Eierstockkrebsfrüherkennung: Nutzen überschätzt, Schaden unterschätzt

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Beidseitiges Ovarialkarzinom
Beidseitiges Ovarialkarzinom Ed Uthman, public domain,
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Zwei große randomisiert-kontrollierte klinische Studien kamen in den zurückliegenden Jahren zu dem Schluss, dass die Eierstockkrebsfrüherkennung kein zusätzliches Leben rettet, aber mit massiven Schäden bei gesunden Frauen einhergehen kann.

Evidenzbasierte Medizin setzt voraus, dass Ärzte/-innen die aktuell beste verfügbare wissenschaftliche Studienlage heranziehen, um gute Behandlungsentscheidung zu treffen. Die bisherige Forschung zeigt jedoch, dass dies in der Praxis nicht immer der Fall ist. So halten Ärzte/-innen zum Teil an medizinischen Maßnahmen fest, die nachweislich keinerlei Nutzen haben und unter Umständen sogar schaden können. Dies ist auch bei der Eierstockkrebsfrüherkennung der Fall, wie eine Onlinestudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung mit mehr als 400 US Gynäkologen/-innen zeigt.

Früherkennung dennoch empfohlen

Zwei große randomisiert-kontrollierte klinische Studien kamen in den zurückliegenden Jahren zu dem Schluss, dass die Eierstockkrebsfrüherkennung kein zusätzliches Leben rettet, aber mit massiven Schäden, wie einer unnötigen Eierstockentnahme bei gesunden Frauen, einhergehen kann. Aus diesem Grund wird die Früherkennung von medizinischen Fachgesellschaften nicht empfohlen. Eine Onlinestudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung mit 401 US-amerikanischen Gynäkologen/-innen zeigt, dass knapp 60 Prozent der Ärzte/-innen die Früherkennung dennoch empfehlen. Dabei kennt die Mehrzahl der Gynäkologen/-innen den tatsächlichen Nutzen beziehungsweise Schaden der Früherkennung nicht. Eine umfassende Aufklärung der Patientinnen können sie demnach nicht leisten.

Ärzte nicht ausreichend vorbereitet?

„Nicht nur Patienten/-innen haben falsche Vorstellungen von der Effektivität von Krebsfrüherkennungen, sondern auch Ärzte/-innen. Eine frühere Studie legt dabei nahe, dass ein Grund hierfür ist, dass viele Ärzte/-innen in ihrer Ausbildung nur unzureichend auf die richtige Interpretation der für die Nutzen- und Schadenbeschreibung verwendeten Statistik vorbereitet werden“, sagt Erstautorin Odette Wegwarth, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

Ziel der aktuellen Studie war es, zu untersuchen, ob Gynäkologen/-innen trotz anderslautender Empfehlung durch die medizinischen Fachgesellschaften die Eierstockkrebsfrüherkennung empfehlen und ob dies mit deren Kenntnisstand zu Nutzen und Schaden der Früherkennung zusammenhängt. Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler/-innen, ob die Ärzte/-innen fehlerhafte Nutzen- beziehungsweise Schadeneinschätzung revidierten, nachdem sie die aktuelle Evidenz in einer leicht verständlichen Form präsentiert bekamen.

52 Prozent revidierten ihre fehlerhaften Schätzungen

Ein Großteil der Gynäkologen/-innen überschätzte den Nutzen und unterschätzte den Schaden der Früherkennung massiv. Je nach Frage waren dies 45 bis zu 97 Prozent der Befragten. Die Fehleinschätzung war besonders bei jenen knapp 60 Prozent der Gynäkologen/-innen ausgeprägt, die die Früherkennung routinemäßig empfahlen. Das Präsentieren einer evidenzbasierten, leicht verständlichen Faktenbox führte dazu, dass 52 Prozent ihre fehlerhaften Schätzungen revidierten; 48 Prozent jedoch nicht.

„Unsere Studie zeigt, dass das Empfehlen von Früherkennungen ohne Nutzen mit einem mangelhaften Wissen zur Evidenz einhergeht. Für Ärzte/-innen, die offen für evidenzbasierte Medizin sind, können leicht verständliche, übersichtliche Formate der Risikokommunikation Abhilfe schaffen. Alle erreichen wir mit einer transparenten Darstellung aber offenkundig nicht. Die Gründe hierfür gilt es weiter zu erforschen“, sagt Odette Wegwarth.

Auf den Umgang mit Statistik vorbereiten

Dass die Studie mit US-amerikanischen Gynäkologen/-innen durchgeführt wurde, bedeutet jedoch nicht, dass die Problematik nur auf das amerikanische Gesundheitssystem begrenzt ist. „Wir haben eine fundierte Studienlage dazu, dass auch deutsche Ärzte/-innen einen mangelhaften Kenntnisstand haben, wenn es um screeningbezogene Statistik und die Effektivität von Früherkennungen geht. Eine Stärkung der evidenzbasierten Medizin in der Praxis ist deshalb nur erreichbar, wenn wir Ärzte/-innen bereits in der Ausbildung gut und vor allem praxisnah auf den Umgang mit Statistik vorbereiten“, sagt Odette Wegwarth. (idw, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, red)

Literatur:

Wegwarth, O. & Gigerenzer, G. (2018): US gynecologists’ estimates and beliefs regarding ovarian cancer screening's effectiveness 5 years after release of the PLCO evidence. Scientific Reports, 8:17181. doi.org/10.1038/s41598-018-35585-z.

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