Die Dosiseinsparung spielt eine große Rolle in der medizinischen Diagnostik bei der Anwendung von Strahlung am Menschen. Der Photon-counting detector (PCD) soll eine signifikante Dosiseinsparung ermöglichen – wie ist das möglich?
Die Reduktion der Strahlendosis in Untersuchungen mit dem PCD wird möglich durch die Elimination des elektronischen Rauschens mittels energetischer Schwellenwertsetzung, ein somit verbessertes Signal-zu-Rausch-Verhältnis und einer hohen Empfindlichkeit des Detektors, die es erlaubt, einzelne Photonen zu detektieren und niedrige Dosislevel nachzuweisen.
Das elektronische Rauschen ist ein Charakteristikum jedes Systems, welches Halbleiterelemente bei Raumtemperatur oder darüber benutzt. Es stammt von freien Ladungsträgern, die in Halbleitersystemen bei Raumtemperatur statistisch immer vorhanden sind. Ein klassischer Röntgendetektor zeigt auch ohne Röntgenquelle immer ein vermeintliches Signal (Rauschen) – somit ist während einer Untersuchung eine höhere Dosisgabe notwendig, um ein gewünschtes Signal-zu-Rausch-Verhältnis erzeugen zu können. Dieses elektronische Rauschen kann auch im PCD nicht verhindert, jedoch kontrolliert werden. Im PCD kann zumindest das vom Detektor stammende elektronische Rauschen durch eine Schwellwertsetzung eliminiert werden. Aus Erfahrung weiß man: Alle Signale unterhalb eines bestimmten (energetischen) Schwellwertes können nicht von der Röntgenstrahlung stammen, sind also Rauschen. Bei einem PCD wird nun dieser untere Schwellwert genutzt, um das elektronische Rauschen zu eliminieren. Betreibt man einen PCD ohne Röntgenquelle, bleibt er komplett schwarz (signalfrei). Dies führt zu einer hohen Empfindlichkeit des Detektors, welche es erlaubt, auch einzelne Photonen zu detektieren. Bei einer so hohen Empfindlichkeit ist es dann auch möglich, sehr niedrige Dosislevel nachzuweisen. Hier liegt also der Schlüssel für die Dosiseinsparung.
In bis jetzt publizierten Studien wird von Dosiseinsparungen von 10–70 Prozent für PC-CT gegenüber konventionellem CT berichtet, realistisch sind sicher Werte im Bereich von 50 Prozent. Dabei ist die Akzeptanz dieser Dosislevel natürlich immer in Kombination mit der Bildqualität zu sehen. Man kann sicher erwarten, dass durch den breiten Einsatz von PCD in der medizinischen Bildgebung die Dosiswerte der einzelnen Untersuchungen zurückgehen werden. Gleichzeitig funktioniert der PCD auch als sogenannte „enabling Technology“: zum Beispiel für das Brust-CT-Gerät („nu:view“ der Firma Advanced Breast-CT GmbH), welches PC-Technologie von Direct Conversion/Varex verwendet und dreidimensionale Brustaufnahmen bei Dosisleveln vergleichbar der Mammografie erlaubt. Damit wird dreidimensionale medizinische Bildgebung ohne den Preis höherer Strahlendosis möglich, wo vorher nur zweidimensionale Aufnahmen mit Kompression der Brust der Standard waren.
Der PCD kann einzeln auftreffende Röntgenphotonen registrieren und deren jeweilige Energien messen. Können so Rückschlüsse darauf gezogen werden, aus welcher Art von Wechselwirkungsprozessen diese herstammen und welche Vorteile ergeben sich daraus?
Mit der Verfügbarkeit der Energieinformationen der einzeln auftreffenden Röntgenphotonen eröffnen sich viele neue Möglichkeiten. Welcher Art diese Möglichkeiten sind, ist auch abhängig davon, in welcher Abstufung oder Feinheit diese Energie gemessen wird.
1. Streustrahlenreduktion im Bild: Eine Möglichkeit ist die Reduktion der Streustrahlung im Bild. Misst man beispielsweise mit maximaler Energie von 120 kV, weiß man, dass die mittlere Streustrahlungsenergie bei circa 40 kV liegt. Durch geschickte Schwellwertsetzung kann ein „Streustrahlenfenster“ definiert, dieses dann vom Originalbild subtrahiert und somit der Streustrahlungsanteil im Bild reduziert werden.
2. K-edge-Imaging: Die zweite Möglichkeit ist die Nutzung der Eigenschaften einiger Elemente, die bei Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit ihrer Elektronenhülle eine charakteristische Strahlung aussenden, die sogenannte k-Strahlung, die für jedes Element charakteristisch ist. Mit diesem sogenannten k-edge Imaging können zum Beispiel bestimmte Kontrastmittel hervorgehoben werden, indem energetische Fenster um die charakteristische k-Strahlung dieser Elemente gesetzt werden. Leider gibt es momentan noch keine klinisch zugelassenen Kontrastmittel mit k-Energien im interessanten Bereich (50–90 keV), aber experimentelle Ergebnisse an Phantomen und Tieren deuten darauf hin, dass da einiges möglich ist mit Elementen wie Gadolinium, Samarium, Wismut oder auch Gold-Nanopartikeln. Generell führt die Möglichkeit, bei mindestens zwei Energien aufnehmen zu können auch zu einer besseren Separierbarkeit von den derzeit zugelassenen Jod-basierten Kontrastmitteln, sodass auch für diese die applizierte Dosis verringert werden kann.
3. Spektrale Bildgebung: Der dritte Weg, wie man die zusätzliche Information aus der Photonenenergiebestimmung nutzen kann, ist die sogenannte spektrale Bildgebung. Dabei nutzt man vereinfacht gesprochen die Tatsache aus, dass das energetische Spektrum der Strahlung, die am Detektor gemessen wird, abhängig vom vorher durchquerten Gewebe ist. Lunge oder Leber zeigen beispielsweise jeweils ein anderes Spektrum und aus diesen spektralen Differenzen kann man Rückschlüsse darüber ziehen, um welches Gewebe es sich handelt beziehungsweise ob es dort Veränderungen gibt, die eventuell auf bestimmte Erkrankungen hindeuten. Auch die chemische Zusammensetzung von Geweben oder Materialien, zum Beispiel von Gallensteinen, kann so nicht invasiv bestimmt werden – um nur ein Beispiel zu nennen. Mit der zunehmenden Verbreitung der PCD werden sicher zukünftig noch viel mehr solcher neuen diagnostischen Möglichkeiten genutzt werden.
Die spektrale Bildgebung bedient sich also des Prinzips des materialinhärenten Absorptionskoeffizienten – jedes Gewebe oder Material unterliegt anderen Wechselwirkungsprozessen mit Strahlung, weshalb das von Ihnen beschriebene jeweils andere energetische Spektrum letztlich gemessen werden kann und somit Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Gewebes erlaubt. Inwiefern genau bereichert der PCD diese spektrale Bildgebung?
Prinzipiell ist es, physikalisch gesehen, immer gut, wenn aus einer Messung mehr Informationen erhalten werden können – insbesondere beim Einsatz ionisierender Strahlung. Vergleicht man einen PCD mit normalen Röntgendetektoren, bietet ersterer mehr Informationen – Informationen über die Energie und die Verteilung der einzelnen Quanten in Abhängigkeit von Ort und Material, das durchstrahlt wurde. Und dies sind sehr wichtige Zusatzinformationen, die man auf sehr viele verschiedene Weisen nutzen kann und die vorher nicht verfügbar waren.
Wenn das Photon Counting mit der spektralen Bildgebung bei hoher Dosiseinsparung eine (zumindest aktuell theoretisch) genaue Gewebedifferenzierung ermöglicht – könnte die Kombination dieser beiden Technologien zukünftig die MRT in vielerlei Hinsicht ersetzen?
Nun, ich bin kein Mediziner und das ist eine gewagte Hypothese, die einige Leute bejahen und viele verneinen. Dies wird sich im klinischen Alltag herausstellen müssen. Es ist eine Tatsache, dass es ja schon heute viel mehr Röntgen- und CT-Geräte als MRT-Systeme gibt, unter anderem aus Gründen der Kosten, der Praktikabilität und Komplexität sowie der Untersuchungsdauer. Natürlich kommt ganz speziell das PC-CT dem MRT näher in Bezug auf die diagnostische Aussagekraft, da man mehr Gewebeinformationen erhalten kann. Zu prognostizieren, ob MRT ersetzt oder PC-CT gleichwertig eingesetzt werden kann, traue ich mir nicht zu – das hängt sicher sehr stark von der klinischen Fragestellung ab. Sicher wird aber PCD-Technologie den Stellenwert der Röntgendiagnostik weiter stärken und es dem MRT in Zukunft schwerer machen. Es wird aber immer wieder Anwendungen geben, für welche sich das MRT besser eignet.
Es gibt noch eine weitere sehr interessante Entwicklung in der Röntgentechnologie, die sogenannte Phasenkontrast-Bildgebung – hierbei betrachtet man nicht nur die Energie der einzelnen Photonen, sondern auch die Welleneigenschaften der Strahlung, genauer, die Phasenverschiebung beim Durchgang durch das Gewebe. Die Ergebnisse dieser Art der Bildgebung erlauben zwischen verschiedenen Bildkontrasten zu wählen, so wie es in der MRT schon länger möglich ist. Das Verfahren ist technisch noch etwas anspruchsvoller als PCD, aber durchaus nicht schwieriger als MRT. Persönlich sehe ich die Zukunft der Röntgentechnologie in einer Kombination aus PCD und Phasenkontrast. Beim Röntgen/CT wird man immer den Faktor der höheren Auflösung als Vorteil sehen, dieser wird durch die PCD noch einmal verstärkt. Die Phasenkontrastbildgebung erlaubt den Zugriff auf mikroskopische Gewebeveränderungen und damit ganz neue diagnostische Ansätze, wie derzeit zum Beispiel gerade an der TUM in München mit der ersten klinischen Studie zur Lungenbildgebung und der weltweit ersten Entwicklung eines Phasenkontrast-CT gezeigt wird.
Als Direct Conversion seinen ersten PCD vorstellte, begann die Firma Siemens mit ihren Forschungen zum Photon Counting. Kann man hier von Inspiration sprechen, mit großem Einfluss auf die Zukunft?
Das Thema PCD ist schon seit vielen Jahren in der wissenschaftlichen Welt und der medizinischen Bildgebung präsent. Alle großen Hersteller wie GE, Siemens oder Philips haben ihre eigenen Entwicklungen vorangetrieben – mit unterschiedlichem Erfolg. Siemens hat es aber als Erstes geschafft, die eigene Entwicklung in ein Produkt umzusetzen. Dabei hat Siemens die gesamte technologische Kompetenz, welche ich gerade schilderte, zum großen Teil im Haus aufgebaut. Das ist sehr aufwendig und kostenintensiv und deshalb kann sich dies nur eine sehr große Firma leisten, welche einen entsprechend großen Markt bedient. Ein typisches Muster, das man in der Halbleitertechnologie immer wieder beobachten kann: Die Kompetenz für Halbleitertechnologie ist nur in einigen wenigen Firmen vorhanden, außerdem benötigt man große (Produktions-)Volumina, um Kompetenzen überhaupt entwickeln zu können und die Herstellung wirtschaftlich zu machen. Das Thema war immer präsent. Es wurde nicht direkt durch uns stimuliert, sondern mehr durch technologische Entwicklungen wie schnelle ASICs und große Speicher befördert. Eine Pionierrolle nimmt Direct Conversion/Varex vielleicht insofern ein, als dass wir solche Detektoren auf sehr breiter Front (industriell und medizinisch) in die Anwendung bringen.
In welchen Bereichen neben der medizinischen Bildgebung können PCD eingesetzt werden?
Die industrielle Anwendung der PCD spielt bei Direct Conversion/Varex eine große Rolle – zum Beispiel in der Produktionsüberwachung oder Elektronik-Inspektion. Ein Schwerpunkt liegt derzeit in der Nahrungsmittelindustrie. In der Nahrungsmittelindustrie werden PCD eingesetzt, um Verunreinigungen sichtbar machen zu können, die mit konventionellen Detektoren bisher nicht erkannt werden konnten, wie zum Beispiel Metall, Glas oder zunehmend auch Plastik. Das breite Anwendungsspektrum ist ein großer Vorteil für uns. Dadurch adressieren wir einen sehr großen Markt, erzielen eher große Stückzahlen und wir akkumulieren in verschiedensten Bereichen wichtige Anwendungserfahrung. Dieser Erfahrungsschatz wird durch die Anwender ständig weiter gefüllt und hilft uns wiederum bei der Weiterentwicklung unserer Technologie. Man befruchtet sich also gegenseitig.
Meine letzte Frage bezieht sich auf die Zusammenarbeit mit AB-CT und die für das Mamma-CT speziell zur Verfügung gestellten PCD. Können Sie bitte einmal auf die Besonderheiten dieser Detektoren eingehen? Wie schätzen Sie hier die zukünftige Entwicklung ein?
Die Zusammenarbeit mit der Firma AB-CT GmbH startete lange vor meiner Zeit bei Direct Conversion/Varex und ist sicher zum großen Teil auf den Pioniergeist der beteiligten Initiatoren zurückzuführen. Von unserer Seite war und ist das unser CTO, Christer Ullberg, vonseiten AB-CT war das Prof. Willi Kalender, der eigentlich allen, die sich mit CT befassen, als ein Pionier und Vorreiter neuer Technologien (zum Beispiel Spiral-CT) bekannt ist. Dieser Pioniergeist wird heute unter Leitung seines Sohnes, Benjamin Kalender, dem CEO von AB-CT, fortgeführt. Als die Zusammenarbeit begann, waren unsere Detektoren noch nicht auf dem Niveau, auf dem sie heute sind und viele technische Fragen waren ungeklärt. Umso mehr ist die Leistung der Entwickler von AB-CT zu bewundern, die gemeinsam mit den Ingenieuren von Direct Conversion/Varex einen speziell auf das Mamma-CT zugeschnittenen Detektor entwickeln konnten, der herausragende Bildergebnisse liefert. Die Resonanz sowohl der Anwender als auch der Patientinnen ist überwältigend positiv. Das „nu:view“ genannte Mamma-CT hebt die gynäkologische Diagnostik auf eine ganz neue Stufe unter Wegfall der bei vielen Frauen gefürchteten Brustkompression. Was zukünftige Entwicklungen dieses Systems angeht, sollten Sie die Vertreter von AB-CT direkt fragen. Ich könnte mir einiges vorstellen, von spektraler Bildgebung bis zur Integration von Biopsie oder molekularer Bildgebung, aber dafür sind die Spezialisten bei AB-CT sicher die besseren Ansprechpartner.
Teil 1 des Interviews ist in Heft 12/22 erschienen.
Entnommen aus MT im Dialog 1/2023
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