Lungenkrebs gehört in der Bundesrepublik Deutschland laut Krebsgesellschaft zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen – bei Männern ist sie die zweithäufigste, bei Frauen nach Brust- und Darmkrebs die dritthäufigste Krebserkrankung. In aller Regel liegen dem malignen Wachstum der Krebszelle Veränderungen im Erbgut zugrunde. Solche als Treibermutationen zusammengefassten Veränderungen können vielfältig sein: vom einfachen Austausch von DNA-Bausteinen über den Verlust von Genabschnitten bis hin zu Fusionen, Umlagerungen oder Vervielfältigungen von Erbmaterial.
Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom
Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) entwickelt sich aus Epithelzellen der Lunge. Es macht drei Viertel aller Lungenkarzinome aus und ist eine der häufigsten krebsbedingten Todesursachen. Zu den häufigsten Veränderungen beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom zählen verschiedene Mutationen im Gen des Wachstumsfaktor-Rezeptors EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor), die zum Teil auch in Kombination auftreten. Die Mutationen bedingen, dass verstärkt Wachstumssignale empfangen und ins Zellinnere weitergeleitet werden, was zu unkontrollierter Vermehrung der Tumorzellen führt.
EGFR-Mutationen im Blick
Zur systemischen Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms zählen neben Chemotherapie und Immuntherapien auch zielgerichtete Therapien mit EGFR-Inhibitoren, die an den EGF-Rezeptor binden und so Wachstumssignale blockieren. Diese Medikamente wurden für sogenannte klassische EGFR-Mutationen entwickelt. Bislang war unklar, bei welchen atypischen oder komplexen EGFR-Mutationen, von denen je nach ethnischer Herkunft 10 bis 30 Prozent der Patienten betroffen sind, diese Medikamente ebenfalls wirksam sind. In der Vergangenheit war dies nur in Fallberichten oder kleinen Fallserien untersucht worden.
Daten von mehr als 850 Patienten ausgewertet
Für die Wahl der optimalen Therapie wäre es aber wichtig zu wissen, welche dieser Patienten von einer zielgerichteten Therapie profitieren. NSCLC-Kranke, die voraussichtlich keinen Nutzen durch eine Behandlung mit EGFR-Inhibitoren haben, sollten besser mit der ansonsten üblichen Chemotherapie-Kombination behandelt werden. Aufschluss gibt nun eine retrospektive multizentrische Studie des Nationalen Netzwerks Genomische Medizin (nNGM) in Deutschland, unter der Leitung von Professor Dr. Dr. Sonja Loges vom DKFZ-Hector Krebsinstitut und der Abteilung für Personalisierte Onkologie an der Universitätsmedizin Mannheim. Darin analysierten die Wissenschaftler/-innen die Daten von mehr als 850 Patienten mit insgesamt 276 verschiedenen, seltenen EGFR-Mutationen und das Ansprechen auf die verschiedenen systemischen Therapien: zielgerichtete EGFR-Therapie, Chemotherapie und Immuntherapie.
Hilfe bei der Therapieentscheidung
Die Studie umfasst die bisher größte Gruppe von NSCLC-Patientinnen oder -Patienten mit sehr seltenen EGFR-Einzel- und -Kombinationsmutationen, die mit verschiedenen systemischen Therapien behandelt wurden. Sie klärt die Frage, ob EGFR-Inhibitoren bei der Vielzahl der verschiedenen aktivierenden EGFR-Mutationen, die nicht-kleinzelligen Karzinomen zugrunde liegen, wirksam sind oder nicht und hilft dadurch bei der Therapieentscheidung.
Die Wissenschaftler/-innen konnten zeigen, dass vor allem NSCLC-Kranke mit bisher kaum beschriebenen, sehr seltenen Punktmutationen sowie bestimmten komplexen EGFR-Mutationen – mit zwei oder mehr Veränderungen, von denen eine klassische EGFR-Mutation ist – im Vergleich zur Chemotherapie ebenfalls von EGFR-Therapien profitieren.
Neue Einteilung von Lungenkarzinom-Patienten
„Die in der Studie analysierten Daten von Behandlungsergebnissen von Patienten mit seltenen EGFR-Mutationen sind von großer Bedeutung, wenn es darum geht, bei diesen Patienten eine Behandlungsentscheidung zu treffen“, sagt Dr. Melanie Janning, Erstautorin der Studie. „Um solch große Datensätze erheben zu können, ist ein Netzwerk wie das nNGM unerlässlich“, betont Professor Loges und ergänzt: „Die Ergebnisse unserer Studie haben zu einer neuen Einteilung von Lungenkarzinom-Patienten mit seltenen EGFR-Mutationen geführt, die eine hohe Relevanz für die Therapieplanung in der klinischen Praxis hat.“
An der Studie nahmen insgesamt 12 weitere universitäre Zentren teil, darunter insbesondere das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) und das Institut für Pathologie der Uniklinik Köln. Initiiert wurde die Studie von Professor Loges am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, an dem sie bis 2020 eine Arbeitsgruppe leitete.
Quelle: idw/Unimedizin Mannheim
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