Wie erkennen T-Killerzellen von Viren befallene Körperzellen?
Ständig dringen Fremdkörper in den Organismus ein, unter anderen auch Viren. Unser Immunsystem beginnt dann unverzüglich, diese Pathogene zu bekämpfen. Zuerst mit der angeborenen unspezifischen Immunantwort, später mit der adaptiven, erworbenen Immunantwort. Bei dieser zweiten Abwehrreaktion zerstören spezialisierte zytotoxische T-Zellen, die T-Killerzellen, infizierte Körperzellen und verhindern so größeren Schaden. Um der Vielzahl an Krankheitserregern zu begegnen, besitzen Menschen ein Repertoire von etwa 20 Millionen T-Zell-Klonen mit unterschiedlicher Spezifität. Es stellt sich die Frage, woher die T-Killerzellen wissen, von wo Gefahr droht? Wie erkennen sie, dass etwas in der Zelle nicht stimmt, wenn sich die Viren dort versteckt halten?
Erstellen eines „Hinweisschildes“
An dieser Stelle kommt die Antigenprozessierung ins Spiel. Dieser Vorgang lasse sich mit dem Erstellen eines Hinweisschildes vergleichen. Dieses werde in der Zelle, genauer im Endoplasmatischen Retikulum, „prozessiert“ oder zusammengefügt. Dabei kommen spezielle Moleküle zum Einsatz, die MHC Klasse I-Moleküle. Sie werden im Peptidladekomplex (peptide loading complex, PLC), einer molekularen Maschine, mit Informationen über das eingedrungene Virus beladen. Diese Informationen bestehen laut Forscherinnen und Forschern aus Peptiden, Bruchstücken des körperfremden Proteins. Diese Bruchstücke enthalten auch Epitope, jene Molekülabschnitte, die die spezifische Immunantwort auslösen. Bei der Beladung bilde sich also ein MHC I-Peptidepitop-Komplex: das Hinweisschild. Dieses werde zur Zelloberfläche transportiert und dort den T-Killerzellen präsentiert. An dem Prozess wesentlich beteiligt seien auch die Chaperone, spezielle Begleitproteine, die in Zellen die korrekte Faltung kompliziert aufgebauter Proteine lenken.
Wie wichtig sind die Chaperone?
Die Chaperone, welche die Antigenprozessierung begleiten, heißen Calreticulin, ERp57 und Tapasin. Doch wie funktioniert ihr Zusammenspiel? Wie wichtig sind sie für die Antigenprozessierung? Diese Frage beantwortet eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt und der Universität Oxford, die jetzt erschienen ist. „Uns ist damit ein Durchbruch im Verständnis der zellulären Qualitätskontrolle gelungen“, sagt Prof. Dr. Robert Tampé, Direktor des Instituts für Biochemie der Goethe-Universität Frankfurt. Was es mit der Qualitätskontrolle auf sich hat, erklärt er so: „Der MHC I-Peptidepitop-Komplex, das Hinweisschild, muss äußerst stabil sein, und zwar für längere Zeit, denn die adaptive Immunantwort startet nicht sofort, sie braucht 3 bis 5 Tage Anlaufzeit.“ Das Hinweisschild dürfe also nicht nach einem Tag in sich zusammenfallen. Das wäre katastrophal, weil die Abwehrzellen dann nicht erkennen würden, dass eine Zelle von einem Virus befallen ist. Sie würden diese Zelle folglich auch nicht zerstören, und das Virus könnte sich ungehindert ausbreiten. Ähnliches passiere, wenn die Körperzelle zu einer Tumorzelle mutiert wäre: Die Gefahr bliebe unerkannt. Also brauche es unbedingt die Qualitätskontrolle.
Nötige Langzeitstabilität verliehen
Wie die Studie aufzeigt, sind die Chaperone zentrale Bestandteile des Prozesses. Sie verleihen dem Hinweisschild die nötige Langzeitstabilität, indem sie eine strenge Auswahl treffen. Aus der Masse der Virus-Bruchstücke sortieren sie die instabilen Teile aus, sodass am Ende nur MHC I-Moleküle aus dem Peptidladekomplex entlassen werden, die mit den besten, stabil gebundenen Peptidepitopen beladen sind. Bei diesem für die adaptive Immunantwort so wichtigen Auswahlverfahren haben die Chaperone unterschiedliche Aufgaben, so Tampé: „Das Tapasin agiert als Katalysator, der den Austausch von suboptimalen gegen optimale Peptidepitope beschleunigt. Calreticulin und ERp57 werden dagegen universal eingesetzt.“ Das konzertierte Vorgehen sorge dafür, dass nur robuste MHC I-Peptidepitop-Komplexe an die Zelloberfläche gelangen und den T-Killerzellen dort den Weg zur infizierten oder mutierten Zelle weisen.
Künftig bessere Impfstoffe?
„Wir können nun besser verstehen, welche Peptide wie geladen werden. Wir können auch besser vorhersagen, welche die dominanten, also stabilen Peptidepitope sind, die das Chaperone-Netzwerk auswählt.“ Tampé hofft, dass die neuen Erkenntnisse bei der Entwicklung künftiger Impfstoffe gegen Virusvarianten helfen. Sie könnten in Zukunft auch Fortschritte bei Tumortherapien möglich machen. „Beide Themen sind direkt miteinander verwandt. Der Einsatz in der Tumortherapie ist aber sicher komplexer und langfristiger angelegt.“
Quelle: idw/Goethe Uni Frankfurt
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