Die Trauer war groß nach dem plötzlichen Tod von Eisbär Fritz im April 2017. Es kam in der Vergangenheit schon öfter vor, dass Eisbären in Menschenobhut an opportunistischen Keimen, wie etwa dem equinen Herpesvirus oder dem West-Nil-Virus starben. Deshalb wurde in Betracht gezogen, dass Fritz ebenfalls einer solchen Virusinfektion zum Opfer gefallen sein könnte. Das Forscherteam um Alex Greenwood und Anisha Dayaram vom Leibniz-IZW und ihren Kollegen aus dem Tierpark Berlin und dem Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin fand zu seiner Überraschung jedoch ein bisher unbekanntes und gänzlich artfremdes Adenovirus. Tödlich war die Infektion für den Eisbären aber nicht.
Shotgun-Sequenzierung
Die Forscher analysierten verschiedene Gewebetypen und das Blut des Eisbären mit Hilfe der sogenannten Shotgun-Sequenzierung, um mögliche Virus-RNA nachzuweisen. „Was uns diesen Fall wirklich schwer gemacht hat war, dass wir in Datenbanken keinerlei Vergleichssequenzen gefunden haben, die 90 Prozent oder mehr Ähnlichkeit mit diesem Virus haben. Wir fanden absolut nichts!“, erzählt Greenwood. Erst als sie auch Viren mit einbezogen, die nur zu 70 Prozent dem unbekannten Virus glichen, wurde das Team fündig. Nun ließ sich auch das komplette Genom des neuen Krankheitserregers rekonstruieren, das sich stark von bei anderen Säugetieren vorkommenden Adenoviren unterscheidet.
Phylogenetische Analysen zeigten, dass das Virus noch am ehesten mit den Adenoviren von Delfinen, Seelöwen und Fledermäusen verwandt ist – jedoch extrem weit entfernt ist von denen der Primaten. „Da Fritz und seine Mutter in einem isolierten Gehege lebten, gehen wir davon aus, dass das Virusreservoir ein kleines Nagetier oder eine Fledermaus gewesen sein muss.“ Andere klassische Infektionswege wie etwa über das Futter oder eine Übertragung durch die Tierpfleger scheiden damit aus.
Leber stark angegriffen
Die Obduktion des kleinen Eisbären ergab zudem, dass seine Leber stark angegriffen und teilweise nekrotisch war. Die Ursache dafür ist unbekannt: Es lag weder eine Entzündung vor, noch gab es Hinweise auf Viren im Lebergewebe. Auch weitere Untersuchungen von verschiedenen Veterinär-Pathologen, Human-Pathologen und Toxikologen der Rechtsmedizin erbrachten keinen positiven Befund, der die Leberschäden hätte erklären können.
Was letztlich den Tod von Fritz verursacht hat, ist also weiter unklar. „Wir können nicht ausschließen, dass das Virus ihn geschwächt hat und dann etwas Anderes hinzu kam“, sagt Greenwood. „Anders herum könnte seine Haupterkrankung (in der Leber) sein Immunsystem auch so geschwächt haben, dass das Virus erst dadurch eine Chance bekam, ihn zu infizieren.“ Die Forscher wollen nun im Gewebe des Eisbären nach spezifischen Antikörpern suchen, um testen zu können, ob auch andere Tierparkbewohner infiziert sind. „Auch wenn das Virus nach Einschätzung aller Experten nicht für den Tod des kleinen Eisbären verantwortlich ist, so zeigt der Befund doch, auf welch hohem, internationalem Niveau die Zoologischen Gärten Berlin und die Berliner Forschungseinrichtungen arbeiten und kooperieren“, lobt Zoo- und Tierparkdirektor Dr. Andreas Knieriem die enge Zusammenarbeit zwischen Tierpark Berlin und Leibniz-IZW. (idw, red)
Dayaram A, Tsangaras K, Pavulraj S, Azab W, Groenke N, Wibbelt G, Sicks F, Osterrieder N, Greenwood AD (2018): A novel divergent polar bear associated mastadenovirus recovered from a deceased juvenile polar bear. mSphere. DOI: 10.1128/mSphere.00171-18.
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