Das Usutu-Virus schlägt wieder zu

Erneutes Vogelsterben zu beobachten
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Toter Vogel
© blende11.photo/stock.adobe.com
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Nach dem schweren Vogelsterben 2018 scheint es aktuell abermals zu einem massiven Amselsterben durch das Usutu-Virus zu kommen. BNITM und NABU bitten nun um Unterstützung beim Monitoring des neuerlichen Ausbruchs.

Das Usutu-Virus (USUV) stammt aus der Familie der Flaviviren. Es wird, wie z.B. auch das West-Nil-Virus (das auch für den Menschen gefährlich werden kann) von Stechmücken (u. a. Gemeine Hausmücke, Culex pipiens) zwischen Vögeln übertragen, die als Hauptwirt fungieren.

Ursprünglich stammt das Virus aus Afrika. Es wird vermutet, dass Zugvögel das Virus vor langer Zeit nach Europa eingeschleppt haben. Spätestens seit Mitte der neunziger Jahre sorgt das Virus für kleinere, wiederkehrende Ausbrüche unter Vögeln in Europa, die oft mit einem Amselsterben einhergehen. Aktuell kommt es in Deutschland offenbar erneut zu einem massiven Amselsterben durch das Usutu-Virus. Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) berichtet davon, dass täglich Dutzende Päckchen mit verendeten Vögeln am Institut eintreffen. Auch der Naturschutzbund NABU betont, dass deutlich mehr kranke oder verendete Vögel gemeldet würden als sonst um diese Jahreszeit. Die Expertinnen und Experten führen dies auf eine verstärkte Zirkulation des durch Stechmücken übertragenen Usutu-Virus zurück.

Bereits rund 200 Einsendungen

Rund 200 Einsendungen verendeter Amseln, Drosseln, Falken und weiterer Vogelarten: Das ist die vorläufige Bilanz am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) für das laufende Jahr. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr waren es „nur“ 100 Päckchen, die Bürgerinnen und Bürger dem Institut zur Untersuchung geschickt oder persönlich vorbeigebracht hatten. Auch der Naturschutzbund NABU verzeichnet deutlich erhöhte Klickzahlen auf seiner Internetseite zum Thema Amseln und Usutu-Virus: Die Zahl der täglichen Aufrufe, in der Regel via Suchmaschinen, habe sich in den letzten drei Wochen mehr als verdoppelt. Gegenüber dem Vorjahr werde das Thema sogar drei- bis viermal stärker nachgefragt. Über seine Meldeseite wurden dem NABU in den zurückliegenden sechs Monaten mehr als doppelt so viele kranke oder tote Vögel gemeldet als im Vergleichszeitraum 2023. 2024 liefen bislang 1.536 Meldungen mit 1.806 toten / 1.060 krank gemeldeten Amseln und anderen Vögeln auf (Stand 14.08.24).

Schwerpunkt Niedersachsen?

Sowohl die Einsendungen als auch die Meldungen stammen aus dem gesamten Bundesgebiet. Besonderer Schwerpunkt scheint diesmal Niedersachsen zu sein, wo aktuell auch ein Schwerpunkt der ausgebrochenen Blauzungenkrankheit ist, die ebenfalls durch Mücken (Gnitzen) übertragen wird. Von dort kamen laut NABU in der ersten Jahreshälfte 6-mal mehr Meldungen als im Vergleichszeitraum für 2023. Als Ursache vermuten BNITM und NABU, dass das Usutu-Virus (USUV) derzeit noch stärker zirkuliert als sonst ohnehin während der Stechmückensaison zwischen Mai und September. Der warme und vor allem feuchte Sommer habe die starke Aktivität des Virus in Stechmücken begünstigt.

Noch keine West-Nil-Viren gefunden

Am BNITM werden die eingesandten Tierkadaver seziert und auf Usutu- bzw. West-Nil-Viren (WNV, ein weiterer Erreger, der Vogelsterben verursachen kann) getestet. Bisher haben sich 25 Prozent der bereits untersuchten Tiere als Usutu-Virus-positiv erwiesen. Beim großen Ausbruch von 2018 seien es jedoch sogar 40 Prozent gewesen. West-Nil-Viren habe das BNITM bei den bisher untersuchten Einsendungen dieses Jahres noch nicht nachweisen können. „Der Anstieg der USUV-positiven Fälle in diesem Jahr zeigt, wie wichtig es ist, die Ausbreitung des Virus zu beobachten, zu dokumentieren und wissenschaftlich auszuwerten“, sagt Dr. Renke Lühken, Leiter der BMBF-Nachwuchsgruppe Arbovirus-Ökologie und der Arbeitsgruppe Vektorbekämpfung am BNITM. „Dabei sind wir auf die Unterstützung durch die Bevölkerung angewiesen. Vielen Dank an alle, die sich die Mühe machen, uns verendete Tiere einzusenden und so einen Beitrag zur Forschung zu leisten.“

Populationsentwicklungen weiterer Arten beobachten

Auch Marco Sommerfeld, Referent für Vogelschutz beim NABU Hamburg, findet die aktuellen Zahlen der Einsendungen und Meldungen besorgniserregend. Ihm zufolge könnte sich das Amselsterben erneut verheerend auf den Vogelbestand auswirken: „2018 ist der Amselbestand beispielsweise in Hamburg um etwa 40 Prozent eingebrochen. Seitdem hat er sich noch nicht wieder erholt. Bei so einer häufigen Art ist das erschreckend.“ Er habe zudem den Eindruck, dass damals auch andere Vögel wie Sing- und Misteldrosseln betroffen waren. Es sei daher wichtig, auch die Populationsentwicklungen weiterer Arten zu beobachten. Das Usutu-Virus wird durch heimische Stechmückenarten übertragen. Es wurde 2011 erstmals in Amseln nachgewiesen. Seit 2018 zirkuliert es deutschlandweit. Im selben Jahr wurde erstmals das West-Nil-Virus in Zoo- und Wildvögeln nachgewiesen. USUV-erkrankte Vögel wirken meist apathisch, flüchten nicht mehr und sind entweder leichte Beute für Räuber oder sterben innerhalb weniger Tage.

Auch der Mensch kann sich infizieren

Auch Säugetiere können sich durch Stechmücken sowohl mit dem Usutu-Virus als auch mit dem West-Nil-Virus infizieren. Bei Menschen verlaufen die meisten Infektionen ohne oder mit nur leichten Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und im Fall von USUV mit Hautausschlägen (Usutu-Fieber). Nur selten komme es zu Komplikationen wie Gehirn(haut)entzündungen, so das BNITM. Um die tatsächliche Ausbreitung der Viren dokumentieren zu können, sei es wichtig, möglichst viele Verdachtsfälle im Labor bestätigen zu können. Entsprechende Untersuchungen nehmen das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) sowie manche veterinärmedizinischen Untersuchungsämter vor.
Das BNITM ruft die Bevölkerung dazu auf, tote oder kranke Vögel zu melden und gegebenenfalls dem Institut zu senden. Weitere Informationen zu den Meldewegen finden Sie auf den Webseiten des BNITM und des NABU.

Adresse der Untersuchungsstelle für Usutu-Viren:
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit
Bernhard-Nocht-Straße 74
20359 Hamburg
Telefon: 040-285380-862

Quelle: idw/BNITM

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