COVID-19: Aussagekraft von Schnelltests

Unstatistik des Monats
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Statsitik zu den Corona-Schnelltests © aneriksson - stock.adobe.com
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Die „Unstatistik des Monats“ von Gerd Gigerenzer, Walter Krämer, Katharina Schüller und Thomas K. Bauer zeigt, wie die aktuelle Inzidenz Ergebnisse und Aussage von Schnelltests verändert. Sie kann helfen, rationale Entscheidungen zu treffen, gerade bei den von manchen Politikern geforderten Massen-Schnelltests.

Was wäre die Corona-Pandemie ohne Statistik. Die Pandemie hat sie als Wissenschaft ins Rampenlicht geholt. So sollen unzählige Analysen, Kurven und Kennziffern dabei helfen, die Pandemie zu erklären und politische Maßnahmen zu begründen. Das gelingt nicht immer gut. Denn viele dieser Analysen vermitteln den Eindruck, man wisse genau, wo wir gerade in der Pandemie stehen und wie sie sich entwickelt. Aber unser Wissen hat in weiten Teilen bestenfalls den Charakter von Leitplanken – es grenze ab, wo unser Nicht-Wissen beginnt, sei aber keinesfalls so präzise, wie es die exakt verlaufenden Kurven glauben lassen, so die Autoren der Unstatistik des Monats Dezember.

RKI-Infografik vergleicht Schnelltest-Varianten anschaulich

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte am 10. Dezember eine Infografik veröffentlicht, die dabei helfen sollte, die Testergebnisse von Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 zu verstehen. Sie vergleicht dabei zwei unterschiedliche Szenarien: Einerseits das gezielte Testen von symptomatischen Personen, andererseits die Durchführung von Massentests – also ungezielte Tests von Personen, die weder Symptome haben noch Kontakte zu infizierten Personen hatten.

Die Ergebnisse sind in Form von Bäumen mit natürlichen Häufigkeiten dargestellt: Anhand von jeweils 10.000 Personen, unter denen 1.000 (bei gezielten Tests) oder 5 (bei Massentests) tatsächlich infiziert sind, wird verdeutlicht, wie viele Menschen von den Antigen-Tests fälschlicherweise als infiziert oder nicht infiziert erkannt werden. Durch einfaches Auszählen und Bezugsetzen der jeweiligen Personen in den vier Gruppen (richtig positiv oder negativ; falsch positiv oder negativ) kann der Leser mit Hilfe der Grundrechenarten zwei wichtige Wahrscheinlichkeiten ermitteln:

  • Wie hoch ist mein Risiko, infiziert zu sein, obwohl der Test negativ ist?
  • Wie hoch ist mein Risiko, infiziert zu sein, wenn der Test positiv ist?

Massen-Schnelltests liefern deutlich mehr falsch positive Ergebnisse

In den beispielhaft dargestellten Szenarien werde sofort klar, dass Massen-Schnelltests zwar relativ zuverlässig Infizierte erkennen können; das Risiko, infiziert zu sein, obwohl der Test negativ ist, liege bei lediglich 0,01%. Beim gezielten Testen steige es etwas an – dort betrage es 2,2%. Dieser absolut kleine Anstieg des Risikos einer Fehldiagnose infizierter Personen um 2,19 Prozentpunkte bringe aber eine erhebliche Reduktion des Risikos einer Fehldiagnose nicht infizierter Personen mit sich. Beim Massentest betrage das Risiko, dass ein positiver Corona-Schnelltest falsch ist, also in Wirklichkeit keine Infektion vorliegt, ganze 98%. Fast alle, nämlich 98 von 100 Getesteten, die ein Massen-Schnelltest als infiziert diagnostiziert, seien also gesund! Gezieltes Testen reduziere dieses Risiko erheblich. Es sinke in diesem Fall um 79,6 Prozentpunkte auf 18,4%. Immerhin vier von fünf positiv Getesteten seien demnach in diesem Szenario tatsächlich infiziert, so die Autoren.

Als Botschaft lasse sich deshalb aus diesem Szenario ableiten, dass man sich nur testen lassen solle, wenn ein konkreter Verdacht vorliege beziehungsweise typische Symptome auftreten.

Ist die Situation wirklich so eindeutig?

Ein Anteil von lediglich fünf tatsächlich Infizierten unter 10.000 Getesteten sei mit Blick auf die derzeitige Inzidenz kaum wahrscheinlich. Unter Annahme einer Dunkelziffer von etwa Faktor fünf, die RKI-Präsident Lothar H. Wieler im November kommuniziert hat, wäre eine Prävalenz von 1%, also ein Anteil von 100 Infizierten unter 10.000 Massengetesteten, weitaus realistischer.

Auf das Risiko, infiziert zu sein, wenn der Test negativ ist, habe diese veränderte Annahme kaum Einfluss. Es liege in diesem Szenario bei 0,2%, also absolut 2,0 Prozentpunkte unter dem Risiko einer negativen Fehldiagnose infizierter Personen. Umgekehrt seien die Auswirkungen jedoch erheblich. Das Risiko, dass ein positiver Corona-Schnelltest falsch ist, liege jetzt nur noch bei 71,2%. Unter 100 als infiziert Diagnostizierten seien es dann immerhin 29 tatsächlich, 71 sind es nicht.

Missverständliche Darstellung von relativen Häufigkeiten

Schon in früheren Unstatistiken haben die Wissenschaftler regelmäßig darauf hingewiesen, wie missverständlich die Darstellung von relativen Häufigkeiten bzw. relativen Risiken sein kann. Selbst viele Mediziner und andere Gesundheitsberufe können Testergebnisse nicht richtig einordnen, wenn sie Informationen über Sensitivität, Spezifität und Prävalenz in Form relativer Häufigkeiten beziehungsweise Wahrscheinlichkeiten erhalten. Das liege daran, dass das Rechnen mit bedingten Wahrscheinlichkeiten sehr abstrakt sei. Natürliche Häufigkeiten erleichterten es nicht nur Ärzten, die korrekten Wahrscheinlichkeiten einer Erkrankung aus Testergebnissen abzuleiten. Sie könnten jedem Menschen helfen, der vor der Frage stehe, sich ohne konkrete Verdachtsmomente vorsichtshalber testen zu lassen, eine rationale Entscheidung zu fällen und sich verantwortungs- und risikobewusst zu verhalten: Ein positives Testergebnis erfordere es, sich in Quarantäne zu begeben, weil der mögliche Schaden für andere hoch sei.

Vorsorglich testen lassen?

Vor den Weihnachtsfeiertagen stelle sich die Frage: Solle man sich vorsorglich testen lassen, wenn man keine Symptome hat – oder lieber nicht, weil die Testergebnisse nicht „sicher“ sind? Der Test verringere in jedem Fall die Unsicherheit, mit der die Frage „bin ich infiziert“ beantwortet werden kann. Dies gilt – wie oben beschrieben – vor allem für Menschen mit einem negativen Testergebnis.

Für die Entscheidungsfindung, ob man Weihnachten vorsichtshalber alleine feiert oder im Rahmen der Kontaktbeschränkungen Familie und Freunde trifft, könne ein Test deshalb durchaus ein weiterer Mosaikstein sein. Aber er könne einem nicht die Verantwortung für das eigene Verhalten abnehmen. Zumal eine Infektion auch noch nach einem negativen Test auftreten könne, wenn die Ansteckung erst wenige Tage zurückliege, betonen die Wissenschaftler.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.

Quelle: idw/RWI

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