Stärkere Strahlenschäden in gesundem Gewebe als bislang bekannt

Coulombzerfall im Gewebe
mg
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Radioaktive Strahlung schädigt – genau hierfür wird sie in der Tumorbehandlung genutzt. Doch inwiefern vor allem auch das umliegende Gewebe geschädigt wird, fanden nun Forscher des Max-Planck-Instituts für Kernphysik heraus.

Die energiereiche Strahlung löst in biologischen Zellen zahlreiche chemische Reaktionen aus und hat zerstörerische Wirkungen für Biomoleküle. Sie schlägt aus diesen Molekülen reaktive Teilchen wie Radikale, Ionen und langsame Elektronen heraus. Diese ausgeschlagenen Teilchen können wiederum das Erbgut und andere Teile der Zelle schädigen, sodass sogar einer oder beide Stränge der DNA-Struktur gebrochen werden können.

Elektronen nehmen eine besonders fatale Rolle ein, da sie ionisierende Strahlung auf ihrem Weg durch das Gewebe aus anderen Biomolekülen herausschlagen. Es entsteht ein lawinenartiger Effekt, bei dem immer mehr Elektronen freigesetzt werden können, die weitere Biomoleküle schädigen. Einzelne Zellen können zwar repariert werden, doch ein zu hoher Schaden kann nicht mehr bewältigt werden.

Die Forschungsgruppe um Max Dorn des Max-Planck-Instituts für Kernphysik entdeckte nun einen bisher unbekannten Mechanismus, bei dem die Hydrathülle von Biomolekülen im Vordergrund steht. Jedes Basenpaar der DNA besitzt eine Hydrathülle, bestehend aus bis zu 22 Wassermolekülen. Ein relativ langsames Elektron, wie es aus ionisierender Strahlung erzeugt werden kann, kann aus einem Wassermolekül ein anderes Elektron herausschlagen. An dessen Stelle tritt wiederum ein anderes Elektron des Wassermoleküls, wobei Energie frei wird. Mit dieser Energie kann sich das Biomolekül schnell ionisieren, was man als den sogenannten intermolekularen Coulombzerfall bezeichnet.

Durch ein Elektron mit relativ wenig Energie werden somit fünf reaktive Produkte erzeugt: drei noch energieärmere Elektronen sowie die energiereichen Ionen des Wassers und des Biomoleküls. Diese Produkte wiederum können gravierende Schäden verursachen. Obwohl der Mechanismus im Vergleich zur direkten Ionisierung relativ selten vorkommt, sollten Biophysiker ihn in ihre Berechnungen für die Auswirkungen ionisierender Strahlung auf Gewebe einberechnen.

Modellversuche

Als Modell für ein DNA-Molekül nutzten die Forscher einen Komplex aus einem Wassermolekül und dem Molekül Tetrahydrofuran. Wenn ein Elektronenstoß ein Loch im Sauerstoffatom des Wassermoleküls dieses Komplexes erzeugt, kann das organische Molekül über den intermolekularen Coulombzerfall ionisiert werden. Die nun positiv-geladenen Moleküle stoßen sich ab und es kommt zur sogenannten Coulombexplosion. Die Wissenschaftler testeten weiterhin, inwiefern dieser Prozess wahrscheinlicher ist als die Doppelionisierung durch zwei Stöße des ursprünglichen Elektrons. Sie kamen zu einer fünf Mal höheren Wahrscheinlichkeit für den Coulombzerfall im Vergleich zur Doppelionisierung.

„Damit dürften auch die Strahlenschäden durch die mehrfache Ionisation an nah beieinander liegenden Stellen eines Biomoleküls beim Coulombzerfall fünfmal größer sein“, sagt Xueguang Ren vom Max-Planck-Institut für Kernphysik. „Wir erwarten, dass dieser Mechanismus generell ein verbreitetes Phänomen in schwach gebundenen organischen Systemen ist und einen wichtigen Mechanismus für Strahlenschäden in hydratisierten Biomolekülen wie DNA darstellt.“ (idw, red)

Literatur:

Xueguang Ren, Enliang Wang, Anna D. Skitnevskaya, Alexander B. Tromov, Kirill Gokhberg, and Alexander Dorn: Experimental evidence for ultrafast intermolecular relaxation processes in hydrated biomolecules. Nature Physics, 23. Juli 2018, DOI:10.1038/s41567-018-0214-9.

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