Schutz vor Krankheitserregern in chronisch entzündeten Lungen
Die Ursachen für chronische Lungenbeschwerden können vielfältig sein – vom langjährigen Tabakkonsum über feinstaubbelastete Luft bis hin zu intensivem Kontakt zu offenem Feuer. Dies betrifft fast die Hälfte der Weltbevölkerung. Dadurch schieben sich die chronischen Lungenerkrankungen, wie Sarkoidose, Lungenemphysem oder die chronische Bronchitis, bis 2030 auf den dritten Platz der weltweit häufigsten Krankheiten. Da die bisherigen Erkenntnisse der chronischen Lungenerkrankung gering sind, untersuchen Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Lungenentzündungen in Mäusen.
Die Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen kann man meist in zwei Gruppen einteilen: eine, die besonders anfällig für teils lebensbedrohliche Atemwegsinfektionen sind aufgrund des durch die Krankheit vorgeschädigten Lungengewebes und eine andere Gruppe, die von diesen Infektionen oft komplett verschont bleibt. „Offenbar sind diese Betroffenen trotz ihrer chronischen Lungenerkrankung besser geschützt“, erläutert Prof. Dunja Bruder vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Leiterin der Forschungsgruppe „Immunregulation“ am HZI.
Mehr Antikörper an der Lungenschleimhaut
Diesem Phänomen ist Dr. Julia Boehme, Wissenschaftlerin in Bruders Labor, möglicherweise auf die Spur gekommen. Sie achtete bei der Untersuchung der Mäuse mit chronisch entzündeten Lungen vor allem auf die löslichen Komponenten auf der Lungenschleimhaut und stellte in den kranken Mäusen eine höhere Konzentration sekretorischer Antikörper fest als in den gesunden Tieren. Diese Antikörper sind im besonderen Maße in der Lage, sich an ein breites Spektrum von Krankheitserregern anzuheften, bevor diese ihre schädliche Wirkung entfalten und in den Körper eindringen können. Diese Mäuse wiesen einen erhöhten Schutz gegenüber einer Infektion mit Streptococcus pneumoniae auf. Auf der Suche nach der erhöhten Immunabwehr in der Lunge wiesen die Wissenschaftler ein spezielles Transportprotein für Antikörper nach: pIgR (polymerer Immunglobulin-Rezeptor). Es wird in einer entzündeten Lunge verstärkt auf den Lungenepithelzellen gebildet. „Das Protein ist dafür bekannt, sekretorische Antikörper aus dem Lungengewebe in den Innenraum der Lungenbläschen zu transportieren“, erklärt Boehme. Sie fanden somit genau dort vermehrt Antikörper, wo viele Atemwegserreger in den Körper einzudringen versuchen.
Dabei scheint die chronische Lungenentzündung für die erhöhte Produktion von pIgR verantwortlich zu sein. Die Forscher hoffen nun auf einen neuen Erklärungsansatz für das Rätsel um die beiden Patientengruppen. „Es könnte sein, dass das Ausmaß der Produktion dieses Transportproteins auf der Lungenschleimhaut die Patientengruppen unterscheidet“, sagt Dr. Andreas Jeron, ein weiterer an der Studie beteiligter Wissenschaftler aus Bruders Labor. Gleichzeitig warnt Bruder vor zu viel Pauschalisierung. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass jeder Patient individuell untersucht werden muss. Auch um zu verstehen, welcher Schweregrad der chronischen Lungenentzündung vorliegt. Es ist anzunehmen, dass eine schwach ausgeprägte Entzündung in der Lunge gleichzeitig besser vor Infektionen schützt, während bei schweren Entzündungsverläufen dieser Schutz nicht mehr zum Tragen kommt.“
In zukünftigen Untersuchungen wollen die Forscher nun herausfinden, ob sich die pIgR-Produktion – und damit auch der Antikörpertransport in die Lungenbläschen – durch gezielte Behandlungen künstlich steigern lässt. Dadurch würde zwar die ursprüngliche Lungenentzündung nicht gemildert werden, gegen verschiedene Erreger von Atemwegsinfektionen könnte dieser Ansatz aber für viele Patienten einen prophylaktischen Schutz bedeuten. (idw, red)
J. D. Boehme, S. Stegemann-Koniszewski, A. Autengruber, N. Peters, J. Wissing, L. Jänsch, A. Jeron, D. Bruder: Chronic lung inflammation primes humoral immunity and augments antipneumococcal resistance. Scientific Reports 2017, DOI: 10.1038/s41598-017-05212-4. https://www.nature.com/articles/s41598-017-05212-4.
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