Antibiotika: Neues zur Bildung von Resistenzen
Antibiotika verlieren durch bakterielle Resistenzmechanismen zunehmend ihre Wirksamkeit. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt dies eines der größten zukünftigen Probleme in der Medizin dar. Es wird geschätzt, dass Resistenzen im Jahr 2019 direkt für 1,27 Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich waren und insgesamt zu 4,95 Millionen Todesfällen beitrugen. Eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Regensburg (Medizinische Klinik 3, Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene und Mikrobiomzentrum) hat nun eine australische Arbeitsgruppe der Universität Melbourne unterstützt und dabei untersucht, wie der Einsatz eines Breitbandantibiotikums die Resistenzbildung von Krankheitserregern beeinflusst.
Untersuchung von Enterococcus faecium
Der Erreger Enterococcus faecium wird von der WHO als besonders gefährlich eingestuft, da er einerseits eine der Hauptverursacher für Krankenhaus-assoziierte Infektionen darstellt, andererseits aber sehr schnell Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika erwirbt. Diese Kombination macht Infektionen mit Enterococcus faecium immer gefährlicher. Vor allem seine Resistenz gegen das Reserveantibiotikum Vancomycin hat sich in den letzten Jahren weltweit verbreitet. Reserveantibiotika werden bei Infektionen mit Bakterien eingesetzt, die gegen die gängigen Antibiotika resistent sind oder, um bei schweren Infektionen, eine Wirkung sicherzustellen.
Untersuchung der Daptomycin-Resistenz
Die Forschergruppe interessierte sich besonders für Vancomycin-resistente Enterococcus faecium. Sie wollten wissen, wie sich deren Resistenz gegen Daptomycin – ein weiteres Reserveantibiotikum – entwickelt. Der Grund: In den letzten Jahren beobachteten die Forscherinnen und Forscher einen deutlichen Anstieg der Daptomycin-Resistenz. Zwischen den Jahren 2015 und 2018 stieg der Anteil von Daptomycin-Resistenzen bei Enterococcus faecium bei australischen Patienten von 16 auf 28 Prozent. Die zusätzliche Resistenz gegen Daptomycin wurde durch eine bislang nicht bekannte Aminosäurenveränderungen im RNApolymerase ß-chain (RpoB) Gen verursacht.
Welche Rolle spielt Rifaximin?
Eine genauere Analyse des Stammbaums der Erreger ergab, dass diese Mutation erstmals im Jahr 2006 auftrat, zeitgleich als das Antibiotikum Rifaximin – einem nur im Darm wirksamen Breitbandantibiotikum – in der Prophylaxe der hepatischen Enzephalopathie eingeführt wurde. Diese Funktionsstörung des Gehirns entsteht als Folge einer unzureichenden Entgiftungsfunktion der Leber und kann als Spätfolge von chronischen Leberkrankheiten aber auch bei akutem Leberversagen auftreten. Bei der weiteren Untersuchung von Patienten mit und ohne Rifaximin-Prophylaxe zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen einem Rifaximin-Einsatz, der RpoB-Mutation sowie einer Daptomycin-Resistenz. Unter Rifaximin-Behandlung stiegen sowohl die Mutation als auch die Daptomycin-Resistenz von 15 auf 94 Prozent. Die Regensburger Gruppe steuerte hier Analysen zu stammzelltransplantierten Patienten bei, die ebenfalls eine Rifaximin-Prophylaxe erhielten und in gleicher Weise und Höhe einen Anstieg der Daptomycin-Resistenz zeigten. Experimentell konnten die australischen Forscherinnen und Forscher diese unerwarteten Selektionsprozesse auch in Experimenten mit Mäusen bestätigen. Als Ursache konnten sie Veränderungen in den Membranhüllen der Keime identifizieren. „Die Arbeit zeigt, dass bestimmte Antibiotika – in diesem Fall Rifaximin – Resistenzen für Antibiotika anderer Wirkstoffklassen wie Daptomycin induzieren können. Sie haben dadurch direkten Einfluss auf Therapieentscheidungen bei schwerkranken Patienten“, so Prof. André Gessner aus dem Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene des Universitätsklinikums Regensburg. Bisher galt Rifaximin als „risikoarm“ für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen. Diese Fehleinschätzung kann den klinischen Einsatz von Daptomycin beeinträchtigen. Immerhin handelt es sich um eines der letzten Mittel zur Behandlung multiresistenter Erreger.
Quelle: idw/Uni Regensburg
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