Derzeit sind drei langwirksame Gentherapien in der EU zugelassen. 42 weitere stehen kurz vor der Marktreife, da sie sich in späten Phasen der klinischen Entwicklung befinden. Diese Präparate könnten schwerkranken Patienten neue Behandlungsoptionen eröffnen, gleichzeitig jedoch die Krankenkassen unterschiedlich stark belasten. Das geht aus einer Prognose des IGES-Instituts hervor.
Knapp die Hälfte der erwarteten Gentherapien adressieren onkologische
Erkrankungen (19 Therapien). Am zweithäufigsten richten sie sich gegen angeborene genetische Störungen (7). Insgesamt werden sie das Behandlungsspektrum von 42 Krankheiten erweitern.
Ein großer Teil der identifizierten Erkrankungen betrifft zwischen 1.000 und 10.000 GKV-Patienten. Sechs der neuen Gentherapien richten sich gegen extrem seltene Leiden mit weniger als 100 Betroffenen. In Entwicklung sind auch drei Gentherapien gegen sogenannte Volkskrankheiten, etwa gegen
Arthrose.
Internationale Studienregister und Datenbanken
„Auch wenn hinsichtlich der genauen Anzahl von Zulassungen langwirksamer Gentherapien, dem Ausmaß ihrer Anwendung sowie den genauen Behandlungskosten aktuell noch Unsicherheit bestehen, ist mit zahlreichen Markteinführungen in den nächsten Jahren sowie signifikanten ökonomischen Herausforderungen für das GKV-System zu rechnen,“ sagt Studienautor Fabian Berkemeier, Bereichsleiter Value & Access Strategy am IGES-Institut. Dies gelte es, frühzeitig zu adressieren und die bereits bestehenden Diskussionen über die Weiterentwicklung des Morbi-RSA zu forcieren.
Für die Prognose, die im Auftrag des Unternehmens Merck entstand, werteten die IGES-Experten internationale Studienregister und Datenbanken zu klinischen Studien aus. Sie identifizierten sämtliche langwirksamen Gentherapien, die bereits zugelassen sind oder sich in der fortgeschrittenen Entwicklung (Phase III) befinden, sowie die damit behandelbaren Erkrankungen. Anschließend schätzten sie die Anzahl der potenziell betroffenen GKV-Versicherten.
Nach mehr als 50 Jahren gentechnischer Grundlagenforschung erhielt das erste Gentherapeutikum in Europa im Jahr 2012 die Zulassung. Es diente zur Behandlung einer angeborenen Fettstoffwechselkrankheit, befindet sich jedoch derzeit nicht mehr auf dem Markt. 2015 und 2016 folgten zwei Therapien, eine kurzwirksame gegen schwarzen Hautkrebs (Melanom) und eine langwirksame gegen einen schweren, angeborenen Immundefekt. Im August 2018 wurden zwei weitere langwirksame Therapien zur Behandlung von bestimmten Patienten mit akuter Leukämie und malignen Lymphomen zugelassen. Bei Gentherapien wird entweder ein funktionales Gen einer Zelle hinzugefügt, ein fehlerhaftes Gen korrigiert oder ein natürliches Gen modifiziert, um eine bestimmte Funktion zu erfüllen. Gentherapeutika unterliegen auf europäischer Ebene einem spezifischen Zulassungsverfahren.
Quelle: IGES-Institut, 10.09.2018
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