Der lange Weg der Digitalisierung

Jahrestagung: „Pathologie der nächsten Generation“
Michael Reiter
Foto von Prof. Dr. med. Carolin Mogler, TU München
Prof. Dr. med. Carolin Mogler, TU München © M.Reiter
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Während sich in der Radiologie Digitalisierung und KI-­Anwendungen rasant durchsetzen, ringt die Pathologie mit Hindernissen.

 Analoges Ausgangsmaterial und hohe Investitionen stellen Hürden dar. Wo der Weg hingeht, zeigte die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP) Ende Mai.

„Die Digitalisierung bereitet die Grundlagen für die Zukunft der Pathologie“, betonte Prof. Dr. med. Carolin Mogler, Leiterin des Instituts für Pathologie an der TU München und stellvertretende Tagungspräsidentin. Digitalisierung lege das Fundament für künst­liche Intelligenz (KI) und sei Wegbereiter für die „Next-Generation Pathology“ – getreu dem Motto der Veranstaltung.

Hin zur computergestützten Pathologie

„Die digitale Pathologie setzt eine digitale Infrastruktur voraus“, stellte Prof. Dr. Peter Schüffler fest. Er leitet den Bereich Computational Pathology am Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie der TU München. Parallel zur Tagung zeigte die TU hier die Volldigitalisierung. Bevor KI in einem Pathologielabor beim Erstellen eines Befundes aus einer Gewebeprobe unterstützen kann, ist viel Technik vonnöten: Hardware wie Scanner und spezielle Arbeitsplätze, Software und Schnittstellen, ein starkes Netzwerk für den Transport von Volumendaten sowie ein enormer Datenspeicher zählen zu den Voraussetzungen. „Für eine große Pathologie mit einer hohen Durchsatzzahl sprechen wir von siebenstelligen Investitionskosten“, sagte Schüffler vor diesem Hintergrund. Der Bioinformatiker hat in den letzten zwei Jahren am Institut eine neue Welt erschaffen – eine volldigitalisierte Pathologie. „Eine der großen Herausforderungen stellt bei einem solchen Projekt das Changemanagement dar.“

Die Nutzenpotenziale

Digitalisierung und KI haben eigene Potenziale, erklärte Schüffler. Die Digitalisierung ermögliche das ortsunabhängige Befunden sowie ­flexible Arbeitsmodelle beziehungsweise eine Workflow-Anpassung in Krisenzeiten wie der Pandemie. Mit KI lasse sich ein Mehr an ­Effizienz in der Befundung sowie eine Qualitätskontrolle erreichen. Hürden sieht der Bioinformatiker neben dem Changemanagement auch in finanzieller Hinsicht sowie in der Integration in die vorhandenen Systeme. „Die neuen Workflows bedeuten eine große Umstellung für Ärzte und Ärztinnen sowie Labore – nach dem Färben müssen die Slides digitalisiert werden.“

Im Kontext der KI befinden wir uns laut Schüffler in einer spannenden Zeit, in der viele Modelle an vielen Slides trainiert werden. Es zeige sich, dass KI Muster erkennen kann, die wir mit dem Auge nicht sehen – was zu einer verbesserten Patientenversorgung führen könne.

 

Aus der Perspektive der Pathologin

Die TU München sei bei der Entwicklung vorn. Der komplette neue Workflow sei mit dem Labor abgestimmt, freute sich Dr. med. Christine Bollwein. „Wir sind daher so weit, dass wir wirklich die Digitalisierung in der Routine umgesetzt haben.“ Noch am selben Tag ließen sich somit heutzutage alle Fälle befunden – klassisch wie digital, fügte die Fachärztin für Pathologie an der TU München hinzu.

Bollwein bietet ein gutes Beispiel für die Vorteile: Sie arbeitet zum Teil „remote“ von zu Hause, was durch die Digitalisierung möglich wurde. Im Zuge der Etablierung der digitalen Pathologie werde man sich auch über Fälle schneller austauschen können, die bislang noch verschickt werden müssen – so die Vorhersage der Ärztin über weitere Vorzüge. Wenn es bei der Zusammenarbeit mit MT mal Unklarheiten gebe, ließen sich diese auch telefonisch klären.

KI könne Pathologen entlasten, erläuterte die Ärztin – etwa durch vorgescannte Schnitte und die Markierung auffälliger Areale. Sie begrüßte Algorithmen, die bei der Quantifizierung helfen. Auf diesem Gebiet gebe es ein enormes Forschungspotenzial.

Wer zahlt für die Digitalisierung? Auch Bollwein bedauert, dass die digitale Pathologie bisher nicht durch Gebührenordnungen abgedeckt sei. Institute hätten daher in Vorleistung zu gehen.

Sterben Pathologen aus?

Unkenrufe bringen die langjährige Zukunftsdiskussion unter den Radiologen in Erinnerung. Sie sterben nicht aus, versicherte Bollwein. Vielmehr biete KI zum einen die Chance, akuten Personalmangel abzufangen durch die erleichterte Kontaktaufnahme mit Pathologen an anderen Orten. Zum anderen könnten Technologien helfen, das angestaubte Image des Faches aufzubessern und seine Attraktivität für den Nachwuchs zu erhöhen.

Auswirkungen auf MT

Wie ändert sich der Alltag für MT durch die Digitalisierung? Anfangs ging vieles durch die Umstellung drunter und drüber, erinnerte sich Viola Iwuajoku. Die MT für Digitale Pathologie an der TU München stammt aus Nigeria, wo sie als Medizinerin gearbeitet hatte. „Inzwischen haben wir MT uns daran gewöhnt.“ Zu den Vorteilen zähle, dass etwa in der Histologie eine Befundung ohne Mikroskopieeinsatz möglich sei.

„Es bedeutet Mehrarbeit, alles digitalisiert bereitzustellen. Aber der Aufwand lohnt sich durch die erleichterte Bearbeitung in der Folge“, unterstrich Iwuajoku. MT sollten vor KI keine Angst haben; sie würden ihren Job hierdurch nicht verlieren. „Man braucht Menschen, die mit der Technologie arbeiten. Ich freue mich darüber! Wir sollten uns umgewöhnen für eine bessere Zukunft für alle.“

 

Digitalisierung und KI als Verpflichtung

Warum sollten, warum müssen sich Mitarbeitende in der Pathologie mit Digitalisierung und KI auseinandersetzen? „Weil es ihnen in ihrer Arbeit hilft – die Prozesse werden schneller und besser“, erklärte Prof. Dr. Thomas Fuchs von der Icahn School of Medicine, Mount Sinai. Er ist ferner Co-Director des Hasso Plattner Institute for Digital Health in New York und Mitgründer von PAIGE AI. „KI macht unser Leben in der Pathologie reicher – wir sehen mehr als vorher, etwa genetische Mutationen und den Vergleich von Morphologie mit dem Über­leben.“ Vor allem jedoch sage der hippokratische Eid aus: „Wenn es Werkzeuge gibt, die das Leben der Patientinnen und Patienten ver­bessern, so müssen wir sie einsetzen.“

Richtige Diagnose und richtige Behandlung: Mitarbeitende in der Pathologie hätten diese Verpflichtung, dies so schnell und sicher wie möglich zu realisieren. „KI verspricht einen enormen Fortschritt für Mitarbeitende und Patienten.“ Die Personalisierung der Medizin ist hier eines der wichtigen Versprechen. So lange eine Refinanzierung aussteht, wird die Umsetzung in der Breite allerdings noch auf sich warten lassen.

Ein Video zur Jahrestagung finden Sie unter: tinyurl.com/y46h6ehc

 

Entnommen aus MT im Dialog 7/2024

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