Schlüsselereignis für die Embryonalentwicklung entdeckt

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Ein muriner Embryo im zweizelligen Stadium: L1-Transkripte sind weiß, die DNA blau angefärbt. Helmholtz Zentrum München
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Obwohl sie also relativ häufig sind, hatte man den Retrosposons bisher kaum Bedeutung beigemessen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Helmholtz Zentrums München zeigten nun mit Kollegen aus den USA, dass Retrotransposons eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Embryos spielen.

 Konkret untersuchte das Forscherteam die sogenannten LINE1 (L1)-Elemente, die häufigsten Retrotransposons bei Säugetieren. „Wir wussten bereits, dass L1-Elemente während der frühen Entwicklung des Embryos besonders oft abgelesen werden und wollten herausfinden, ob und für was das wichtig ist“, erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Maria Elena Torres-Padilla. Sie ist Direktorin des Instituts für Epigenetik und Stammzellen (IES) am Helmholtz Zentrum München und Professorin für Stammzellbiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Im Versuchsmodell konnten die Forscher zeigen, dass besonders im zweizelligen Stadium des Embryos die größte Expression der L1-Elemente stattfindet. Sobald der Embryo sich in die Gebärmutter einnistet, senkt sich die Expression wieder. Um zu untersuchen, welche Rolle diese Beobachtung spielt, veränderte das Team mithilfe künstlicher Transkriptionsfaktoren (transcription activator-like effector, TALE) die Aktivität der Retrotransposons. „Wir fanden heraus, dass ein Zuviel oder ein Zuwenig an L1-Expression die Entwicklung zum Stillstand brachte“, erklärt Dr. Joanna Jachowicz, Wissenschaftlerin am IES und Erstautorin der Studie. „Das bedeutet, dass die Aktivität der Retrotransposons und deren exaktes Timing ein Schlüsselereignis für die nachgeordneten Entwicklungsschritte des Embryos sind.“

Überraschend war, dass dieser Mechanismus weder von der genauen genetischen Sequenz der Elemente abhing, noch von deren Fähigkeit, im Genom zu springen. Vielmehr richtete sich die Aufmerksamkeit der Forschenden auf das sogenannte Chromatin: Dies öffnete sich durch die Expression von L1 und machte ein Ablesen der darin verpackten Gene möglich, während eine geringe L1-Expression dazu führte, dass der Zugang zu den Genen verwehrt blieb.

Die frühe Embryonalentwicklung verstehen

„Die Ergebnisse lassen Retrotransposons in einem ganz neuen Licht erscheinen, da sie im Laufe der Entwicklung die ‚Chromatin-Landschaft‘ formen“, erklärt Torres-Padilla. „Bisher wurde angenommen, dass ihre Aktivierung nur ein Nebeneffekt der Neuordnung des Chromatins nach der Befruchtung ist. Wir konnten nun zeigen, dass speziell die L1-Elemente das Chromatin aber erst für weitere Entwicklungsschritte zugänglich machen. Damit weist unsere Studie großen Teilen des Säugergenoms eine neue Funktion an den Anfängen des Lebens zu.“

Künftig wollen die Wissenschaftler diese Vorgänge weiter aufklären und prüfen, ob auch andere Transposons solche Eigenschaften besitzen. „Langfristig möchten wir die frühe Embryonalentwicklung verstehen“, ergänzt Torres-Padilla. „Das ist eine sehr faszinierende Entwicklungsphase, da sich aus einer einzigen Zelle sämtliche Körperzelltypen entwickeln können.“ Das sei beispielsweise mit Blick auf die regenerative Medizin interessant, die darauf abzielt, Zelltypen und Organe in der Petrischale zu erzeugen.

Weitere Informationen

Mit dem Begriff Retrotransposon wird eine Klasse von DNA-Sequenzen bezeichnet, die den Retroviren strukturell sehr ähnlich ist. Genau wie ihre Verwandten können sie ihre Position ändern und quasi durch das Erbgut ‚springen‘. Die Abkürzung LINE steht für long interspersed nuclear elements. Beim Menschen machen die LINE1-Elemente etwa 17 Prozent des Erbguts aus, bei anderen Säugetieren bis zu 40 Prozent.

Chromatin bezeichnet das Erbgut (DNA) und die Proteine, die es verpacken und organisieren. Je nachdem wie dicht das Chromatin gepackt ist, können bestimmte Gene abgelesen werden oder eben nicht.


Originalpublikation:

Jachowicz, J. et al. (2017): LINE-1 activation after fertilization regulates global chromatin accessibility in the early mouse embryo, Nature Genetics, 2017, DOI: 10.1038/ng.3945

Quelle: Helmholtz Zentrum München, 28.08.2017






 

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