Dass Feinstaub in der Luft gefährlich ist und Atemwegs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen kann, steht außer Frage. Deshalb gibt es weltweit Grenz- und Richtwerte, die die Belastung für den Menschen mit diesen Klein- und Kleinstpartikeln anzeigen. Doch welche Auswirkungen haben Feinstaub-Konzentrationen unterhalb der festgelegten Grenzwerte auf die Gesundheit? Um diese Forschungsfrage zu beantworten, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innerhalb des ELAPSE-Projekts („Effects of Low-Level Air Pollution: A Study in Europe“ ) die Daten von acht bevölkerungsbasierten Kohorten aus sieben europäischen Ländern ausgewertet. In Befragungen machten die Probandinnen und Probanden, die alle in einer eher ländlichen, das heißt feinstaubärmeren Umgebung leben, detaillierte Angaben zu ihrem Lebensstil. Forscherinnen und Forscher des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Universität Ulm unter der Leitung von Professor Dietrich Rothenbacher haben zur Studie die anonymisierten Daten von rund 170 000 Personen des „Vorarlberg Health Monitoring and Prevention Programme“ beigetragen und diese in Zusammenhang mit der Sterblichkeit gestellt. Seit langem kooperieren Professorin Gabriele Nagel und Dr. Gudrun Weinmayr mit dem Arbeitskreis für Arbeits- und Sozialmedizin des österreichischen Bundeslandes.
Feinstaubbelastungen unterhalb der gültigen Grenzwerte
„Die meisten Studien zum Zusammenhang zwischen Feinstaub- und Stickoxidbelastung und erhöhter Sterblichkeit fanden in Städten mit relativ hohen Schadstoffkonzentrationen statt. Deshalb gab es bislang keine aussagekräftigen Erhebungen bei Personen, die nur niedrigen Konzentrationen ausgesetzt waren. In unserer Studie konnten wir nun zeigen, dass auch Feinstaubbelastungen unterhalb der gültigen Grenzwerte mit erhöhter Mortalität einhergehen“, erklärt Dr. Gudrun Weinmayr, die zur Auswertung und Interpretation der internationalen Studie beigetragen hat.
In der Studie interessierten sich die Forscher vor allem für die Konzentrationen von kleinsten Partikeln in der Luft der Wohnorte der Probandinnen und Probanden. Sie untersuchten die Belastung mit Feinstaub (PM2.5), Stickstoffdioxid (NO2), Ozon (O3) und Rußpartikeln. Diese ermittelten Luftverschmutzungskonzentrationen basieren auf Messungen, Satellitenbeobachtungen und Daten zur Landnutzung wie beispielsweise der Verkehrsdichte oder der Anteil an Industrie- oder Grünflächen.
Rund 325.000 Erwachsene beobachtet
Bei rund 325.000 Erwachsenen, die über einen Zeitraum von durchschnittlich 19,5 Jahren beobachtet wurden, konnte ein Anstieg des Sterberisikos von 13 Prozent beobachtet werden, so die Wissenschaftler. Diese Steigerung sei mit einer Erhöhung um 5 µg/m3 Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner als 2,5 µm (PM2.5) einhergegangen. Wurden nur die Personen betrachtet, die an Orten mit Konzentrationen von weniger als 12µg/m3 (dem US-Grenzwert) wohnten, habe der Anstieg sogar 30 Prozent betragen. Das heißt, jede Belastung mit Feinstaub sei mit einem signifikant erhöhten Risiko für eine erhöhte Sterblichkeit verbunden. Auch für Stickstoffdioxid und Rußpartikel sei ein Anstieg des Sterberisikos selbst bei geringen Konzentrationen zu beobachten gewesen.
Überarbeitung von Luftqualitätsgrenzwerten
„Luftverschmutzung trägt – wie aus früheren Studien bereits bekannt – ursächlich zu vielen chronischen Erkrankungen bei, was maßgeblich zur erhöhten Sterblichkeit führt. Selbst bei niedrigen Verschmutzungswerten unterhalb der geltenden Grenz- und Richtwerte ist Luftverschmutzung noch gefährlich“, so Dr. Gudrun Weinmayr. Die Ergebnisse der Untersuchung, an der Forschende aus ganz Europa beteiligt waren, sind daher ein wichtiger Beitrag zur Debatte rund um die Überarbeitung von Luftqualitätsgrenzwerten und zur Anpassung von Leitlinien und Normen sowie für die künftigen Bewertungen der globalen Krankheitslast (Global Burden of Disease).
Strak M, Weinmayr G, Rodopolou S, et al.: Long-term exposure to low-level air pollution and nonaccidental mortality – a pooled analysis of eight European cohorts within the ELAPSE project. BMJ 2021; 374: n1904, DOI: doi.org/10.1136/bmj.n1904.
Quelle: Uni Ulm
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