Erfolgsfaktoren für Stuhltransplantationen

Rückenwind für vielversprechenden Therapieansatz
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Breitere klinische Anwendung der Übertragung von Darmbakterien? Mit einem Modell sollen sich die Auswirkungen der Therapie auf das Darmmikrobiom individueller Patientinnen und Patienten vorhersagen lassen.

Eine Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Antibiotika und Darmspülung vor einer sogenannten Stuhltransplantation soll die Ansiedelung übertragener Bakterien der Spender/-innen begünstigen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Prof. Dr. W. Florian Fricke und Daniel Podlesny vom Fachgebiet Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik entwickelten zusammen mit anderen Forschern ein Modell, mit dem sich die Auswirkungen der Therapie auf das Darmmikrobiom individueller Patientinnen und Patienten vorhersagen lässt. Es soll teilweise erklären können, warum der Erfolg der Stuhltransplantation für die Behandlung mancher Erkrankungen wie Diabetes oder Colitis ulcerosa bisher durchwachsen ist. Dabei fanden sie bei sehr unterschiedlichen Patientengruppen und Erkrankungen gemeinsame Mechanismen für die Neuorganisation des Mikrobioms nach der Transplantation. Dies könnten Ansatzpunkte sein, mit denen diese Form der Mikrobiom-Therapie klinisch optimiert und gezielter, d.h. auf individuelle Patientinnen und Patienten zugeschnitten, eingesetzt werden könnte. Störungen im mikrobiellen Ökosystem des menschlichen Darms werden mit vielen Stoffwechsel-, Entzündungs- und Infektionskrankheiten in Verbindung gebracht.

Wechselwirkungen der Mikrobiome?

Ein vielversprechender Therapieansatz für Krankheiten, die mit dem Mikrobiom im Zusammenhang stehen, ist die Übertragung von Mikroben aus dem Darm von gesunden Spender/-innen in den Magendarmtrakt von Patientinnen und Patienten, die sogenannte FMT (Fecal Microbiota Transplantation). Oft wird dieser Prozess stark vereinfacht als Stuhltransplantation bezeichnet. Noch weiß man jedoch relativ wenig über die Wechselwirkungen der Mikrobiome von Spender und Patient nach der Prozedur, d.h. welche Faktoren für eine erfolgreiche Ansiedelung der Spender-Bakterien im Darm der Empfänger/-innen notwendig sind und wie die Übertragung maximiert werden kann.

Neuentwickelte bioinformatische Methode

„Unser Ziel war es, die Mechanismen zu verstehen die dabei eine Rolle spielen, und ein generelles Vorhersagemodell zu entwickeln, das für unterschiedliche Gruppen von Patient/-innen Anwendung finden kann“, so Prof. Dr. Fricke. Dies ist ihm und seinem Doktoranden Daniel Podlesny, der demnächst zum Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg wechseln wird, jetzt mit einer neuen, von ihrer Arbeitsgruppe entwickelten bioinformatischen Methode gelungen.

Daten von mehr als 250 Stuhltransplantierten

Hierbei lag ein besonderer Fokus auf der Übertragung einzelner Bakterien oder Stämme durch die Transplantation. Dazu bedienten sie sich eines besonderen von ihnen entwickelten Verfahrens, um selbst kleine Veränderungen im Mikrobiom nachweisen zu können. Neben eigenen Forschungsergebnissen erfassten sie dafür auch Daten aus 14 weiteren klinischen Studien und werteten so die Daten von mehr als 250 mit Stuhltransplantation behandelter Personen aus.

Meist setzte sich nur ein Stamm durch

Ihre wichtigste Erkenntnis: Unabhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung setzte sich nach der Transplantation für die meisten Bakterienarten nur ein Stamm durch. Patientinnen und Patienten enthielten zumeist entweder den gleichen Stamm wie vor der Behandlung oder einen neuen, übertragenen Stamm, aber nur in seltenen Fällen eine Mischung. Je stärker das vorhandene Darmmikrobiom bereits vor der Transplantation geschädigt war oder durch eine Vorbehandlung mit Antibiotika beeinträchtigt wurde, desto erfolgreicher konnten sich die gespendeten Mikroben ansiedeln.

Die beiden Forscher stehen mit ihren Ergebnissen nicht allein: Zeitgleich und unabhängig voneinander kamen inzwischen auch die Arbeitsgruppe am EMBL in Heidelberg, in die Daniel Podlesny wechseln wird, sowie eine Arbeitsgruppe in Italien zu vergleichbaren Ergebnissen.

Kolonisierung mit neuen Bakterien

„Im Grunde genommen hat die Transplantation das Ziel ein neues oder modifiziertes mikrobielles Ökosystem im Darm zu etablieren“, erklärt Prof. Dr. Fricke. „Normalerweise verhindert das Darmmikrobiom von gesunden Erwachsenen die Ansiedelung von eindringenden Mikroorganismen, die um dieselben ökologischen Nischen konkurrieren. Ist das natürliche Zusammenspiel gestört, können sich neue Mikroben besser ansiedeln oder vorhandene Stämme ersetzen.“

Dies ist nach Meinung der Forscher auch der Grund dafür, warum eine Stuhltransplantation vor allem bei wiederkehrenden Infektionen mit dem Bakterium Clostridioides difficile eine Erfolgsrate von rund 90 Prozent hat. Durch die wiederholte Einnahme von Antibiotika, die in der konventionellen Therapie gegen die Infektion eingesetzt werden, ist das Darmmikrobiom massiv gestört – ideale Voraussetzungen für die Kolonisierung mit neuen Bakterien nach einer Stuhltransplantation.

Antibiotische Vorbehandlung und Darmspülung?

Es erklärt außerdem, warum die Ansiedelung von neuen Mikroorganismen nach der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit der entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa, schwerem Übergewicht oder Diabetes deutlich bescheidener ausfiel. Bei diesen Erkrankten fanden die Forscher vor der Therapie ein weitgehend intaktes Darmmikrobiom.

Allerdings zeigen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Ansätze auf, mit deren Hilfe die Effizienz von Stuhltransplantationen unabhängig von der zu behandelnden Grunderkrankung verbessert werden kann: Sowohl eine antibiotische Vorbehandlung als auch eine Darmspülung vor der Transplantation führten bei den Patientinnen und Patienten zu einer verstärkten Ansiedelung übertragener Mikroorganismen. Dabei müssen die Risiken einer solchen Vorbehandlung jedoch mit der Schwere des Krankheitsbildes und dem zu erwartenden Behandlungserfolg abgewogen werden.

Kombination aus Patient und Spender

Zudem weisen die Ergebnisse in Richtung personalisierte Medizin: In Simulationen mit ihrem Modell zeigte sich, dass die Anzahl übertragener Stämme von unterschiedlichen Spender/-innen auf einzelne Patientinnen und Patienten um einen Faktor von bis zu zehn schwanken könne. Dabei hänge der Erfolg von der jeweiligen Kombination aus Patient und Spender ab. Damit könnte das Modell die Grundlage für personalisierte Ansätze der Stuhltransplantation bilden, wenn vor der Behandlung zunächst zueinander passende spendende und empfangende Personen ausgewählt werden.

„Mit unserem Modell liefern wir einen Werkzeugkasten, mit dessen Hilfe man die Auswirkungen der Stuhltransplantation präzise vorhersagen und für Patient/-innen individuell anpassen kann“, fasst Prof. Dr. Fricke den Nutzen zusammen. „Es ist ein Grundstein für zukünftige Entwicklungen von zielgerichteten, personalisierten Therapien zur Veränderung des Mikrobioms im Darm.“

Literatur:
Podlesny D, Durdevic M, Paramsothy S, et al.: Identification of clinical and ecological determinants of strain engraftment after fecal microbiota transplantation using metagenomics. Cell Reports Medicine 3, 100711, August, 2022, DOI: doi.org/10.1016/j.xcrm.2022.100711.

Quelle: Universität Hohenheim

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