Chemikalien im Eisbärblut

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Kanadische und US-amerikanische Wissenschaftler konnten jetzt mit einer neuen, empfindlicheren Messmethode zahllose chlorierte und fluorierte Substanzen in Eisbärenserum nachweisen, darunter viele bislang unbekannte polychlorierte Biphenyle.

Eisbären sitzen am oberen Ende der arktischen Nahrungskette. Was immer Fisch und andere Meeresbewohner aufnehmen, kann sich letztlich in Eisbären anreichern, die diese Tiere fressen. Zum ersten Mal wurden halogenierte Substanzen in den 1970er Jahren in Eisbären nachgewiesen. Seitdem verfolgt man die Entwicklung regelmäßig, denn diese menschengemachten Chemikalien und ihre Metabolite werden mit Störungen im Immunsystem oder dem Hormonhaushalt in Verbindung gebracht. Die aktuelle Studie mit Jonathan W. Martin von der University of Alberta in Edmonton (Kanada) als Hauptautor (inzwischen an der Universität Stockholm) gibt einen Überblick über die neu entdeckten halogenierten Substanzen und beleuchtet die zeitliche Entwicklung seit mehr als zwanzig Jahren.

Zwei Eisbärpopulationen wurden ausgewählt

Martin und seine Doktorandin Yanna Liu wählten zwei Eisbärpopulationen für diese Untersuchung aus, eine aus der Hudson Bay und die andere aus der Beaufortsee im Nordpolarmeer. Serum aus jeder Gruppe wurde vereinigt und durch chromatografische und massenspektrometrische Hochleistungstechniken analysiert. Vor der Analyse wurden im Serum vorhandenes Protein und Phospholipide abgetrennt, dann die Metaboliten in Plastikkapillaren extrahiert. Frühere Studien beruhten dagegen auf gaschromatografischen Analysetechniken, die mehr Reinigungsschritte unter harscheren Bedingungen erfordern, erläutern die Autoren.

Bisher unbekannte Metabolite entdeckt

Einen großen Anteil unter den entdeckten Substanzen machten die polychlorierten Biphenyle (PCBs) aus. Dass sich diese Verbindungen in Eisbären anreichern, weiß man seit den 1970er Jahren. Allerdings wurde deren Produktion weltweit in den 1980er Jahren verboten, nachdem man ihre gesundheitsschädigende Wirkung erkannt hatte. Wegen ihrer Langlebigkeit lassen sich diese Substanzen aber immer noch überall auf der Welt nachweisen. Laut der Arbeit, die in der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht wurde, ist die Konzentration dieser Metabolite im Serum, entgegen den Erwartungen, nicht zurückgegangen. Bei vielen langkettigen fluorierten Alkylsulfonsäuren wurde sogar ein steter Anstieg beobachtet. Außer den bereits bekannten PCB-Metaboliten entdeckten die Wissenschaftler auch bisher unbekannte Metabolite. Sämtliche neue Substanzen wiesen die Wissenschaftler auch im Mausmodell nach. Das bedeutet, dass auch andere Säugetiere diese Chemikalien aufnehmen und Metabolite bilden können.

Immer höhere PFSA-Konzentrationen

Daneben entdeckten die Wissenschaftler verschiedene perfluorierte Alkylsulfonsäuren (PFSAs), darunter perfluorierte Alkylethersulfate. Trotz gesundheitlicher Bedenken werden PFSAs zum Teil immer noch industriell genutzt. Besonders bei den langkettigen PFASs hat man negative Auswirkungen auf Reproduktion und Entwicklung festgestellt. Anhand von früheren Proben konnten die Wissenschaftler seit 1984 immer höhere PFSA-Konzentrationen im Eisbärenserum nachweisen. Besonders betroffen waren die Eisbären aus der Beaufortsee. Diese leben näher an den großen Industrieregionen Chinas, die nach wie vor PFSAs im großen Maßstab in die Umwelt freisetzen, wie immer wieder berichtet wurde.

Neubewertung der Gesundheitsgefahren empfohlen

Noch weitere polychlorierten Verbindungen wiesen die Wissenschaftler zum ersten Mal in Eisbärenserum nach, darunter mehrere chlorierte aromatische Verbindungen. Vor allem wegen der besorgniserregenden Zunahme dieser stabilen Metabolite empfehlen die Autoren dringend eine Neubewertung der Gesundheitsgefahren. Denn trotz Verboten und teilweise starker Regulierung der Produktion der Ausgangschemikalien ging die Konzentration im Eisbärenblut offenbar nicht zurück. Im Gegenteil reichern gefährdete Tierarten selbst an den Außenposten der Erde wie im Nordpolarmeer immer mehr von diesen Stoffen an.

Literatur:

Dr. Yanna Liu, Dr. Evan S. Richardson, Prof. Andrew E. Derocher, et al.: Hundreds of Unrecognized Halogenated Contaminants Discovered in Polar Bear Serum. Angewandte Chemie, First published: 30 October 2018, doi.org/10.1002/ange.201809906.


Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V., 04.12.2018

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