Wie sich neurologische Folgen einer Chemotherapie verhindern lassen
Ein wichtiger Wirkstoff bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen ist das Medikament Paclitaxel. Es wird aus der Baumrinde der pazifischen Eibe gewonnen und ist hochwirksam gegen das Tumorwachstum. Manche Patientinnen leiden jedoch unter neurologischen Nebenwirkungen oder sogar dauerhaften Spätfolgen: Ihre Konzentration und das Gedächtnis lassen nach, sie leiden unter schmerzhaften Missempfindungen in Händen und Füßen, Feinmotorik oder Gang sind gestört. Mediziner nennen diese Folgen Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN).
Paclitaxel-bedingten Nebenwirkungen vorbeugen
Diese Nebenwirkungen treten bei mehr als der Hälfte der mit Paclitaxel behandelten Brustkrebspatientinnen auf und schränken ihre Lebensqualität nachhaltig ein. Zudem führt CIPN häufig dazu, dass die Dosis von Paclitaxel verringert oder gar die Chemotherapie vorzeitig abgebrochen werden muss, was den Behandlungserfolg reduziert. Wie können die neurologischen Nebenwirkungen der Therapie mit Paclitaxel reduziert oder idealerweise komplett verhindert werden? Dieser Frage geht ein Forschungsteam an der Charité um Prof. Matthias Endres nach. Der Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie leitet die Studie PREPARE, in der untersucht wird, ob den Paclitaxel-bedingten neurologischen Nebenwirkungen mit Lithium vorgebeugt werden kann.
Kalziumanstieg in den Nervenzellen verringern
Das Team konnte in der Vergangenheit im Labor zeigen, dass die Gabe von Paclitaxel zu einem Anstieg von Kalzium in Nervenzellen führt, was in diesen Zellen den programmierten Zelltod auslöst. Dieser Kalziumanstieg kann durch Lithiumionen verringert werden, was die Nervenzellen vor einer Schädigung durch Paclitaxel schützt. Im Tiermodell konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen, dass die vorbeugende Gabe von Lithiumcarbonat verhinderte, dass sich CIPN entwickelte. Die umfangreichen Laborstudien wurden vom BIH-SPARK Programm seit 2018 gefördert.
Multizentrische Studie
In der PREPARE Studie soll nun erstmals überprüft werden, ob die Gabe von Lithiumcarbonat auch bei Brustkrebspatientinnen, die eine Chemotherapie mit Paclitaxel erhalten, der Entwicklung von Neuropathien vorbeugt. Privatdozentin Dr. Petra Hühnchen und Privatdozent Dr. Wolfgang Böhmerle, ebenfalls von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie, koordinieren die Studie, die an mehreren Kliniken stattfindet (multizentrisch), bei der die Patientinnen zufällig einem Studienarm zugeteilt werden (randomisiert), und weder Arzt noch Patientin wissen, ob sie Lithium oder ein Placebo erhalten (doppelt-verblindet Placebo-kontrolliert). Lithiumcarbonat wird seit vielen Jahrzehnten vor allem in der Behandlung von Depressionen oder bipolaren Störungen erfolgreich eingesetzt.
Im Tiermodell erfolgreich
Auf Basis der Laborstudien konnten die Forschenden um Professor Matthias Endres die PREPARE-Studie vorbereiten und zum April dieses Jahres starten. „Durch die umfangreiche Förderung durch das SPARK-BIH-Programm konnten wir grundlegende Voruntersuchungen durchführen und im Tiermodell zeigen, dass die Gabe von Lithiumcarbonat das Auftreten neurologischer Nebenwirkungen während der Chemotherapie verhindern kann, ohne dass die Wirksamkeit von Paclitaxel beeinträchtigt wird“, sagt der Neurologe. „Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass wir mit unserem Forschungsansatz nun in die erste klinische Phase eintreten können. Lithiumcarbonat hat aus unserer Sicht großes Potenzial, die medizinische Praxis der Chemotherapie mit Paclitaxel bei Brustkrebs und womöglich auch bei anderen Krebserkrankungen langfristig zu verändern.“
PREPARE STUDIE:
Zurzeit werden an der Charité sowie an sieben weiteren Standorten in Deutschland (Cottbus, Greifswald, Hamburg, Hannover, Gießen, Essen, Dresden, Leipzig) in enger Zusammenarbeit zwischen der Neurologie und den zertifizierten Brustzentren vor Ort insgesamt 84 Studienteilnehmerinnen rekrutiert. Die PREPARE-Studie wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms „Förderung klinischer Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung“ mit insgesamt 696.000 Euro gefördert und läuft bis Ende März 2025.
Berliner Institut für Gesundheitsforschung in der Charité
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