Simulationen von Forscherinnen und Forschern des Forschungszentrums Jülich und des Frankfurt Institute for Advanced Studies zeigen, dass ein Verlängern oder Verstärken der derzeit wirkenden Kontaktbeschränkungen (durch Beibehaltung von aktuellen Maßnahmen, Einführen alternativer Regelungen oder auch durch individuelle Einschränkungen) mittelfristig dazu führen würde, dass die Corona-Neuinfektionen zurückgehen. Blieben die Kontaktraten dauerhaft deutlich unter dem Niveau des Spätsommers, so könnte eine dritte Welle unterdrückt werden. Würden dagegen alle Maßnahmen (inklusive der lokal im Oktober eingeführten) Ende November oder im Dezember aufgehoben, so dürfte die Zahl der täglich gemeldeten Fälle nach etwa zwei Wochen wieder zunehmen. Eine dritte Welle drohte.
Mögliche vermehrte Kontakte zu Weihnachten und Silvester könnten als neue Quellen zusätzlich zur Ausbreitung des Virus beitragen. Die Ausweitung der Kontakte durch Besuche von Familien und Bekannten, womöglich über das ganze Land hinweg, könnten zu einer verstärkten geografischen Verteilung der Infektion führen. Damit wären auch Regionen mit niedriger Inzidenz wieder verstärkt exponiert, was dann auch insgesamt zu einem stärkeren Anstieg der Neuinfektionen führen würde.
Reduzierung der "relevanten Kontakte"
Ein ähnliches Phänomen wie der „Weihnachtseffekt“ ließ sich im Laufe des Jahres schon zweimal beobachten: Der Anteil der Rückkehrer aus dem Ausland erreichte unter den Neuinfizierten zur Zeit der Winter- und Sommerferien Spitzenwerte und machte bis zu etwa 50 Prozent aller Infektionen aus – wenn also viele Leute unterwegs waren und die Fallzahlen in Deutschland relativ niedrig waren (ob oder in welchem Ausmaß das verstärkte Testen von Reiserückkehrern diese Daten verzerrt, bleibt dabei offen). Über Weihnachten und Silvester könnte Ähnliches passieren, wenn Besuche innerhalb Deutschlands die Infektion bundesweit verteilen, selbst wenn Reisen in stärker betroffene Gebiete im Ausland gar nicht stattfinden.
Allgemeine Kontaktbeschränkungen sind vermutlich der einfachste Weg, um auch die „relevanten Kontakte“, nämlich solche zwischen ansteckenden und nicht infizierten, nicht immunen Personen zu reduzieren, so die Wissenschaftler. Denn wegen der unterschiedlichen Verläufe der Infektion sei es in der Regel schwierig bis unmöglich, den eigenen Zustand (infektiös/nicht immun) zu erkennen. Dadurch sei es die sicherste Variante, so viele Kontakte wie möglich zu reduzieren, damit auch die relevanten Kontakte unterbunden werden. Sollten durch den Einsatz von Schnelltests und geeigneter, zielgenauer Quarantänemaßnahmen alternativ dazu eine ausreichende Zahl tatsächlich relevanter Kontakte vermieden werden können, dann könnten die Fallzahlen aber beispielsweise auch unter Verzicht auf einige allgemeine Kontaktbeschränkungen gesenkt werden.
Germany's next shutdown -- possible scenarios and outcomes
Maria Vittoria Barbarossa, Jan Fuhrmann
To appear in influenza and other respiratory viruses, authorea.com/doi/full/10.22541/au.160525265.51083038/v1 (Preprint)
Quelle: Forschungszentrum Jülich, 26.11.2020
Artikel teilen