Der Schwarze Tod reiste durch Europa

Die Pest
Nico Janz
Der Schwarze Tod reiste durch Europa
Infizierter Floh © Quelle: CDC/Dr. Pratt, gemeinfrei
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Kaum eine Seuche in der Geschichte der Menschheit hat annähernd so viel Schrecken und Grauen verbreitet wie die Pest. Religiöse und weltliche Ordnungen brachen zusammen, während diese Geißel mehr Elend als die damaligen Kriege hinterließ.

Ganze Völkerstämme wurden auf ein Drittel reduziert oder gar ausgerottet. In Mittel- und Nordeuropa forderte die Pest in nur fünf Jahren circa 25 Millionen Todesopfer, welche ein Drittel der Bevölkerung ausmachten. In Lübeck zum Beispiel überlebten nur zehn Prozent der Einwohner und nachdem die Pest Grönland erreichte und dort wütete, war die Insel unbewohnt.

Die Krankheit, die meist nur der Tod heilen konnte, führte zu Angst und Betroffenheit in der Bevölkerung, worauf das Pflichtgefühl und die Nächstenliebe wie die Menschen starben. Eltern verstießen ihre Kinder, Geistliche verschmähten ihre Gemeinde und Hunde fraßen die Toten auf der Straße, da oftmals niemand mehr überlebte, um die Verstorbenen zu begraben. Die Justinianische Pest von 541 bis 544 gilt als erste große Pestepidemie. Sie breitete sich von Ägypten nach Europa aus und war wahrscheinlich für den Zusammenbruch des Römischen Reiches mitverantwortlich. Der „Schwarze Tod“, die zweite große Pestepidemie, breitete sich Mitte des 14. Jahrhunderts von Asien nach Europa aus. Schwarz bezieht sich einerseits auf den Schrecken und das Elend dieser Seuche, andererseits auf den schwarzen Körper der Opfer. Im Jahr 1347 hatte es angefangen, doch schon 1352 war es vorbei. In diesen fünf Jahren wurde der Menschheit das Grauen gelehrt. Wo dieser Schrecken seinen Anfang genommen haben mag, ist nicht genau bekannt. Wahrscheinlich begann diese verheerende Epidemie in den Steppen Zentralasiens und konnte sich entlang der Karawanenrouten bis zur Krim am Schwarzen Meer nach Kaffa (heute Theodosia) ausbreiten.

Eine Gruppe genuesischer Händler wurde seinerzeit von Tataren belagert. Die Angreifer erkrankten an der Pest und mussten sich zurückziehen. Einige der zurückgelassenen Leichen wurden mit Katapulten über die Mauern der belagerten Stadt geworfen und infizierten die Genueser. Ein Teil der Händler starb, wenige entkamen und segelten in die Heimat. Im Herbst 1347 erreichten die letzten Überlebenden schwer erkrankt Messina auf Sizilien. An Bord begleitete sie der „Schwarze Tod“, der nun Europa erreichte. Über die Toskana zog die Pest durch ganz Italien und erreichte später Spanien, Frankreich und England. Der Schwarze Tod gilt als eine der schwersten Krisen Europas. Nachhaltig beeinflusste sie allerdings das soziale Gefüge, die Herrschaftsverhältnisse und die politischen Strukturen der damaligen Zeit und gilt als ein Wegbereiter der Renaissance und des Humanismus.

Doktor Schnabel | © I. Columbina (draughtsman), Paul Fürst (copper engraver), Bild von History of Medicine, Public Domain, Wikimedia

Der Alltag der Menschen wurde von Hysterie, Ratlosigkeit und Panik bestimmt. Die Unkenntnis einer vernünftigen Seuchenbekämpfung führte zu der Annahme, es sei eine Strafe Gottes, die dieses Elend verbreitet. Gleichzeitig suchte man nach einem Schuldigen. Wie so oft in der Geschichte gab man den Juden die Schuld, das Christentum zu verderben. Jene „Ungläubige“, die am Tod von Jesus Christus beteiligt waren, wurden zum Sündenbock. So kam es zu mehrfachen Judenpogromen. Manche Menschen wandten sich aufgrund des anstehenden Todes dem Hedonismus zu, andere suchten Trost in nicht etablierten Religionen, wie den Flagellanten oder Geißlerzügen.

Ärzte versuchten sich bis ins 19. Jahrhundert durch Mäntel, Handschuhe oder Masken (Pestmaske) zu schützen. Um die Verbreitung der Seuche durch die Seefahrt über die Hafenstädte zu mindern, wurden Schiffe vor dem Einlaufen unter Quarantäne gestellt. Diese wurde erstmals 1374 in Venedig verhängt und auf 40 Tage festgelegt (ital. quaranti di giorni „40 Tage“). Die Pest zog vom 14. bis zum 18. Jahrhundert immer wieder von Osten nach Westen und erreichte auch Asien und Amerika. Die dritte große Pestepidemie brach in den 1860er Jahren in China aus. Die Erforschung der Seuche leitete William Griesinger (1817–1868) ein, der 1850 erstmalig ein klares, vollständiges Krankheitsbild definierte und die Lungen- von der Beulenpest unterschied. Der japanische Bakteriologe Kitasato Shibasaburó (1853–1931) und der Schweizer Tropenmediziner Alexandre Yersin (1863–1943), beide waren Mitarbeiter von Robert Koch (1843–1910), forschten zeitgleich 1894 in Hongkong nach dem Bakterium der dort ausgebrochenen Pestepidemie. Doch der von Kitasato entdeckte Keim war ein Irrtum. Möglicherweise waren seine Bakterienkulturen mit Pneumokokken verunreinigt. Yersin entdeckte ein unbewegliches, kurzes, plumpes, ovoides, geißelloses Stäbchenbakterium, den Pesterreger, der heute „Yersinia Pestis“ genannt wird.

Pesthaube aus dem 17. Jahrhundert | © Anagoria, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Yersinia pestis, Fluoreszenzbild | © CDC, gemeinfrei

Aber wie verläuft eigentlich der Infektionsweg der Pest? Zwar sind schon Yersin die vielen toten Ratten aufgefallen, die mit einer Pestepidemie einhergehen, doch fanden die Wissenschaftler Masanori Ogata in Taiwan (1833–1919), Paul-Louis Simond (1858–1947) in Bombay im pestgeplagten Indien und Charles Rothschild (1877–1923) im Sudan das letzte Puzzleteil: Die Pest wird durch Flöhe von Ratten und schließlich auf den Menschen übertragen.

Das eigentliche Erregerreservoir sind wild lebende Nagetiere, unter anderem Murmeltiere oder Erdhörnchen, vor allem aber Ratten, wie die Hausratte „Rattus rattus“, von denen die Pestbakterien durch Rattenflöhe übertragen werden können. Massenhaftes Sterben von Ratten gilt als Vorbote der Pest. Der Rattenfloh befällt große Mengen von Ratten, diese sterben und der Rattenfloh sucht sich eine neue Blutquelle. Da vor nicht allzu langer Zeit Ratten in zahlreichen Haushalten zu finden waren, sprangen die bluthungrigen Flöhe auf den Menschen über. Die Pest ist eine schwere Infektionskrankheit, die in der Form der Beulenpest beziehungsweise Bubonenpest (lat. bubo = Beule) oder als Lungenpest auftritt.

„Diese Ratten, diese verfluchten Ratten …“

Zitat aus dem Roman „Die Pest“ von Albert Camus (1913–1960)

Während die Lungenpest unbehandelt praktisch immer tödlich verläuft, gibt es bei der Beulenpest eine 50-prozentige Heilungschance. Erste Anzeichen sind geschwollene Beulen in der Nähe der Flohstiche. Dabei wird das Bakterium unter anderem auch durch den Kontakt mit erregerhaltigem Material auf andere Menschen übertragen. Aus der Beulenpest kann sich dann eine höchst infektiöse Lungenpest entwickeln. Der Erreger breitet sich entweder über die Blutbahn zur Lunge aus oder wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Grundsätzlich sind alle Sekrete Erkrankter wie Eiter, Blut oder Schleim hoch infektiös. Die Inkubationszeit beträgt bei der Beulenpest zwei bis sechs Tage, während die Lungenpest nach ein bis zwei Tagen ausbrechen kann. Die Krankheit geht mit hohem Fieber und Schüttelfrost einher, außerdem zeigen sich neben einem schweren Krankheitsgefühl extreme Symptome wie starker Husten, blutiger Auswurf, Atemnot und schmerzhafte Lymphknotenschwellungen. Bereits der Verdachtsfall begründet den sofortigen Beginn einer Therapie. Nachgewiesen wird die Krankheit durch die Diagnose des Erregers in den Körperflüssigkeiten der Patienten, mittlerweile ist ein Schnelltest, mit dem sich Antikörper nachweisen lassen können, etabliert.

Anfang des 18. Jahrhunderts verschwand die Pest aus Westeuropa, wobei die Gründe dieses Phänomens immer noch Rätsel aufgeben. Waren die Städte sauberer geworden, wurden die Ratten resistenter gegenüber der Pest, gab es klimatische Veränderungen oder wurde die Hausratte durch die Wanderratte Rattus norwegicus verdrängt? Ganz verschwunden ist die Krankheit weltweit nie. Es gibt heute zwar einen Lebendimpfstoff, der 1934 eingeführt wurde, und ebenfalls sehr spezifische Antibiotika, doch kommt die Pest weiterhin in Ländern Afrikas, Asiens und auch auf dem amerikanischen Kontinent vor. Mit Hilfe der PCR versuchen heutzutage Paläogenetiker und Evolutionsbiologen, an Pestskeletten den Übeltätern von einst auf die Spur zu kommen.

Literatur

1.    Infektionskrankheiten, Virchow’s Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie Erlangen 1857.

2.    Daniel Defoe: Die Pest zu London, 1722.

3.    Albert Camus: Die Pest, 1947.

4.    Klaus Bergdolt: Die Pest, 2011.

5.    Die Pest, GEO Epoche Nr. 75/2015.

Entnommen aus MTA Dialog 1/2017

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