Wie „Körperpolizisten“ zu Krebszellen werden

Chronisch Lymphatische Leukämie
lz
CLL
CLL, Blutausstrich, Wright Färbung VashiDonsk, Wikipedia, CC BY-SA 3.0
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Als zweiter Wissenschaftler der Universität Ulm erhält Professor Hassan Jumaa, Leiter des Instituts für Immunologie, einen ERC Advanced Grant über 2,25 Millionen Euro. In den kommenden fünf Jahren wird der Biologe Mechanismen am B-Zellantigenrezeptor bei der CLL erforschen.

Großer Erfolg für Professor Hassan Jumaa: Der Leiter des Instituts für Immunologie erhält einen ERC Advanced Grant über 2,25 Millionen Euro. Mit dieser Förderung des Europäischen Forschungsrats will der Biologe in den kommenden fünf Jahren Mechanismen am B-Zellantigenrezeptor bei der Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL) untersuchen. In einer früheren Arbeit hat Professor Jumaa entdeckt, wie sich bösartige Krebszellen aus überlebenswichtigen Immunzellen entwickeln: Offenbar tragen die Immunzellen den Schlüssel zur Entartung in sich selbst.

Neue, nebenwirkungsarme Therapien?

Bei der CLL handelt es sich um eine der häufigsten Blutkrebserkrankungen im Erwachsenenalter. Symptome dieser lebensbedrohlichen Krankheit umfassen geschwollene Lymphknoten, Erschöpfungszustände und eine hohe Infektanfälligkeit. Lediglich eine Stammzelltransplantation kann die CLL eventuell heilen. Die wissenschaftliche Arbeit im Zuge des ERC Advanced Grant soll den Weg zu neuen, nebenwirkungsarmen Therapien ebnen.

Professor Jumaas Forschungsschwerpunkt sind B-Lymphozyten: Als Teil der körpereigenen Abwehr bekämpfen diese weißen Blutkörperchen Erreger. Dazu bilden sie spezifische Rezeptoren an ihren Oberflächen aus, mit denen sie Viren oder etwa Bakterien nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip erkennen und die Antikörper-Produktion starten. Im Fall einer CLL kommt es zu einer ungehemmten Vermehrung von B-Lymphozyten, die ihre Funktion als „Körperpolizei“ aufgeben.

Was regt den B-Zellrezeptor an?

Hassan Jumaas Arbeitsgruppe untersucht, wie sich B-Lymphozyten normalerweise aus blutbildenden Zellen entwickeln. Dieser Prozess wird durch Signale des B-Zellrezeptors gesteuert und kann bei Störungen zur Entartung der Zellen führen – die Folgen reichen von einer Immundefizienz bis hin zu Krebserkrankungen wie der CLL. Die zentrale Frage, was den B-Zellrezeptor anregt, ist jedoch unbeantwortet.

Die bisher gängige Annahme: Leukämische B-Zellen erhalten ihre Aktivierungssignale aus dem Zusammenwirken des Rezeptors mit körpereigenen Substanzen. Im Experiment konnte Jumaa jedoch bereits zeigen, dass die Rezeptoren auf der Oberfläche der Leukämiezellen ständig miteinander interagieren: „Benachbarte Rezeptoren derselben Zelle aktivieren sich offenbar gegenseitig und senden Signale aus, die zur Umwandlung der Immunzellen in Krebszellen führen. Wie diese Erkennung genau funktioniert, muss noch untersucht werden“, so der Forscher.

Arbeit mit CyTOF-Zytometer

Im Zuge der ERC-Förderung will Professor Jumaa seiner Beobachtung weiter nachgehen und so die Immunbiologie von CLL-Lymphozyten im Zusammenhang mit der Signalgebung des B-Zellrezeptors besser verstehen. Neben transgenen Tiermodellen arbeitet Professor Jumaas Gruppe mit einer besonderen, eigens entwickelten Zelllinie, in der die Rezeptoren einzeln kontrolliert und charakterisiert werden können. Am Institut wird zudem ein von der Medizinischen Fakultät eingeworbenes, hochleistungsfähiges CyTOF-Zytometer installiert, das Massenspektrometrie mit Zellanalyse kombiniert und so die Untersuchung vieler Parameter auf Einzelzellebene ermöglicht.

„Ein tieferes Verständnis des B-Zellrezeptor-Signalwegs wird uns womöglich dabei helfen, Moleküle zu designen, die die Interaktion der Rezeptoren hemmen. So könnten wir gezielt krebsfördernde Signale unterbinden“, beschreibt Jumaa eine mögliche klinische Anwendung seiner Forschung. Eine solche Therapie könnte nebenwirkungsarm in einem frühen Krankheitsstadium eingesetzt werden.

Professor Jumaa, der in Freiburg beim Nobelpreisträger Professor Georges Köhler promoviert hat und sich am gleichen Ort habilitierte, ist aufgrund der starken hämatologischen Forschung nach Ulm gewechselt. Nach eigenen Angaben profitiert er vom Sonderforschungsbereich 1074 „Experimentelle Modelle und klinische Translation bei Leukämien“ sowie von den wissenschaftlichen Arbeiten zur CLL an der Universitätsklinik für Innere Medizin III. Der ERC Advanced Grant des gebürtigen Syrers trägt dazu bei, das Forschungsfeld weiterhin zu stärken. (idw, red)

Hintergrundinformationen:

Hassan Jumaa ist der zweite Wissenschaftler an der Uni Ulm, der einen ERC Advanced Grant erhält. 2013 ging ein erster Grant über 1,9 Millionen Euro an den AIDS-Forscher Professor Frank Kirchhoff. Das Förderinstrument richtet sich an etablierte, auf ihrem Fachgebiet führende Wissenschaftler. Das zu fördernde Projekt soll gleichzeitig wegweisend und risikoreich sein. Insgesamt wurden fast 2.000 Anträge eingereicht, nur rund 270 davon waren erfolgreich. „Der Advanced Grant ist eine große Auszeichnung für Professor Jumaa und für die hämatologische Forschung an der Universität Ulm. Hassan Jumaas Projekt ist – ganz im Sinne des Förderinstruments – herausfordernd. Im Erfolgsfall könnte er entscheidende Bausteine zur Therapie der Chronisch Lymphatischen Leukämie beitragen“, sagt Professor Joachim Ankerhold, Vizepräsident für Forschung und Informationstechnologie der Universität Ulm, zu diesem Erfolg.

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