Für drei Teams aus Oberstufenschülerinnen und -schülern aus drei verschiedenen Kontinenten geht in diesem Herbst ein Physik-Traum in Erfüllung: Sie können ein Experiment, das sie selbst entwickelt haben, an einem echten Teilchenbeschleuniger durchführen. Möglich macht dies der vom CERN, dem europäischen Labor für Teilchenphysik, ausgetragene Physikwettbewerb Beamline for Schools (BL4S) , an dem Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe aus der ganzen Welt teilnehmen können. Sie reichen dafür einen Vorschlag für ein physikalisches Experiment ein, das an einem Teilchenbeschleuniger, entweder am CERN oder bei DESY, durchgeführt werden kann. In diesem Jahr konnten drei Teams durch den wissenschaftlichen Wert ihres Vorschlags und den Kommunikationswert ihres Videos den Sieg einfahren.
„Mavericks“ und „Sakura Particles“ zum CERN
Im September 2024 reisen zwei Teams zum CERN, um die von ihnen vorgeschlagenen Experimente durchzuführen: „Mavericks“, ein Team der Secondary School of Sciences in Tallinn und des Hugo-Treffner-Gymnasiums in Tartu, Estland, und das Team „Sakura Particles“, das Schülerinnen der Kawawa Senior High School in Kanagawa, der Joshigakuin Senior High School und der Junten High School in Tokio, der Kawagoe Girls High School in Saitama und der Kitano High School in Osaka, Japan, vereint. Das Team „SPEEDers“ von der Andover High School in Andover, USA, wird sein Experiment an einer Beamline des DESY-Testbeams bei DESY durchführen.
Rekordzahl an Einreichungen
Eine Beamline (dt.: Strahlführung) stellt hochenergetische Strahlen aus subatomaren Teilchen bereit, die für Experimente in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise der Grundlagenphysik, Materialwissenschaften aber auch der Medizin genutzt werden können. Der Schul-Wettbewerb BL4S wurde 2014 im Rahmen des 60-jährigen Jubiläums des CERN gestartet. In den vergangenen zehn Jahren haben mehr als 20.000 Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Welt an dem Wettbewerb teilgenommen; 25 Teams wurden bereits als Gewinner ausgewählt. Die Teilnahmequote ist im Laufe der Jahre stetig gestiegen: In diesem Jahr hat eine Rekordzahl von 461 Teams aus 78 Ländern einen Experimentvorschlag eingereicht.
„Beindruckt von der Qualität“
„Einen Vorschlag für ein Teilchenphysikexperiment auszuarbeiten, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Der Erfolg von Beamline for Schools zeigt, dass Schülerinnen und Schüler mit der richtigen Unterstützung durchführbare, interessante und fantasievolle Experimente entwerfen können“, sagt Charlotte Warakaulle, CERN-Direktorin für internationale Beziehungen. „Wir sind immer wieder beeindruckt von der Qualität der Vorschläge, und auch dieses Jahr ist keine Ausnahme. Die Teams haben beeindruckende Kreativität und große Sorgfalt bewiesen, zwei wesentliche Eigenschaften für Schülerinnen und Schüler, die sich vielleicht demnächst für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden.“
Die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen CERN und DESY bei BL4S begann 2019, als die CERN-Beschleuniger für längere Zeit ausgeschaltet waren und der Wettbewerb an den DESY-Testbeam umzog. Diese Tradition haben die Forschungszentren auch nach Wiederanlauf der CERN-Beschleuniger erhalten, sodass 2024 das sechste Jahr ist, in dem Gewinner des Wettbewerbs nach Hamburg eingeladen werden.
Team aus den USA zum DESY
„Ich bin jedes Jahr sehr beeindruckt von der Kreativität und dem Engagement der Teammitglieder“, sagt Beate Heinemann, DESY-Direktorin für den Forschungsbereich Teilchenphysik. „Ich freue mich schon darauf, in diesem Jahr das Team aus den USA zu empfangen. Das BL4S-Programm ist mir so wichtig, weil es nicht nur die Wissenschaft, sondern auch den kulturellen Austausch zwischen jungen Menschen aus verschiedenen Nationen fördert.“
Um welche Experimente geht es?
Myonendetektor kalibrieren:
„Unser Experiment wird sich auf die Entwicklung von Detektoren für Anwendungen im Höhenluftballon konzentrieren“, sagt Saskia Põldmaa, Mitglied der „Mavericks“ aus Estland. „Dies ist bei weitem die tollste Chance, die wir bisher in unserem Leben hatten, also werden wir sie sehr gut nutzen. Wir können es kaum erwarten, unseren selbstgebauten Myonendetektor zu kalibrieren!“
Entwicklung von Detektoren für Myonen-Tomografie-Anwendungen:
„Unser Team konzentriert sich auf die Entwicklung von Detektoren für Myonen-Tomografie-Anwendungen. Wir werden unseren selbstgebauten positionsempfindlichen 2D-Detektor testen und optimieren“, sagt Chiori Matsushita vom japanischen Team „Sakura Particles“. „Das CERN war für uns schon immer ein Traum. Endlich dorthin zu kommen, nicht als Tourist, sondern um Experimente zu machen, ist fantastisch!“
Messung der Smith-Purcell-Strahlung:
„Wir konzentrieren uns darauf, Teilchenstrahlen besser zu verstehen: Unser Ziel ist es, die Smith-Purcell-Strahlung (SP) zu messen und zu analysieren, die von verschiedenen Beugungsgittern emittiert wird, wenn die Elektronen- oder Positronenstrahlen des DESY-Beschleunigers vorbeiziehen“, sagt Niranjan Nair vom US-amerikanischen „SPEEDers“-Team. „Wir sind begeistert, dass wir die Möglichkeit haben, den wissenschaftlichen Fortschritt bei DESY nicht nur passiv zu beobachten, sondern ihn aktiv mitzugestalten: Das Ziel unseres Experiments ist es, SP-Strahlung als Werkzeug für die Strahldiagnostik zu erforschen.“
Die siegreichen Vorschläge wurden von einem Komitee aus CERN- und DESY-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern aus einer Auswahlliste von 49 besonders vielversprechenden Experimenten ausgewählt. Zusätzlich wurden drei Teams für die kreativsten Videovorschläge ausgezeichnet und weitere 13 Teams für die Qualität der Aktivitäten zur Vermittlung von Physik, die sie bei sich vor Ort organisieren und bei denen sie das durch die Teilnahme an BL4S gewonnene Wissen nutzen.
Beamline for Schools ist ein Bildungs- und Outreach-Projekt, das aus Spenden der CERN & Society Foundation finanziert wird. Diese 11. Ausgabe wird insbesondere von ROLEX durch seine Perpetual Planet Initiative und von der Wilhelm und Else-Heraeus-Stiftung unterstützt.
Hier geht es zur Shortlist der besonders vielversprechenden Experimente 2024.
Quelle: DESY
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