Ob der Impuls dafür vom Gesetzgeber in Form des Medizinproduktegesetzes (MPG) und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) als notwendiger Beitrag zu Zertifizierungsbestrebungen der übergeordneten Einrichtung (Krankenhaus) oder aus wirtschaftlichem Antrieb, nämlich der Erfüllung von Marktforderungen (zum Beispiel der Forderung nach einer Akkreditierung von Einsendelaboren durch deren Auftraggeber) ausgeht, mag für die Nachhaltigkeit der implementierten Systeme zwar ein wichtiges Kriterium sein – ein Garant für die Wirksamkeit ist es nicht. Wirksam für den Unternehmenserfolg ist ein Qualitätsmanagementsystem nur dann, wenn es ein Kernbestandteil der Unternehmensphilosophie (Leitbild) und der daraus auf die Wertschöpfung (Kunden- und Unternehmensnutzen) ausgerichteten Strategie wird.
Qualitätsmanagement in seiner jetzigen Form ist nicht mehr nur das an einen Beauftragten delegierbare „notwendige Übel“, Qualitätsmanagement ist eine Führungsaufgabe (Rili-BÄK, 2019) und gehört somit in die Verantwortlichkeit der Leitung beziehungsweise des Managements. Um den Herausforderungen an eine Leitungsaufgabe oder gleichbedeutend der Funktion im Management gerecht zu werden, bedarf es einer stabilen Basis aus Elementarwissen und Methodenkompetenz – diese muss erworben werden.
Als eine der bekanntesten und für nachhaltige Unternehmenserfolge stehende Managementmethode gilt das „St. Galler Management-Modell (SGMM)“. Das vor mehr als 50 Jahren von einer Gruppe aus Professoren und Dozenten der Hochschule St. Gallen unter der Leitung von Hans Ulrich initiierte Managementmodell bewirkte damals eine grundlegende Weiterentwicklung der Betriebswirtschaftslehre zu einer integrativen Managementlehre (Ulrich, 1984). Absicht war es, einen Bezugsrahmen zur Verfügung zu stellen, der es erlaubt, komplexe Probleme in einem Gesamtzusammenhang und einem ganzheitlichen Blickwinkel wahrnehmen zu können. Ähnlich wie bei dem zu den ersten integrierten Managementsystemen zählenden St. Galler Management-Modell mit seiner Ausdifferenzierung in die drei Dimensionen, dem normativen, dem strategischen und dem operativen Management, erfolgt heute eine vergleichbare Ausdifferenzierung auch innerhalb der modernen Qualitätsmanagementsysteme – insbesondere bei Qualitätsmanagementsystemen in Anlehnung an die Norm ISO 9001. Hier werden die drei Dimensionen in Form einer Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (Donabedian, 1966 und 1980) differenziert, und der prozessorientierte Ansatz dient als hervorragende Basis zur Implementierung weiterer Managementsysteme, wie Risiko- und Chancenmanagement sowie Umwelt- und Arbeitsschutz.
Strukturqualität
Die Strukturqualität ergibt sich aus den vorherrschenden Rahmenbedingungen innerhalb der Organisation. Ihr Erfüllungsgrad wird daran gemessen, inwieweit die strukturellen Merkmale geeignet sind, um die mit der Unternehmenspolitik verknüpften Ziele zu erreichen. Zu den Merkmalen gehören bauliche, technische und personelle Rahmenbedingungen – zum Beispiel Gebäude, Lage sowie räumliche und technische Ausstattung der Organisationseinheit. Weitere wesentliche Merkmale sind die Qualifikation der Führungskräfte sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Ausprägung der Arbeitsplatzhygiene (Arbeitssicherheit, Brandschutz und Hygiene), die verfügbaren finanziellen Ressourcen sowie das Vorhandensein und die Einhaltung von Standards. Die externen Einflussfaktoren auf die Strukturqualität werden durch das politische und ökonomische Umfeld dargestellt. Dessen Ausprägung kann mithilfe einer PEST-Analyse (zu Deutsch: politisch, ökonomisch, sozio-kulturell, technologisch) bestimmt werden. Die intern auf das Unternehmensgeschehen wirkenden Faktoren werden mittels einer SWOT-Analyse (zu Deutsch: Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken) definiert. Denn letztlich beeinflusst die Strukturqualität maßgeblich das erreichbare Niveau der nachfolgend beschriebenen Prozess- und Ergebnisqualität.
Prozessqualität
Die Prozessqualität ist der Maßstab, der beschreibt, in welchem Grad die mit der Patientenversorgung und deren Sicherheit verbundenen Abläufe geeignet sind, die in der Qualitätspolitik festgelegten Zielvorgaben zu erreichen. Dazu müssen diese Prozesse innerhalb der Organisation beherrscht werden.
Die Prozessgestaltung ist das Kernelement des Qualitätsmanagements. Von zentraler Bedeutung sind die Eigenschaften der Kernprozesse (zum Beispiel Diagnostik, Beratung, Therapie) und der unterstützenden Prozesse (zum Beispiel Verwaltung, Fort- und Weiterbildung) sowie deren Effektivität und Effizienz, insbesondere an den vor- und nachgelagerten Schnittstellen. Um die Qualität der Prozesse messbar zu machen, muss festgestellt werden, ob bei grundsätzlicher Einhaltung der festgelegten Verfahren eine gesicherte Qualität erreicht werden kann. Im Bereich der Laboratoriumsmedizin erfolgt dies im Rahmen der Qualitätskontrollmessungen und der Beobachtung von deren Ergebnisverläufen nach den Vorgaben der „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK)“ und in der Radiologie nach den Vorgaben der „Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik“. In anderen Bereichen wird die Prozessqualität meist anhand von Vorgabedokumenten in Form von Checklisten nachvollziehbar gemacht. Auch Wartezeiten von Patienten vor und während der Diagnostik, Häufigkeiten von Untersuchungsverfahren oder die Verfügbarkeit von erforderlichen Akten und Daten wirken sich auf die Prozessqualität aus und können mittels Kennzahlen gemessen werden.
Ergebnisqualität
Die oft als wichtigste Dimension beschriebene Ergebnisqualität ist die Grundlage für die Evaluation der erbrachten Leistungen in einer Einrichtung. Sie kann sowohl anhand objektiver Veränderungen (zum Beispiel Fehler- und Wiederholungsraten, Zu- oder Abnahme der Einsendungen beziehungsweise Zuweisungen) als auch anhand subjektiver Kriterien (zum Beispiel Patienten-, Mitarbeiter- und Einsenderzufriedenheit) gemessen werden. Donabedian legte in seinem Denkmodell die Beeinflussung der drei Qualitätsdimensionen untereinander zugrunde. Die vorhandenen Strukturen und Ressourcen beeinflussen die Prozesse, die wiederum die gemessene Ergebnisqualität mitbestimmen (Donabedian, 1966). Die zentrale Aufgabe eines modernen Qualitätsmanagementsystems ist es daher, die Einflussfaktoren durch ihr Zusammenspiel in Richtung optimaler Qualität zu lenken. Um die Ergebnisqualität überprüfen zu können, muss ein aus der Unternehmens- beziehungsweise Qualitätspolitik abgeleitetes Ziel definiert sein (in der Regel die Patientenzufriedenheit), um zu wissen, woran der Erfolg gemessen werden soll. Für den Erfolg in Form höchster Patientenzufriedenheit müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Organisation daran mitwirken, die vorhandenen Ressourcen durch optimale Prozessgestaltung zu einer zielbezogenen Wertschöpfung auszurichten. Qualitätsmanagement geht somit jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter etwas an!
© Eigene Darstellung in Anlehnung an das Denkmodell nach Donabedian
Qualitätsmanagement ist keine zusätzliche Last für eine Einrichtung des Gesundheitswesens, sondern ein fundamentaler Bestandteil bei der Erreichung eines nachhaltigen Unternehmenserfolgs, und Schulungsmaßnahmen zum Qualitätsmanagement sind „Investitionen in die Zukunft“! (Sens und Gernreich, 2002).
Jürgen Hirschfeld, MBA,
Labormanagement,
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Entnommen aus MTA Dialog 9/2020
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