Laut Krebsinformationsdienst ist Prostatakrebs bei Männern in Deutschland die häufigste Krebserkrankung. Jährlich erkranken demnach rund 65.820 Männer daran. Dabei ist ein hohes Lebensalter einer der Hauptrisikofaktoren für das Prostatakarzinom. Unter 50 Jahren sind Männer eher selten betroffen. Um frühzeitig Prostatakrebs zu erkennen, gibt es verschiedene Strategien: Am Anfang steht oft der PSA-Test. Ist der Wert erhöht, kann dies auf Prostatakrebs hindeuten – aber auch auf andere Ursachen zurückzuführen sein. In der Regel wird dann eine Gewebeprobe entnommen. Eine andere Möglichkeit ist jedoch, bei Krebsverdacht zunächst anhand von MRT-Aufnahmen nach Anzeichen für einen Tumor zu suchen und nur bei Auffälligkeiten eine Biopsie durchzuführen. Doch wie groß ist das Risiko, einen Tumor zu übersehen?
Abwarten und beobachten als Alternative?
Um sicher zu gehen, wird bei erhöhten PSA-Werten oft eine Stanzbiopsie durchgeführt. Dabei werden mit einer kleinen Hohlnadel zehn bis zwölf Gewebeproben über die gesamte Prostata verteilt entnommen und analysiert – ein Eingriff, der mit unangenehmen Begleiterscheinungen in den Folgetagen sowie mit einem gewissen Infektionsrisiko verbunden ist. „Wir wollten deshalb herausfinden, ob man bei Männern, deren MRT-Aufnahmen unauffällig sind, erstmal abwarten und beobachten kann, anstatt gleich eine Biopsie zu machen“, erklärt Dr. Charlie Hamm, Erstautor der Publikation und Arzt an der Klinik für Radiologie der Charité.
Krebsrisiko ist gering
Tatsächlich hat sich dieses Vorgehen, bei dem sich an einen unauffälligen MRT-Befund regelmäßige urologische Kontrollen anschlossen, in der Studie als ausreichend verlässlich herausgestellt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann mit einem unauffälligen MRT-Ergebnis innerhalb von drei Jahren nicht an aggressivem Prostatakrebs erkrankte, lag im Rahmen der Studie bei 96 Prozent. Nur bei vier Prozent der Teilnehmenden wurde trotz negativem MRT-Befund bei weiteren Kontrollen aggressiver Prostatakrebs festgestellt. „Das Krebsrisiko ist also sehr gering, wenn die MRT-Aufnahme der Prostata keine Auffälligkeiten zeigt“, resümiert Hamm. „Zwar bietet ein unauffälliger MRT-Befund alleine keine hundertprozentige Sicherheit, aber wenn man die Patienten regelmäßig kontrolliert, entdeckt man einen möglichen Krebs früh genug. Das bedeutet für viele Männer: Sie können sich die unangenehme Gewebeprobe erstmal ersparen und müssen sich trotzdem keine Sorgen machen, dass ein Krebs übersehen wird.“
Durchführung der MR-Prostatografie
Für die Studie hat das Team fast 600 Männer mit Verdacht auf Prostatakrebs untersucht. Bei ihnen wurde an der Charité ein sogenanntes multiparametrisches MRT (mpMRT) – auch MR-Prostatografie genannt – durchgeführt. Bei diesem MRT werden mehrere gewebespezifische Parameter miteinander kombiniert, etwa die Signalintensität des Prostatagewebes, die Durchblutung und die Diffusion von Wassermolekülen im Gewebe. Ein Team erfahrener Radiologinnen und Radiologen hat die Bilder ausgewertet. „Nur wenn die MRT-Aufnahmen verdächtige Veränderungen der Prostata zeigten, wurde eine Gewebeprobe genommen. Die Männer mit unauffälligem MRT-Befund unterzogen sich stattdessen drei Jahre lang regelmäßig urologischen Kontrolluntersuchungen. So konnten wir sehen, ob dieser Ansatz sicher ist“, schildert Hamm das Vorgehen.
Weg zu einer personalisierten Prostatakrebsversorgung
Die Studie ist nach acht Jahren nun abgeschlossen. „Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer personalisierten Prostatakrebsversorgung. Durch den effektiveren Einsatz der Magnetresonanztomografie können wir sicherstellen, dass Männer die richtigen Untersuchungen und Behandlungen zum richtigen Zeitpunkt erhalten“, sagt der Arzt und Fellow des Junior Clinician Scientist Programms, das die Charité zusammen mit dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) betreibt. Die Ergebnisse sind auch für Ärztinnen und Ärzte relevant, um ihre Patienten bei der Entscheidung zu unterstützen, wann eine Biopsie wirklich nötig ist. Die Europäische Gesellschaft für Urologie empfiehlt in ihren Leitlinien zwar bereits eine MRT vor einer Prostatabiopsie. Bisher war jedoch unklar, wie sicher es ist, bei einem negativen MRT-Befund ganz auf die Biopsie zu verzichten. „Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass auch in einem dezentralen, ambulanten Versorgungsnetz der sogenannte MRT-Diagnoseweg sicher und effektiv ist“, stellt Hamm fest. „Wir hoffen, dass die Studie einen Anstoß gibt, den Stellenwert der MRT als Entscheidungshilfe für oder gegen eine Biopsie auch in der deutschen Leitlinie weiter zu stärken.“
Standardisierung und Sicherheitsnetz nötig
Damit die neuen Erkenntnisse bald Eingang in die Praxis finden, sind den Studienautorinnen und -autoren zufolge allerdings zwei weitere Aspekte entscheidend:
- Erstens müssten die MRT-Aufnahmen von erfahrenen Fachleuten durchgeführt und analysiert werden. Das heißt, mehr Radiologinnen und Radiologen in der genauen Interpretation von Prostata-MRT-Aufnahmen zu schulen und standardisierte Verfahren anzuwenden.
- Zweitens sei es wichtig, ein Sicherheitsnetz für die Männer zu schaffen, die zunächst keine Biopsie erhalten. „Das bedeutet klare Richtlinien für die PSA-Überwachung, wiederholte MRT-Untersuchungen und Kriterien, wann später eine Biopsie notwendig sein könnte“, betont Hamm.
Quelle: idw/Charité
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