Auf einer Presseveranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) betonte Prof. Dr. rer. physiol. Thomas Penzel die Herausforderungen der vergangenen zwei Jahre für die normalen Patientenkontakte. Man habe gelernt, die technischen Möglichkeiten wie Videokonferenzen oder Home-Polygrafie zu nutzen. Damit sei eine Schlafmessung zu Hause möglich gewesen. Dabei hätten die telemedizinischen Möglichkeiten schon eine längere Tradition. Penzel verwies auf die CPAP-Geräte, die per Modem die aufgezeichnete Nutzungsdauer übermitteln, um rechtzeitig Leckagen oder Maskenprobleme zu erkennen. Auch gebe es inzwischen die erste App für die Therapie.
Wearables und Gadgets in der Schlafanalyse
Dr. Hans-Günter Weeß, Schatzmeister der DGSM, Leiter des Schlafzentrums der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Pfalzklinikum Klingenmünster, ging auf das Thema Wearables und Gadgets in der Schlafanalyse – Vor- und Nachteile der beliebten Lifestyleprodukte, wie Schlafroboter, Tracker oder Schlafmatten, ein. Der Markt sei sehr groß und es würden Milliarden ausgegeben. Doch die wenigsten Gadgets seien wissenschaftlich evaluiert. Teilweise würden „Steinzeitmethoden der Schlafforschung“ eingesetzt. Zum Teil seien die Methoden auch „gefährlich“, da sie ungenau messen und Menschen sagen, sie hätten keine Schlafprobleme oder andere verunsichere. Es seien medizinisch abgesicherte erprobte Methoden nötig.
Vitalparameter besser überwachen?
Prof. Dr. med. Christoph Schöbel, Mitglied des DGSM-Vorstands und Professor für Schlaf- und Telemedizin, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Ruhrlandklinik Essen, erläuterte in seinem Statement die künftigen Möglichkeiten der Wearables und Gadgets in der Schlafanalyse. Es müsse sichergestellt werden, dass eine App auch das messe, was sie vorgebe. Der Maßstab müsse der Goldstandard, die Schlaflaboruntersuchung, sein. Da immer mehr verunsicherte Patienten in die Praxen/Kliniken kämen, müsse der Arzt auch Berater sein. Er müsse die Patienten auffangen. Künftig dürfte die kontaktlose Sensorik zu Hause bei den Patienten (z.B. Radar) eine größere Rolle spielen. Perspektivisch könnten so Vitalparameter besser überwacht werden.
Prof. (apl.) Dr. phil. Dr. med. Kai Spiegelhalder, Mitglied des DGSM-Vorstands und stellv. Abteilungsleiter Psychophysiologie und Schlafmedizin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg, ging auf das Beispiel der Digitalisierten Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen am Beispiel der Insomnie ein. Die effektive Behandlung der Insomnie sei nach wie vor die kognitive Verhaltenstherapie, bevor Medikamente verschrieben werden. Allerdings erhalten laut Spiegelhalder nur etwa ein Prozent der Betroffenen diese Therapieform. Es gebe offensichtlich eine Unterversorgung. Die digitale App sei deshalb sehr zu begrüßen.
Natürlicher Rhythmus zu Lockdownzeiten
Dr. med. Anna Heidbreder, Mitglied des DGSM-Vorstands und Oberärztin in der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck, berichtete über die Thematik des Schlafs in Krisensituationen (z.B. in der Corona-Pandemie oder aktuell unter den Auswirkungen des Ukraine-Krieges). So hätten etwa 40 Prozent der Bevölkerung zu Coronazeiten vorübergehend unter Schlaflosigkeit gelitten oder leiden noch darunter. Auch die Zahl der Albträume habe zugenommen. Sicherlich sei der Stress ein Faktor. Auch jedes zweite Kind leide an Ein- und Durchschlafstörungen bei Ausnahmesituationen. Allerdings dürfte man nicht vergessen, dass zu Lockdownzeiten Menschen auch besser geschlafen hätten. Viele (gerade auch Jugendliche und junge Erwachsene) hätten ihren Rhythmus eingehalten und damit das natürliche Schlafverhalten.
Als wichtigen Faktor sieht PD Dr. med. Renate Weber, Praxis mit hausärztlicher Versorgung in Augsburg, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie & Onkologie, die hausärztliche Praxis in der schlafmedizinischen Versorgung. Der zentrale Vermittler sei i.d.R. der Hausarzt. Die Schlafphase (immerhin ein Drittel der Lebenszeit) müsse stärker in den Fokus genommen werden. Der Hausarzt sei oft Coach und Vertrauter, auf den man sich verlasse. Da ein gesunder Schlaf so wichtig sei, müssten neue Patienten immer nach ihrem Schlaf befragt werden. Weber setzt sich für den Einsatz von validierten Schlaffragebögen zur Vorbereitung des Anamnesegespräches ein.
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