Was bedeutet Long COVID für die Betroffenen?

Suche nach den Ursachen
lz
Post COVID
© tilialucida/stock.adobe.com
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.


* Pflichtfeld

Nach wie vor gibt es viele Unsicherheiten beim Thema Long/Post COVID. Die EPILOC-Studie hat mehr als 1.500 ehemals Corona-Infizierte untersucht und langfristige Folgen festgestellt.

Die Auswirkungen können teils drastisch sein: Chronische Müdigkeit und Belastungsintoleranz, kognitive Beschwerden und eine erhebliche Einschränkung von Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität. Das sind die Befunde einer groß angelegten, baden-württembergischen Langzeitstudie über das Leiden nach einer Corona-Infektion. Für EPILOC (Epidemiologie von Long Covid) haben Forschende in den Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm mehr als 1.500 ehemals Infizierte nachuntersucht und festgestellt: Zwei Drittel der am Post COVID-Syndrom leidenden Patientinnen und Patienten haben sich im zweiten Jahr ihrer Erkrankung kaum erholt. Trotz verschlechterter funktioneller Parameter zeigen Laboruntersuchungen beinahe keine pathologischen Befunde.

Nachbeobachtung und Nachuntersuchung sind erforderlich

Zwei Jahre nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 haben viele Betroffene weiterhin erhebliche, bleibende Beschwerden. Dazu zählen beispielsweise chronische Müdigkeit (Fatigue) und rasche Erschöpfung, Gedächtnisprobleme und Konzentrationsstörungen sowie Atemnot und Brustschmerzen. Auch innere Unruhe, Depressionen und Schlafstörungen kommen häufig vor. Das zeigen die Ergebnisse der Studie. „Es ist erschreckend, wie viele ehemals Infizierte nach zwei Jahren noch Beschwerden und Einschränkungen haben“, sagte Studienleiter Prof. Dr. Winfried Kern von der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg. „Eine systematische längere Nachbeobachtung und medizinische Nachuntersuchung sind erforderlich, um Faktoren für Besserung beziehungsweise Nichterholung des Post COVID-Syndroms und relevanter pathophysiologischer Pfade genauer zu identifizieren. Nur so werden sich therapeutisch wirksame Interventionsansätze finden und entwickeln lassen“. Im Vergleich zu Kontrollpersonen waren bei den Betroffenen funktionelle Parameter verschlechtert, also zum Beispiel die Handgreifkraft, der maximale Sauerstoffverbrauch bei Belastung und die Atemeffizienz sowie Ergebnisse bei neurokognitiven Testreihen.

Belastungstests seien erforderlich

Trotz dieser objektiven Anzeichen von verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit und kognitiven Defiziten zeigten beinahe alle Laboruntersuchungen der klinischen Routine keine pathologischen Befunde. Eine SARS-CoV-2-Persistenz (also eine fortbestehende Virusinfektion) oder Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus, eine Nebenniereninsuffizienz oder Störungen der Blutgerinnung, wie oft in anderen Studien beschrieben, zeigten die Laborergebnisse nicht. Durch die hohe Zahl der Teilnehmenden und die Berücksichtigung möglicher Störfaktoren (wie Übergewicht oder Rauchen) beim Vergleich verschiedener Gruppen konnten solche Zusammenhänge klarer ausgeschlossen werden. Dies sei ein weiteres wichtiges Ergebnis der Untersuchung, betonen die Autorinnen und Autoren. Für eine fundierte medizinische Beurteilung seien Belastungstests im Bereich Herz-Lunge, Muskel- und Nervensystem erforderlich.

Suche nach den Ursachen

„Die Diskrepanz zwischen den funktionellen Testergebnissen, dem subjektiven Leiden der Patienten und den vielen unauffälligen Routine-Laborparametern legen nahe, dass wir in einer anderen Richtung nach den pathophysiologischen Ursachen suchen müssen“, bemerkt Erstautor Dr. Raphael Peter vom Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Universität Ulm. „Vor allem die neurometabolischen und neuroinflammatorischen Störungen, die Rolle des Skelettmuskelstoffwechsels und dysfunktionale Atmung sollten vermehrt in den Fokus zukünftiger Forschung kommen“, so Dr. Peter. Derzeit werten die Wissenschaftler/-innen weitere Daten aus und analysieren die zahlreichen Bioproben der EPILOC-Studie mit erweiterter Methodik. Sie erhoffen sich daraus dringend benötigte Erkenntnisse, um den Personen mit Post COVID besser helfen zu können. Die rund 1.500 Teilnehmenden stammen aus einer Gruppe von mehr als 11.000 Erwachsenen aus ganz Baden-Württemberg, die bereits in einer ersten Studie in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern sechs bis zwölf Monate nach der Indexinfektion zu ihren Symptomen befragt worden waren. Damals berichtete jede/r Vierte von Beschwerden wie Fatigue, Gedächtnisproblemen und Konzentrationsstörungen sowie Atemnot und Brustschmerzen.

Weitere Studie zu den Auswirkungen auf ME/CFS

Eine andere Studie hat gezeigt, dass Neuerkrankungen an ME/CFS inzwischen 15-mal häufiger sind als vor der Pandemie. ME/CFS trat bei 4,5 % der infizierten RECOVER-Teilnehmer auf, verglichen mit 0,6 % der nicht infizierten Personen. Fast 90 % der Teilnehmer an ME/CFS nach COVID-19 wurden auch als die am stärksten symptomatischen Long-COVID-Patientinnen und -Patienten identifiziert. Diese Forschung unterstreiche die Dringlichkeit für Gesundheitsdienstleister, ME/CFS nach COVID-19 zu erkennen, betonte Dr. Suzanne Vernon, Forschungsleiterin am Bateman Horne Center (BHC) und Hauptautorin der Studie. Eine frühzeitige Diagnose und eine angemessene Behandlung könnten Leben verändern, so Vernon.

Literatur:
Peter RS, Nieters A, Göpel S, et al.: Persistent symptoms and clinical findings in adults with post-acute sequelae of COVID-19/post-COVID-19 syndrome in the second year after acute infection: A population-based, nested case-control study. PLoS Med 22(1): e1004511, DOI: doi.org/10.1371/journal.pmed.1004511.

Vernon SD, Zheng T, Do H, et al.: Incidence and Prevalence of Post-COVID-19 Myalgic Encephalomyelitis: A Report from the Observational RECOVER-Adult Study. J GEN INTERN MED (2025), DOI: doi.org/10.1007/s11606-024-09290-9.

Quelle: Uniklinikum Freiburg, BHC

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige