Bei krebskranken Kindern und Jugendlichen werden immer wieder krankhafte Genvarianten beobachtet, die eigentlich erst im Erwachsenenalter das Krebsrisiko erhöhen. Dazu zählen Varianten in den Genen BRCA1/2, die unter anderem mit einem erhöhten Risiko für Brust- und Eierstockkrebs einhergehen und Varianten in Mismatch-Repair (MMR)-Genen, die das Risiko für gastrointestinale Krebsarten erhöhen. Doch welche Rolle spielen die Varianten in diesen Genen bei krebskranken Kindern? Eine internationale Studie, die von der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ins Leben gerufen worden war, hat nun erkannt, dass krankheitsrelevante Varianten in BRCA1/2- und den MMR-Genen auch zum Krebsrisiko bei Kindern und Jugendlichen beitragen.
Metaanalyse durchgeführt
„Kinder und Jugendliche mit BRCA1/2- oder MMR-Genvarianten waren vor allem von Hirntumoren aber auch anderen soliden Tumoren betroffen“, sagt Professor Christian Kratz, Initiator der publizierten Studie. „Ein statistisch signifikanter Zusammenhang mit bösartigen Erkrankungen des Blutsystems, wie beispielsweise Leukämien, ließ sich bisher nicht feststellen“, ergänzt der Direktor der MHH-Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie.
Das internationale Forschungsteam hat eine Metaanalyse basierend auf elf Studien durchgeführt. Es waren Ergebnisse zu Keimbahntestungen von insgesamt 3.775 an Krebs erkrankten Kindern und Jugendlichen enthalten. Um die Ergebnisse zu validieren, wurde zudem eine weitere Kohorte krebskranker Kinder und Jugendlicher analysiert. „Erst mit der großen Menge an Studiendaten ist es möglich geworden, eine statistisch signifikante Anreicherung von Varianten in den Genen BRCA1/2 beziehungsweise den MMR-Genen bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen gegenüber der gesunden Bevölkerung nachzuweisen“, erklärt Kratz. Jedoch seien weitere Studien notwendig, um die Ergebnisse unabhängig zu bestätigen und das genaue Tumorspektrum im Kindes- und Jugendalter zu untersuchen.
Derzeitige Praxis prädiktiver Tests nicht ändern
Eine Anpassung derzeitiger Gentests oder Überwachungspraktiken braucht es dem Kinderonkologen zufolge nicht: „Bei Kindern und Jugendlichen ist das absolute Risiko, dass eine Variante von BRCA1/2 oder in einem MMR-Gen zu Krebs im Kindesalter führt, zwar statistisch signifikant erhöht, jedoch noch in einem so niedrigen Bereich, dass ein Nachweis einer solchen Variante bei einem gesunden Kind aktuell keine unmittelbaren medizinischen Konsequenzen rechtfertigen würde“, betont Professor Kratz. „Unsere Ergebnisse geben daher keinen Anlass, die derzeitige Praxis prädiktiver Tests zu ändern. Sie besteht darin, gesunde Personen erst ab dem Erwachsenenalter auf BRCA1/2- und MMR-Genvarianten zu testen, sollte in der Familie eine solche Variante bekannt sein.“
Für Therapiewahl und Nachsorge beachten
Ein Nachweis dieser Genveränderungen ist jedoch unmittelbar für das an Krebs erkrankte Kind und die Familie von Bedeutung: „Derartige Varianten können die Therapiewahl bei der Behandlung eines krebskranken Kindes und die Art der Nachsorge nach abgeschlossener Behandlung beeinflussen“, sagt Professor Kratz. Der Nachweis von BRCA1/2- oder MMR-Genvarianten bei einem betroffenen Kind mit einer Krebserkrankung böte Familienangehörigen zudem die Möglichkeit für eine genetische Beratung und Gentestung, um das eigene Erkrankungsrisiko abzuklären.
Quelle: idw/MHH
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