Aussetzung der MTF-Ausbildung in Leipzig

Interview mit dem Medizinpädagogen André Schilling
Die Fragen stellte Ludwig Zahn
Porträtfoto A. Schilling
André Schilling © privat
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André Schilling arbeitet als Medizinpädagoge bei der DRK Akademie Sachsen. Er geht unter anderem auf die Gründe ein, warum in Leipzig die MTF-Ausbildung zunächst ausgesetzt ­wurde.

Warum haben Sie sich entschieden, die MTF-Ausbildung zunächst auszusetzen? Was waren die ausschlag­gebenden Gründe?

Wir haben als DRK Akademie Sachsen in­tensive Zeit und Ressourcen in die Akquise von Kooperationspartnern investiert. Dabei konnten wir mit vielen Kliniken in Anbahnungsgesprächen über den Wert gut ausgebildeter MTF sprechen. Dabei standen im Wesentlichen drei Faktoren einer gemeinsamen Ausbildung im Weg. Zum damaligen Zeitpunkt war nicht eindeutig geklärt, inwiefern der Geldfluss für die Finanzierung vonseiten der Kliniken vonstatten geht. Auf der anderen Seite mussten wir oft feststellen, dass Kliniken den Bedarf von MTF nicht sehen, sondern häufig Pflegekräfte für die entsprechenden Abteilungen einsetzen und anlernen. Ein großes Problem stellt außerdem dar, dass die Einrichtungen zum Zeitpunkt des Ausbildungsstarts keine ausgebildeten Praxisanleitungen vorhalten konnten, sodass der gesetzliche Rahmen damit nicht erfüllt werden konnte. Dies zu lösen, schien teils schwer überwindbar zu sein, da aus Sicht der Einrichtungen die Motivation, sich als Praxisanleitung weiterzubilden, teils fehlt. Damit waren wir als Schule in freier Trägerschaft schlussendlich nicht in der Lage, eine auskömmlich finanzierte Klasse zu generieren.

Denken Sie, das Finanzierungs­problem wird sich lösen lassen?

Das große Finanzierungsproblem sehe ich im ambulanten Bereich. Schaut man sich das DKI-Gutachten von 2019 an, liegt nahe, dass der ambulante Sektor mit ­circa 50 Prozent der Berufstätigen bei der Reform des Berufsbildes seitens des BMG nicht mitgedacht wurde. Niedergelassene Ärzte kennen den Umstand aktuell nicht, dass sie Azubis im Bereich Funktions­diagnostik bezahlen und finanzieren ­müssen. Es braucht hierfür seitens der Bundes­regierung eine attraktive Lösung, die es ermöglicht, dass auch Praxisnetz­werke bei der Finanzierung der Ausbildung eingeschlossen werden. Ein Weg dies ­aktuell zu lösen, ist es, Kliniken als Träger der Ausbildung zu gewinnen und an externe Praxispartner anzuschließen. Das halte ich persönlich aber nicht für den optimalen Weg, da dahinter sowohl ein deutlich höherer finanzieller als auch organisatorischer Aufwand steckt. Es gibt dabei sehr wohl ­Fachärzte aus dem ambu­lanten Sektor, denen der Wert der MTF bewusst ist. Jedoch müssen wir in der Lage sein, eine Gesamtlösung im Sinne von Netzwerken zu schaffen, die dabei auskömmlich finanziert werden. Schließlich liegt hier das Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, eine ganzheitliche und gute Gesundheitsversorgung zu erhalten.

Weiterhin sollten hier Finanzierungen analog zur Pflege gedacht werden, die alle Kliniken dazu verpflichten, in unsere Fachkräfte von morgen zu investieren. Dafür braucht es meiner Meinung nach aber auch ein besseres Image unseres Berufes. Ich stelle leider immer wieder fest, dass unser Beruf weder gekannt noch in dem Maße geschätzt wird, wie er es verdient. Wir bilden immerhin hoch qualifizierte Fachkräfte für einen sehr wichtigen Bereich in der Gesundheitsversorgung aus.

Gab es Auswirkungen auf den Lehrkörper durch die ­Entscheidung zur Aussetzung? Gibt es Planungen, die MTF-Ausbildung wieder aufzunehmen? Und gäbe es dann ge­nügend geeignete Lehrkräfte oder erwarten Sie Schwierigkeiten, entsprechend qualifiziertes Personal zu finden?

Wir arbeiten weiterhin an Lösungen, die Ausbildung und damit unseren Berufsstand am Leben zu halten. Dafür investieren wir weiterhin viele Ressourcen und gehen mit Kliniken ins Gespräch. Außerdem arbeiten wir an Netzwerklösungen, die den großen ambulanten Sektor mitdenken. Dabei müssen vor allem die Themen Finanzierung und Praxisanleitung sicher geklärt werden. Aktuell lässt sich die Situation vom Lehrpersonal abdecken. Jedoch muss im Kontext der neuen Anforderungen durch das Gesetz auch an die Investition an künftige Pädagogen gedacht werden. Das ist keine leichte Hürde.

Gibt es Anpassungen, die Sie an der Schule vornehmen müssten, wenn Sie wieder starten wollen? Welche spezifischen Maßnahmen müssten ergriffen werden, um den Anforderungen des neuen MTBG/MTAPrV gerecht zu werden? Können Sie konkrete Beispiele für nötige Anpassungen oder Neuerungen geben?

Die Umsetzung der neuen Ausbildung ist durch die neuen rechtlichen Grundlagen ohnehin an viele neue Bedingungen geknüpft. Neben der pädagogischen Qualifizierung steht dabei vor allem die Konstruktion moderner Lehr-Lern-Settings im Mittelpunkt. Als DRK Akademie Sachsen arbeiten wir dabei über die Berufsbilder hinweg an unserer Qualität und unseren didaktischen Ideen, sodass unsere Schule, die die Entwicklung der Ausbildung auf breite Schultern verteilt, die Herausforderungen als gemeinsame Teamaufgabe bewältigen wird.

Um der Problematik der Qualifizierung von Praxisanleitungen entgegenzuwirken, bieten wir als DRK Akademie sowohl die Grundqualifizierung als auch Fortbildungsformate im Rahmen der Pflichtfortbildungen an.

Wie sieht es mit den Ausbildungsstellen aus? Gibt es genügend potenziell geeignete Träger? Wie fällt dort die Reaktion aus? Haben die Neuregelungen zu einem Engpass geführt?

Die Anzahl der potenziellen Träger war der Grund, die Ausbildung auszusetzen. Wie oben erwähnt, stellen Bedarf, Wertschätzung, Unklarheiten in der Finanzierung sowie die Qualifizierung von Praxisanleitungen Hürden für die Umsetzung dar.

Denken Sie, dass das neue MTBG den ohnehin schon vorhandenen Fachkräftemangel noch verschärfen könnte?

Zum aktuellen Zeitpunkt glaube ich, dass die Auswirkungen in den Kliniken noch nicht direkt spürbar werden. Leider setzen die Krankenhäuser häufig auf angelernte Pflegefachkräfte, um den Bedarf in der Funktionsdiagnostik zu kompensieren. Auch der ambulante Bereich arbeitet an dieser Stelle oft mit fachfremdem Personal wie MFA. Mit Blick auf die Fallzahlprognosen und die demografische Entwicklung wird aber vermeintlich in den nächsten Jahren der Fachkräftemangel auch in unserem Bereich deutlicher. Viel wesentlicher ist an der Stelle allerdings, dass durch den Einsatz von fachfremdem Personal die Untersuchungsqualität leidet. Unsere ausgebildeten Funktionsdiagnostikerinnen und Funktionsdiagnostiker führen hochspezielle Untersuchungsverfahren durch und sind in der Lage, ihre Ergebnisse zu beurteilen sowie auf Qualität und Plausibilität zu prüfen. Dies braucht Routineentwicklung in der methodischen Umsetzung, Hintergrundwissen zu physiologischen und pathophysiologischen Ergebnissen und die Fertigkeit zur Prüfung von Qualität und Plausibilität. Das sind keine Tätigkeiten, die man mal eben so anlernen kann. Dies braucht eine fundierte Grundausbildung.

Was bedeuten die neuen Anforderungen für die Praxis­anleitungen in diesem Zusammenhang?

Die Tätigkeit als Praxisanleitung wird in meinen Augen sehr unterschätzt. Eine Praxisanleitung hat eine berufspädagogische und damit sehr verantwortungsvolle Aufgabe, mit der er/sie den Auszubildenden den Transfer von der Theorie in die Praxis ermöglicht. Daraus ergeben sich vielfältige Anforderungen. Eine Praxisanleiterin oder ein Praxisanleiter muss wie eine Lehrperson in der Lage sein, Lehr-Lern-Settings zu gestalten, die den Auszubildenden eine stufenweise Entwicklung ihrer Kompetenzen ermöglichen. Dabei müssen zwingend die Kernkompetenzen des Berufes und in dem Zusammenhang auch die an die Prüfung geknüpften Anforderungen bekannt sein. Ich sehe die Praxisanleitung an der Stelle als wichtigsten Teil der Ausbildung, denn nirgendwo lernt man mehr als dort, wo man im realen Setting wirklich arbeitet.

Wo sehen Sie insgesamt Herausforderungen für die Bildungseinrichtungen nach dem neuen MTBG und der geänderten MTAPrV?

Die größte Herausforderung stellt nach wie vor die Generierung einer auskömmlich finanzierten Klasse dar. Zudem bedeuten die Entwicklung curricularer Strukturen und das Denken neuer Prüfungssettings viel Arbeit, aber auch eine große Chance. Ebenso ist die Gewährleistung von Praxisanleitungen eine große Herausforderung.

Welche Vorteile sehen Sie bei den neuen Vorgaben?

Die Vorgaben von MTBG und MTAPrV wurden im Kern so formuliert, dass die Ausbildung sehr situationsorientiert gestaltet werden kann. Damit wurde die Fächerlogik nach über 30 Jahren endlich aufge­brochen. Dies ermöglicht eine wesentlich praxisnähere Vernetzung der Kompetenzen in realbezogenen Lernsituationen. Zudem liegt der Fokus nicht mehr auf speziellen Untersuchungen, die gesetzlich vorgegeben sind, sondern auf den Organsystemen. Damit können Schulen dynamische curriculare Strukturen entwickeln, die immer dem aktuellen Stand der Praxis entsprechen.

Die Verpflichtung zur Praxisanleitung ist Segen und Fluch zugleich. Zum einen ist es ein Fluch, weil aktuell nicht jede Ein­richtung eine Praxisanleitung vorhalten kann, zum anderen bedeutet der Einsatz dieser gut qualifizierten und praxiserfahrenen päda­gogischen Fachkräfte, dass den Auszubildenden sowohl in der Schule als auch in der Praxis professionelle Lehr-Lern-Settings garantiert sind.

 

Entnommen aus MT im Dialog 11/2024

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