Antikörpertests: Weder Immunität noch Nichtinfektiosität sicher nachweisbar
Als Gründungsmitglied beteiligt sich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) seit 2006 an EUnetHTA, einem europäischen Netzwerk zur Gesundheitstechnologie-Bewertung (HTA=Health Technology Assessment). Die Europäische Union fördert das Netzwerk. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie hat das EU-Gesundheitsdirektorat die EUnetHTA-Partner dazu aufgefordert, sich wissenschaftlich bei der Bekämpfung der Pandemie zu engagieren. Vor diesem Hintergrund unterstützte das IQWiG nun die Gesundheitsagentur der Region Emilia Romagna in Bologna bei einer ersten Bewertung zur Corona-Diagnostik. Initiator des HTA-Berichts war die italienische Partnerorganisation, die auch das Thema festlegte. Neben dem IQWiG beteiligte sich auch ein walisischer Partner als Co-Autor an der Berichterstellung.
Zwei Formen von Coronatests
RT-PCR-Test: Rasch nach Ausbruch der Corona-Pandemie entwickelten Forscherinnen und Forscher Methoden, um das Virus direkt nachweisen zu können. Hierfür wird ein Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum gewonnen und auf genetische Spuren des Virus untersucht. Diese Methode ist unter der Abkürzung RT-PCR bekannt und hat eine hohe Treffsicherheit. Einige Tage nach der Infektion reagiert der Körper aber auf das Virus. Wenn die Immunabwehr des Körpers das Virus bekämpft und vernichtet, lässt es sich schlechter oder gar nicht mehr mit dem RT-PCR-Test nachweisen. Der RT-PCR-Test ist nicht Thema des jetzt veröffentlichten EUnetHTA-Berichts.
Antikörpertest: Dieser zweite Typ von Coronatests misst die Immunantwort des Körpers. Hierbei werden die vom Körper produzierten Antikörper erfasst – meist über Messung der Immunglobuline M und G. Weil der Körper mehrere Tage braucht, um eine messbare Immunantwort zu produzieren, schlagen Antikörpertests nach einer Infektion erst stark verzögert an. Antikörpertests auf das Coronavirus sind daher zu langsam, um bei Auftreten fraglicher Symptome akut eine Infektion nachweisen oder ausschließen zu können. Man kann aber mit Antikörpertests in Feldstudien erfassen, welcher Anteil der Bevölkerung eine Corona-Infektion durchgemacht hat (Seroprävalenz).
Genauigkeit der Tests bislang nicht ausreichend
Nach Auswertung von weltweit insgesamt 40 Studien schlussfolgern die Autorinnen und Autoren des EUnetHTA-Berichts, dass die Antikörpertests eine zurückliegende Infektion mit dem SARS-Corona-Virus 2 nachweisen können. Jedoch ist die Genauigkeit der Tests bislang nicht ausreichend. Vor allem aber ist noch fraglich, ob ein positives Testergebnis als Zeichen einer Immunität gegen eine erneute Infektion gewertet werden kann. Auch ist ein positives Testergebnis nach überstandener Infektion kein sicherer Nachweis dafür, dass die Person das Virus nicht mehr an andere Personen übertragen kann.
Wegen der Dringlichkeit ist der nun vorliegende EUnetHTA-Bericht ungewöhnlich schnell erstellt worden (binnen sechs Wochen). Da nahezu wöchentlich neue Studienergebnisse zu erwarten sind, wird die Bewertung der Antikörpertests voraussichtlich in etwa drei Monaten aktualisiert – wieder unter Federführung der Gesundheitsagentur in Bologna und mit Unterstützung des IQWiG.
Die Tests stehen als GKV-Leistung zur Verfügung
Die Berichtsergebnisse sollen helfen, dass die Corona-Diagnostik in Europa und weltweit richtig eingesetzt wird und sich weiterentwickelt. Der jetzige EUnetHTA-Bericht hat jedoch keine direkten Folgen für die Frage, ob Corona-Antikörper-Tests in Deutschland von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt werden. Derzeit stehen die Tests als GKV-Leistung zur Verfügung, jedoch muss die Notwendigkeit der Testung im Einzelfall begründet werden. Ein positives Testergebnis ist meldepflichtig.
Detailfragen zur Bewertung der Antikörper-Tests beantworten die italienischen Erstautoren des EUnetHTA-Berichts.
Quelle: IQWiG 24.06.2020
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