Epigenetisches Modell für die Entwicklung von Blutzellen

Bioinformatische Methoden
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Mit bioinformatischen Methoden ist es Wissenschaftlern aus Saarbrücken, Cambridge und Wien gelungen, Unterschiede in Blutstammzellen verschiedener Entwicklungsstufen zu finden und die epigenetischen Veränderungen während ihrer Differenzierung zu beschreiben.

Das Genom bzw. die DNA-Sequenz ist spezifisch für jeden Organismus und in praktisch allen Zellen eines Menschen gleich. Für die Entwicklung der unterschiedlichen Zelltypen mit ihren spezifischen Aufgaben aus Stamm- und Vorläuferzellen ist das Epigenom verantwortlich. Im Epigenom ist reflektiert, zu welchem Zelltyp sich eine Stammzelle entwickelt. Der Mechanismus dafür ist das biochemische An- und Ausschalten von Teilabschnitten der DNA durch zelluläre Prozesse wie zum Beispiel der Methylierung bestimmter DNA-Regionen. Die Kenntnis dieser Steuerung ermöglicht eine verbesserte Analyse und Behandlung von Krebs-, Stoffwechsel- und Immunerkrankungen.

Epigenetische Muster charakterisiert

Unter der Leitung von Christoph Bock (CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, und Max-Planck-Institut für Informatik, Saarbrücken), wurden von einem internationalen Team, das Forscher am Max-Planck-Institut für Informatik und am Zentrum für Bioinformatik an der Universität des Saarlandes einschließt, die epigenetischen Muster in Stammzellen und Vorläuferzellen des menschlichen Blutes umfassend charakterisiert. Diese Zellen sind für die Bildung sämtlicher Blutzellen, einschließlich aller Zellen des Immunsystems und der roten Blutkörperchen, verantwortlich.

Eine neuartige Sequenzierungs-Technologie ermöglichte es nun, die Epigenome aus nur wenigen bis hin zu einzelnen Zellen zu kartieren. Im Vergleich zu anderen Verfahren sind die Messungen schärfer und im Falle der sehr seltenen Stammzellen überhaupt erst möglich geworden. Die so entstandenen Karten beschreiben Muster in der DNA-Methylierung, einer speziellen epigenetischen Modifikation, die mit der Verpackung der DNA im Zellkern assoziiert ist und ihre „Lesbarkeit“ beeinflusst. Sie stellen eine Art Atlas dieser Modifikation dar, der als Referenz für die epigenetische Untersuchung von Krankheiten wie Leukämie und Autoimmunerkrankungen von Nutzen ist.

Besseres Verständnis vieler Erkrankungen

„Jede Körperzelle besitzt ihr eigenes Epigenom. Herauszufinden, inwiefern sich die Epigenome verschiedener Zelltypen unterscheiden bzw. ähneln, ist von großer Bedeutung für das Verständnis vieler Erkrankungen“, erklärt Thomas Lengauer, Sprecher des Saarbrücker Zentrums für Bioinformatik und Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik. „Die Menge an Daten, die hierfür ausgewertet werden, macht bioinformatische Methoden unverzichtbar.“

In der Studie verglichen die Forscher Stammzellen aus dem Blut von Erwachsenen und aus anderen Quellen wie dem Nabelschnurblut und dem Knochenmark und stellten Unterschiede fest, die mit der Verpackung der DNA im Zellkern im Zusammenhang stehen und für die Zellfunktion relevant sind. Des Weiteren konnten Muster in der epigenetischen Regulation verschiedener Vorläuferzellen identifiziert werden, die mit Zellen der angeborenen bzw. adaptiven Immunabwehr assoziiert sind. Mit Hilfe bioinformatischer Methoden konnten die Forscher die epigenetischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Blutzelltypen aufzeigen. Maschinelle Lernverfahren ermöglichten es, die epigenetischen Veränderungen, die sich im Laufe der Entwicklung von Blutzellen ereignen, im Computer abzubilden.

Bessere Diagnose- und Therapiemöglichkeiten erhofft

Christoph Bock erklärt dazu: „Vorläuferzellen spezialisieren sich während der Entwicklung immer mehr bis zur fertig ausdifferenzierten Blutzelle. Wir fanden in den Vorläuferzellen DNA-Methylierungsmuster, die sich wie eine Straßenkarte lesen und die möglichen Entwicklungs-Routen dieser Zelle beschreiben.“

Krankheiten, die nicht durch äußere Erreger verursacht werden, sondern durch Veränderung der körpereigenen Zellen, können nicht mit Antibiotika oder Seren behandelt werden. Stattdessen sind Eingriffe in Entwicklung und Stoffwechsel der Zellen nötig. Thomas Lengauer beschreibt eine Zielrichtung der Forscher: „Aus der Kenntnis der Abläufe bei der Zelldifferenzierung erhoffen wir uns bessere Diagnose- und Therapiemöglichkeiten bei Erkrankungen, die im Zusammenhang mit der Teilung von Körperzellen stehen. Sind die epigenomischen Merkmale einer krankhaften Zellveränderung bekannt, kann man nach gezielten Eingriffen forschen, die nur diese Zellen betreffen.“ (idw, MPI, red)

Literatur:

Matthias Farlik, Florian Halbritter1, Fabian Müller et al.: DNA Methylation Dynamics of Human Hematopoietic Stem Cell Differentiation. Journal Cell Stem Cell, Available online 17 November 2016. 

Hintergrundinformationen:

Die Forschung wurde im Rahmen des BLUEPRINT Projektes (BLUEPRINT - A BLUEPRINT of Haematopoietic Epigenomes) durchgeführt, ein groß angelegtes Forschungsprojekt, das als eines der beiden ersten sogenannten „high impact research initiatives“ knapp 30 Millionen Euro Förderung der EU erhalten hat. 42 führende Universitäten, Forschungsinstitute und Industriepartner aus 12 Ländern haben zu dem Projekt beigetragen.

Unter dem Schirmprojekt IHEC, des International Human Epigenome Consortiums, werden alle Epigenom-Daten von BLUEPRINT öffentlich zugänglich gemacht. IHEC ist ein globales Konsortium mit dem primären Ziel, Referenz-Epigenome für normale und erkrankte Zelltypen des Menschen zu erzeugen und der wissenschaftlichen Gemeinschaft frei zur Verfügung zu stellen. IHEC-Mitglieder unterstützen außerdem Projekte zur Entwicklung neuer Epigenom-Technologien, zur Erforschung von epigenetischer Regulation bei Krankheiten und zum Verständnis der Epigenetik im Bereich der Gen-Umwelt-Interaktionen.

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