Von außen betrachtet sind die Symptome klar: Menschen, die an einem endogenen Cushing-Syndrom erkrankt sind, fallen durch ihr bauchbetontes Übergewicht auf, ihr Gesicht ist rund, der Nacken kräftig. Klar sind auch die medizinischen Parameter, die mit dieser Krankheit einhergehen: Bluthochdruck, eine Muskelschwäche, Diabetes und eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte sind die klassischen Begleiterscheinungen.
Molekulare Ursachen
Weniger klar waren bislang die molekularen Ursachen des endogenen Cushing-Syndroms. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität und des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist es bereits vor einigen Jahren gelungen, eine Mutation zu identifizieren, die sich als wesentlich für die Krankheitsentwicklung erwiesen hat. Jetzt ist es gelungen, den genauen Wirkmechanismus noch etwas weiter aufzuklären. Federführend dabei waren Dr. Isabel Weigand, Professor Martin Fassnacht und Dr. Silviu Sbiera aus der Endokrinologie am UKW.
Gutartige Tumore der Nebenniere sind der Auslöser
„Eine Ursache für das endogene Cushing-Syndrom sind Cortisol-produzierende gutartige Tumore der Nebenniere“, erklärt Martin Fassnacht. Wie frühere Studien zeigen, sind in gut 35 bis 60 Prozent aller Fälle genetische Veränderungen in den Tumorzellen der verantwortliche Faktor. Sie sorgen für Veränderungen in einem bestimmten Signalweg, dem Protein-Kinase-A-Signalweg – konkret in der katalytischen Untereinheit Cα.
Was bisher nicht bekannt war: „Diese Mutation beeinflusst den Signalweg auf weiteren, zusätzlichen Ebenen“, erklärt Dr. Silviu Sbiera. Und Dr. Isabel Weigand, Erstautorin der Studie ergänzt: „Unbekannt war auch die Tatsache, dass eine der vier regulatorischen Untereinheiten der Protein-Kinase-A die Cortisolsekretion in diesen Tumoren hemmen kann“.
Eine Genmutation steht am Anfang
Wie das Team aus der Endokrinologie zeigen konnte, setzen die Mutationen in den Tumorzellen einen verhängnisvollen Prozess in Gang: Die Zellen exprimieren verstärkt eine Protease, die sogenannte Caspase16. Diese Protease wiederum erkennt an ihrem „Kann weg“-Vermerk die regulatorische Untereinheit, die die Cortisolsekretion im Normalfall hemmt. In der Folge wird diese RIIβ genannte Untereinheit von der Zelle verstärkt abgebaut. Eine wesentliche Bremse der Cortisolsekretion fällt damit aus.
Neue Therapien gegen das Cushing-Syndrom?
„Wir konnten zeigen, dass RIIβ einen hemmenden Effekt auf die Cortisolsekretion in Nebennierenzellen hat und dass die Caspase16, welche bislang lediglich als Pseudogen beschrieben war, für den Abbau der RIIβ verantwortlich ist“, fasst Silviu Sbiera die wesentlichen Ergebnisse der Studie zusammen. Als Pseudogene bezeichnet die Wissenschaft Gene, von denen nicht bekannt ist, welche Proteinprodukte sie kodieren. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse legen somit den Schluss nahe, dass Caspase16 fälschlicherweise als Pseudogen klassifiziert wurde.
Die neuen Erkenntnisse können nach Ansicht der Wissenschaftler dazu beitragen, neue Therapien gegen das Cushing-Syndrom zu entwickeln. Ziel ist es, den Abbau der regulatorischen Untereinheit IIβ zu verhindern. Darüber hinaus schlagen sie vor, das verantwortliche Gen weiter zu erforschen und das von ihm kodierte, bislang relativ unbekannte Protein besser zu charakterisieren.
Isabel Weigand, Cristina L. Ronchi, Jens T. Vanselow, et al.: PKA Cα subunit mutation triggers caspase-dependent RIIβ subunit degradation via Ser114 phosphorylation. Science Advances, DOI: 10.1126/sciadv.abd4176.
Quelle: idw/Julius-Maximilians-Universität Würzburg
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