Fast 8 von 10 Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern (78 Prozent) ist durch die Ereignisse der vergangenen 18 Monate nach eigenem Bekunden die Bedeutung der Digitalisierung des Gesundheitswesens klargeworden. Zugleich sagen drei Viertel (75 Prozent), mit digitalen Technologien ließen sich solche Krisen besser bewältigen – das ist eine Steigerung um mehr als 20 Prozentpunkte verglichen mit 2020, als 53 Prozent dieser Aussage zustimmten. 71 Prozent fordern mehr Tempo beim Ausbau digitaler Angebote in der Medizin – (2020: 65 Prozent).
Und 70 Prozent sind der Meinung, Deutschland hänge bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems hinter anderen Ländern zurück – 60 Prozent waren es vor einem Jahr. 87 Prozent der Deutschen bemängeln die Nachverfolgung von Infektionsketten durch die Gesundheitsämter als zu langsam. Das sind Ergebnisse zweier repräsentativer Befragungen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Eine erste Befragung zu Themen der digitalen Gesundheitsversorgung wurde im Mai 2021 unter 1.157 Personen in Deutschland ab 16 Jahren durchgeführt, eine zweite speziell zum digitalen Impfnachweis Anfang Juli 2021 unter 1.005 Personen in Deutschland ab 16 Jahren.
Digitaler Impfnachweis: Großes Interesse, auch ohne Smartphone
Demnach gibt es unter den Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern großes Interesse am digitalen Impfnachweis. 42 Prozent der Nutzerinnen und Nutzern eines Smartphones haben ihn bereits auf dem eigenen Smartphone gespeichert – und 2 Prozent auf dem Smartphone einer anderen Person. Weitere 41 Prozent wollen sich den digitalen Impfnachweis künftig besorgen – 26 Prozent „in jedem Fall“ und 15 Prozent „wahrscheinlich“. Lediglich 12 Prozent geben an, kein Interesse am digitalen Impfnachweis zu haben, obwohl sie ein Smartphone haben. In Deutschland besitzen 21 Prozent kein Smartphone. Fast die Hälfte davon (42 Prozent) sagt jedoch, sie würden den digitalen Impfpass nutzen, wenn sie ein Smartphone hätte. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer des digitalen Impfnachweises haben ihn in der Apotheke ausstellen lassen (31 Prozent), 26 Prozent im Impfzentrum und rund ein Fünftel (22 Prozent) in der Arztpraxis. Einige wenige bekamen ihn auch per Brief (8 Prozent) oder per E-Mail (6 Prozent) zugesandt.
Eine große Mehrheit nutzt den digitalen Impfnachweis aktuell beziehungsweise künftig vor allem für private Anlässe und damit über die rechtlichen Vorgaben hinaus. 87 Prozent wollen so Treffen mit Freunden und Familie absichern. Ob Tennisplatz, Kochwerkstatt oder Kino: Drei Viertel (76 Prozent) setzen den digitalen Impfnachweis jetzt oder künftig für Freizeitaktivitäten ein – und 61 Prozent für Urlaub und Reisen. Die Hälfte derer, die den digitalen Impfnachweis nutzen oder künftig nutzen wollen, wollen damit Restaurants besuchen (53 Prozent), und je etwas mehr als ein Drittel zu Großevents (37 Prozent) beziehungsweise in Clubs oder Bars (35 Prozent) gehen.
Sechs von zehn Befragten wollen das E-Rezept nutzen
Zurück aus dem Homeoffice ins Großraumbüro oder ein Termin beim Kunden? Ein Fünftel (22 Prozent) zeigt den digitalen Impfnachweis jetzt oder künftig bei der Arbeit vor. Zwei Drittel der Nutzerinnen und Nutzern des digitalen Impfnachweises (64 Prozent) haben ihn tatsächlich auch schon einmal aktiv vor Ort eingesetzt: Bei 29 Prozent, also fast der Hälfte hiervon, hat dies reibungslos funktioniert. Bei 22 Prozent waren mehrere Versuche nötig, etwa beim Scannen des QR-Codes mit der Check-App des Gegenübers. 14 Prozent sagen allerdings, bei ihnen habe dies in aller Regel nicht funktioniert.
Sechs von zehn Befragten wollen das E-Rezept nutzen
Neben dem digitalen Impfnachweis ist am 1. Juli auch das E-Rezept offiziell an den Start gegangen – allerdings lediglich in ersten Pilotversuchen. Die zugehörige App ist ebenfalls seit kurzem für Apple- und Androidgeräte verfügbar. Das E-Rezept wird per QR-Code in einer Apotheke eingelöst, ab Januar 2022 haben alle Versicherten einen rechtlichen Anspruch darauf. Das Interesse ist groß: 59 Prozent der Deutschen wollen das E-Rezept nutzen, aber 39 Prozent wollen dies nicht. Die Hälfte derer, die das E-Rezept nutzen wollen, erhoffen sich davon vor allem eine automatische Erkennung von Wechselwirkungen (51 Prozent), 44 Prozent wollen damit Zettelwirtschaft vermeiden und 3 von 10 Befragten (30 Prozent) aus dieser Gruppe setzen auf digitale Medikationspläne. Ein Viertel (25 Prozent) möchte sich automatisch an die Medikamenteneinnahme erinnern lassen.
Zwei Drittel wollen die elektronische Patientenakte nutzen
Seit dem 1. Januar 2021 bieten die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten die elektronische Patientenakte (ePa) an. Zwei Drittel (66 Prozent) wollen sie künftig gern nutzen, aktuell haben sie allerdings erst 0,2 Prozent der Befragten in Gebrauch (Stand: Mai 2021). Ein Fünftel (21 Prozent) hat daran allerdings kein Interesse – und ein Zehntel (10 Prozent) gibt an, sich bislang noch nicht mit der ePa befasst zu haben. Wer an der ePa interessiert ist, sieht als Vorteil vor allem, dass andere Ärzte Diagnosen, Befunde oder Arztbriefe einsehen können (74 Prozent). 71 Prozent wollen per ePa selbst alle Infos über die eigene Krankengeschichte im Blick haben und 64 Prozent finden vorteilhaft, dass Doppeluntersuchungen durch die digitale Dokumentation in der ePa vermieden werden.
Diejenigen, die die ePa nicht nutzen wollen, haben vor allem Bedenken, dass ihre Daten nicht sicher sind (56 Prozent). Etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) sorgt sich um Eingabefehler und einem Drittel (31 Prozent) erscheint die Beantragung zu aufwendig. „Die elektronische Patientenakte ist das Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mit ihr erhalten die Versicherten einen schnellen Zugriff auf ihre medizinischen Daten, Diagnosen und bald auch ihren Impfpass“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
Videosprechstunde vor allem bei Älteren beliebt
Die Verbreitung der Videosprechstunde ist in den vergangenen 12 Monaten eher langsam vorangegangen. 14 Prozent der Menschen in Deutschland ab 16 Jahren haben diese digitale Angebot schon einmal genutzt – 13 Prozent waren es im Sommer 2020, jedoch lediglich 5 Prozent im Jahr 2019. Vor allem die 50- bis 64-Jährigen haben die Videosprechstunde für sich entdeckt: Mehr als ein Fünftel aus dieser Gruppe (22 Prozent) hat schon einmal einen digitalen Arztbesuch absolviert. 18 Prozent sind es bei den 16- bis 29-Jährigen und 15 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen. Von den Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren haben allerdings lediglich 3 Prozent schon einmal das Angebot einer Videosprechstunde genutzt.
Von denen, die bereits Videosprechstunden genutzt haben, ist die weit überwiegende Mehrheit zufrieden: 53 Prozent beurteilen ihre Erfahrung als „eher gut“ und „43 Prozent als „gut“. Fast alle (95 Prozent) sind der Ansicht, das Angebot an Videosprechstunden solle ausgebaut werden und drei Viertel (74 Prozent) beurteilen die Behandlung als ebenso gut wie eine persönliche Behandlung in der Praxis. 70 Prozent haben die Videosprechstunde genutzt, weil sie sich vor einer Infektion mit dem Coronavirus im Wartezimmer einer Arztpraxis fürchten. 61 Prozent brauchten möglichst schnell einen ärztlichen Rat und 60 Prozent wollten Wartezeit vermeiden. 31 Prozent nutzen Videosprechstunden aus Bequemlichkeit – und 20 Prozent haben diese aus Neugier ausprobiert.
Apps auf Rezept etablieren sich nur langsam
Seit Herbst 2020 sind so genannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verfügbar, also zertifizierte Gesundheitsapps, die sich die Versicherten auf Rezept verschreiben lassen können. In der Bitkom-Studie geben 51 Prozent der Befragten an, sie könnten sich künftig vorstellen, eine solche App zu nutzen, die etwa bei Tinnitus oder Schlafstörungen, Migräne oder Adipositas hilft. Für 45 Prozent sind Gesundheitsapps auf Rezept nach eigenem Empfinden nicht geeignet, erst eine sehr geringe Anzahl von Menschen hat eine solche App schon einmal genutzt.
Quelle: Bitcom, 28.07.2021
Artikel teilen