Die Methode wurde nun erstmals bei Patienten mit Aortenklappenstenose und niedrigem Operationsrisiko untersucht – mit beeindruckenden Ergebnissen. „Für die langfristige Zukunft bin ich überzeugt, dass die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) für alle Patienten mit Aortenstenose die Behandlungsmethode der ersten Wahl wird“, sagt Prof. Dr. Christian W. Hamm, Past Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (Gießen), auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Herztage der DGK in Berlin.
Stetig steigende Patientenzahlen
Bei der Behandlung der Aortenklappenstenose („Verengung“) sind stetig steigende Patientenzahlen zu verzeichnen. Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, mithilfe von TAVI eine Klappe einzusetzen. Das erfolgt schonend und wenig eingreifend mittels eines Katheters über die Leiste – verglichen mit der belastenden klassischen Herzchirurgie mit eröffnetem Brustkorb und dem Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Somit steht auch Patienten, für die ein herzchirurgischer Eingriff zu riskant ist, eine effektive Behandlungsmethode zur Verfügung. Wurden in Deutschland 2008 noch 637 TAVI-Prozeduren durchgeführt, so waren es 2015 bereits mehr als 13.100. Zum Erfolg der Methode beigetragen haben große randomisierte Studien, die TAVI mit einem herzchirurgischen Vorgehen verglichen. Prof. Hamm: „Die TAVI ist aus derzeitiger Sicht bei Hochrisikopatienten und bei Betroffenen mit mittlerem Operationsrisiko das Mittel der Wahl.“
Neue Studien: Patientenkreis für TAVI vergrößern?
In den beiden am ESC-Kongress 2018 in München präsentierten LRT(1)- und GARY-Register-Studien [2] ging es um den Einsatz der TAVI-Technik zum interventionellen Aortenklappenersatz bei Patienten mit als niedrig eingeschätztem Operationsrisiko. Prof. Hamm: „Die Ergebnisse könnten den Kreis jener Patienten vergrößern, bei denen die Katheter-gestützte Technik anstelle einer offenen Herzoperation erwogen werden könnte.“
In der in den USA durchgeführten LRT-Studie (Low Risk TAVR) wurden 200 ausgewählte Patienten mit schwerer Aortenstenose und niedrigem Operationsrisiko einer TAVI über die Leistenarterie („transfemoral“) unterzogen. Die Behandlungsergebnisse nach TAVI wurden dann mit jenen eines historischen Kollektivs von 719 „Low-Risk“-Patienten mit isoliertem chirurgischem Aortenklappenersatz aus der amerikanischen STS-Datenbank verglichen.
Primärer Endpunkt war die Sterblichkeit nach 30 Tagen. Bis zu diesem Zeitpunkt war in der TAVI-Gruppe kein einziger Todesfall zu verzeichnen. In der chirurgisch behandelten Kontrollgruppe lag die Mortalitätsrate bei 1,7 Prozent – im Vergleich zur TAVI-Gruppe ein nicht signifikanter Unterschied. Auch Schlaganfälle wurden bei Patienten mit TAVI nicht beobachtet.
Kürzere Klinikaufenthalte
Die Dauer der Klinikaufenthalte war bei den TAVI-Patienten signifikant kürzer (2,0 vs. 6,4 Tage) und die Rate an postoperativem beziehungsweise postprozeduralem Vorhofflimmern (3,0% vs. 40,8%) signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Implantationen eines permanenten Schrittmachers waren in beiden Gruppen relativ selten erforderlich (5,0% vs. 4,5%). In der TAVI-Gruppe war die entsprechende Implantationsrate mit 5,0 Prozent so niedrig wie in keiner vorangegangenen größeren TAVI-Studie.
Neue Daten speziell zu „Low Risk“-Patienten gibt es auch aus dem deutschen GARY-Register: Unter den insgesamt 45.567 zwischen 2014 bis 2015 in das Register aufgenommenen Patienten mit Aortenstenose waren 20.549, die angesichts eines STS-Scores ≤4% ein niedriges Operationsrisiko hatten. Von diesen Patienten waren 14.487 einer Klappenoperation und 6.062 einer mehrheitlich transvaskulär durchgeführten TAVI unterzogen worden. Die Ergebnisse waren – gemessen an der Überlebensrate – in der Zeit des Klinikaufenthalts sowie nach 30 Tagen in der TAVI-Gruppe signifikant besser als in der Gruppe mit Klappenoperation. Nach einem Jahr erwies sich die TAVI bezüglich des Überlebens als „nicht unterlegen“.
Erste Studie mit Niedrig-Risiko-Patienten
„LRT ist die erste Studie in dieser Indikation mit Niedrig-Risiko-Patienten. Die Ergebnisse sind sehr beeindruckend – unter TAVI ist kein Patient verstorben und es gab signifikante Vorteile hinsichtlich der Dauer von Klinikaufenthalten – und werden tendenziell durch die GARY Registerdaten bestätigt“, so Prof. Hamm. „Die TAVI scheint bei Patienten mit schwerer Aortenstenose und niedrigem Operationsrisiko ebenso effektiv und sicher zu sein wie ein chirurgischer Aortenklappenersatz.“
Einschränkend müsse gesagt werden, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, also um keine randomisierte Studie. Außerdem war die Patientenzahl mit 200 sehr klein. „Die beiden neuen Studienanalysen LRT und GARY können noch keine definitive Klärung des Stellenwerts der TAVI bei ‚Low-Risk‘-Patienten liefern“, so Prof. Hamm. Jetzt bleibe abzuwarten, ob längerfristig angelegte randomisierte Studien wie PARTNER 3 und EVOLUT TAVR diese vielversprechenden Ergebnisse der TAVI bei „Low-Risk“-Patienten mit schwerer Aortenstenose bestätigen. Mit DEDICATE ist inzwischen auch an deutschen Zentren eine Hersteller-übergreifende, randomisierte Studie zum Vergleich von interventionellem und chirurgischem Aortenklappenersatz bei Patienten mit mittlerem bis niedrigem Operationsrisiko gestartet worden.
(1) Waksman R, et al.: Transcatheter Aortic Valve Replacement in Low-Risk Patients with Symptomatic Severe Aortic Stenosis, Journal of the American College of Cardiology (2018), DOI: 10.1016/j.jacc.2018.08.1033.
(2) GARY - Patients at low surgical risk undergoing isolated interventional or surgical aortic valve im-plantation: in-hospital data and one-year results from the German Aortic Valve Registry (GARY), präsentiert am ESC 2018 in den Late Breaking TAVI Registries; www.kardiologie.org
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
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