturen kleiner als ein Haar dick ist
Um dreidimensionale Mikrogerüste für die Zellkultivierung zu erstellen, wandte sich der Biologe an seinen Kollegen Martin Wegener, Professor am Institut für Angewandte Physik und Abteilungsleiter am Institut für Nanotechnologie. Dieser befasst sich mit der laserbasierten Lithographie: „Bei dieser Technik schreiben wir sozusagen die Gerüste mit einem Laser in einen speziellen Fotolack, der nur an den Stellen im Raum aushärtet, die mit dem Laserfokus belichtet wurden“, erklärt der Physiker. Nachdem das Schreiben abgeschlossen ist, entwickeln die Forscher die Strukturen, indem sie die unterbelichteten Bereiche auswaschen. Die gehärteten Teile bleiben und bilden das Gerüst. „Die Strukturen, die wir so erstellen, sind insgesamt kleiner als ein Haar dick ist, also etwa 50 Mikrometer“, sagt Wegener.
Damit aus diesen Mikrogerüsten Petrischalen für die Zellkultivierung werden, müssen sie mit einer biochemisch aktiven Oberfläche ausgestattet werden. Professor Christopher Barner-Kowollik vom Institut für Technische Chemie und Polymerchemie hat in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen von Wegener und Bastmeyer Fotolacke entwickelt, welche zu funktionalen Gerüststrukturen führen. „Diese Lacke sind bioorthogonal, das heißt, sie erlauben die Zellanhaftung, ohne die eigenen biologischen Prozesse der Zelle zu beeinflussen“, erklärt Barner-Kowollik. Auf den Gerüstoberflächen können an spezifischen Punkten durch gezielte photochemische Prozesse Biomarker angebracht werden, auf welche die Zellen reagieren. So können die Forscher verschiedene Signalmoleküle flexibel am Gerüst anbringen, um das Verhalten der dort angezüchteten Zellen präzise und ortsaufgelöst zu untersuchen.
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Bereits Herzmuskelzellen gezüchtet
Da die Fotolacke von Barner-Kowollik zu Gerüststrukturen mit reaktiver Oberfläche führen, an der die Forscher komplexe biologische Marker anbringen können, kann Bastmeyer die Zellen direkt an den von Wegener erzeugten Gerüsten anzüchten.
Mit diesen 3-D-Gerüsten hat das Team bereits erfolgreich Herzmuskelzellen, Bindegewebsbildungszellen und Stammzellen gezüchtet und untersucht. Das Zellverhalten in der künstlichen Umgebung ist sehr nah an dem in natürlicher Umgebung und unterscheidet sich deutlich von dem an 2-D-Oberflächen. Die leichte Herstellung von flexiblen Designer-Petrischalen kann eine breite Palette von Möglichkeiten für die Züchtung biologischen Gewebes bieten, das in der Medizin eingesetzt werden könnte, etwa um krankes Gewebe bei Patienten zu ersetzen oder zu regenerieren.
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft zeichnen das Trio für ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit am „3-D-Laserdruck funktionalisierter Mikrostrukturen“ mit dem Erwin-Schrödinger-Preis aus. Der Preis ehrt seit 1999 Forscherinnen und Forscher, welche die Grenzen zwischen verschiedenen Fächern der Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften überschreiten und herausragende wissenschaftliche oder technisch innovative Leistungen erbracht haben. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Ein Video zur Forschung gibt es hier.
Auch der Doktorandenpreis der Helmholtz-Gemeinschaft im Bereich Materie ging an einen Wissenschaftler des KIT: Wolfgang Gregor Hollik erhält den mit 5.000 Euro dotierten Preis für seine Dissertation „Neutrinos Meet Supersymmetry: Quantum Aspects of Neutrinophysics in Supersymmetric Theories”, die er am Institut für Theoretische Teilchenphysik verfasst hat. Die Helmholtz-Gemeinschaft vergibt die Doktorandenpreise jährlich an Nachwuchswissenschaftler in den sechs Forschungsbereichen Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. (KIT, red)
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