„Mutter“ der orthopädischen Einstelltechnik

Interview mit Gabriele Hauke
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Gabriele Hauke
Die größte Herausforderung für Gabriele Hauke ist „der Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen“. privat
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Seit 20 Jahren bietet Gabriele Hauke, die als Ltd. MTRA und Lehr-MTA arbeitet sowie Landesvorsitzende R/F für Niedersachsen/Bremen ist, Kurse zur orthopädischen Einstelltechnik an.

2016 gibt es somit reichlich Grund zum Feiern. Mit einer Jubiläumsveranstaltung am 3. September in Hannover soll gebührend gefeiert werden. Lesen Sie im Interview, wie alles angefangen hat.

Können Sie sich noch an die Anfänge der ersten Seminare/Kurse erinnern? Wie fing alles an?
Gabriele Hauke: Ich war eine frisch gebackene Lehr-MTRA und wollte unbedingt unterrichten. Also hatte ich mit einer Kollegin, die mit mir die Ausbildung an der Akademie für Gesundheitsberufe in Münster absolvierte, die erste Fortbildung geplant. Wir hatten persönlich alle uns bekannte Kliniken rund um Hannover abtelefoniert, ihnen eine Einladung zukommen lassen und auf die Resonanz gewartet. Flyer gab es nicht. Mit einem Overheadprojektor und Folien sowie einem Probanden hatte ich das „Schultergelenk aus orthopädischer Sicht“ in Theorie und Praxis präsentiert und demonstriert. Die Aufregung war groß. Die Teilnehmer/-innen hörten interessiert zu. Nach der gelungenen Fortbildung gab es für alle leckere Schnittchen. Da die Veranstaltung sehr gut ankam, beschloss ich im nachfolgenden Jahr wieder eine anzubieten, dieses Mal aber im Annastift Hannover (heute: Diakovere Annastift). Ich nannte sie „Die Septemberfortbildung“, da sie im September stattfand.

Zwei Jahre später folgten die ersten Seminare für die heutige Bildungsgesellschaft des DVTA. Der zu unterrichtende Lehrstoff wurde über die Jahre immer größer, so dass ich schließlich auf Wunsch der Teilnehmer die Unterrichtszeit von 13 auf 15 Unterrichtsstunden pro Kurs erhöhte. Vor zwei Jahren kam dann noch ein dritter Einstelltechnik-Kurs für Anfänger und Wiedereinsteiger dazu. Die Seminare finden in Hannover und in Nürnberg statt. Sie werden bis heute sehr gut besucht und sind teilweise bereits zu Beginn des Jahres ausgebucht. Mit der Zeit kamen auch Kongresse und Inhouse-Schulungen für andere Berufsgruppen wie die Medizinischen Fachangestellten und Orthopäden dazu. Mein damals noch kleiner Sohn begleitete mich als Proband auf vielen Veranstaltungen und Reisen. Heute sind diese Kurse deutschlandweit bekannt und werden auch von Kollegen aus Europa besucht.

Was waren damals Ihre Beweggründe, Seminare/Kurse zur Einstelltechnik zu initiieren?
Gabriele Hauke: Erster Grund: Das wertvolle Wissen um die orthopädische Einstelltechnik weitergeben. Meine Vorgängerin (Ltd. MTRA im Annastift, Frau Sand) besaß eine sehr hohe Fachkompetenz in der Orthopädie. Dieses Wissen gab sie an mich weiter. Ihre exakte Patientenlagerung und daraus resultierende exzellente Röntgenbilder haben mich sehr beeindruckt und fasziniert. Ich verspürte das Bedürfnis, diese Techniken nicht nur für mich zu behalten, sondern das Wissen an andere MTRAs weiterzugeben.

Zweiter Grund: Mangelnde Fachliteratur. Es gab nur ein Buch zur orthopädischen Einstelltechnik und dort waren nicht einmal alle Einstelltechniken erfasst. Meine Chefin hatte ein extra Heftchen, in dem sie die fehlenden Einstellungen beschrieb und zeichnete. So ein kostbares Schätzchen hatte ich mir später selbst dann ebenfalls zugelegt.

Dritter Grund: An den MTA-Schulen wurde die orthopädische Einstelltechnik nicht unterrichtet.

Wie war die Reaktion vonseiten der Ärzteschaft/Klinik auf die ersten Seminare?
Gabriele Hauke: Die Reaktion der Ärzteschaft war großartig. Manche Praxen schickten jährlich ihre komplette Belegschaft nach Hannover, so dass ich sie schon zu meinen Fans erklärte. Mit anderen Kolleginnen verbindet mich bis heute eine sehr tiefe berufliche Freundschaft. Die ausgeteilten Skripte, passend zum Thema der Veranstaltung, waren im Handumdrehen weg. Es gab aber auch Beschwerden und zwar als ich den Septemberkurs bereits im Mai durchführte. Die Teilnehmer hatten sich schon auf den September gefreut und wollten, dass ich den Kurs dann noch einmal wiederhole. Ich musste mich entschuldigen und sie auf das nächste Jahr vertrösten. Im Annastift ist die Septemberfortbildung seit ihrer Entstehung sehr beliebt und wird sowohl intern als auch extern gefördert. Sei es durch den Chef der Röntgenabteilung, Herrn Priv. Doz. Dr. Gossé, oder aber auch durch die Geschäftsführung und die Kollegen/-innen der Röntgenabteilung, welche die praktischen Übungen demonstrierten und mit Rat und Tat zur Seite standen.

Trotz aller Entwicklungen im CT- und MRT-Bereich hat die konventionelle Röntgentechnik nach wie vor ihre Berechtigung. Wenn Sie sich die heutigen Kurse anschauen, was hat sich im Vergleich zu damals am meisten verändert?
Gabriele Hauke: Der Einzug der Digitalisierung hat auch die Arbeit in einer orthopädischen Abteilung verändert. Die Patienten müssen nicht mehr eine volle Tüte von Röntgenbildern mit sich tragen, diese sind nun digital und im Pacs.

Von der Schnelligkeit der Bilderstellung profitiert der Patient am meisten. Dies erleichtert aber auch der MTRA enorm die Arbeit am Patienten. Die so gewonnene Zeit kann zu noch präziserer Einstellung der Röntgenbilder genutzt werden.

Die MTRAs brauchen nicht mehr die langen Kassetten zur Entwicklung in die Dunkelkammer tragen. Das erledigt der Reader. Die Arbeit mit der langen Beinkassette wurde komfortabler. Anfangs gab es nur lange Filme und die benötigten extra lange Röntgentüten. Der Film musste gefaltet werden, damit er in eine Standard-Röntgentüte passte. Heutzutage werden die meisten Bilder automatisch zusammengefügt, die Röntgentüte wird nicht mehr benötigt. Durch das MR und CT werden manche Einstelltechniken wie zum Beispiel die schräge Aufnahme der LWS nicht mehr benötigt. Die konventionelle Einstelltechnik hat aber immer noch ihre Berechtigung und ist aus der Röntgenabteilung nicht wegzudenken. Es ist eine schnelle und günstige Diagnostikmethode.

Können Sie kurz zusammenfassen, wo Sie die Besonderheiten/Schwierigkeiten der orthopädischen Röntgeneinstelltechnik sehen?
Gabriele Hauke: Zu den Besonderheiten der orthopädischen Einstelltechnik zählen das genaue Arbeiten, die präzise Einstellung sowie Aufnahmen, welche die Ganzkörperstatik darstellen. Zu den Schwierigkeiten zählen Zeitdruck und mangelndes Interesse am Fach.

Sie haben den technischen Fortschritt verfolgt, was ist aus Ihrer persönlichen Sicht das Highlight?
Gabriele Hauke: Zu den Highlights zählen die vollautomatisierten und gestitchten Bein- und WS-Aufnahmen im Stehen oder minimal-invasive OPs der Hüfte sowie schonende Kniegelenk-OPs bei Kindern, welche große OPs im Erwachsenenalter hinauszögern und sogar überflüssig machen können. Daraus resultieren wiederum neue Einstelltechniken. Es ist wirklich toll, so eine Entwicklung miterleben zu dürfen! Ein Beispiel ist auch die Unterschenkelaufnahme nach „Saltzmann“ zur Bestimmung der Unterschenkelachse, welche für alle Fußkorrekturen notwendig ist.

Aus Ihrer Erfahrung: Hat sich an den typischen Fehlerquellen im Laufe der Zeit etwas geändert?
Gabriele Hauke: Rechnet man die Fehler, welche aus dem Umgang mit digitalen Systemen resultieren, heraus, so denke ich, hat sich an der Fehlerquote nicht viel geändert hat. Die häufigsten Fehler entstehen immer noch durch falsche Patientenlagerung.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen in der Einstelltechnik?
Gabriele Hauke: Das ist immer noch der Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen. Der demografische Wandel spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle.

Wo sehen Sie die Einstelltechnik in Zukunft?
Gabriele Hauke: Die Automatisierung und Digitalisierung wird sich noch um ein Vielfaches steigern.
Vielleicht ergibt sich irgendwann die Möglichkeit, den Patienten im konventionellen Röntgen mit „einem Schuss“ und einem Röntgenbild vom Kopf bis Fuß zu untersuchen. Damit das Bild dann aber exakt und statisch korrekt ist, benötigt man die fachliche Kompetenz der MTRA.

Kein Roboter ist und wird jemals in der Lage sein, so exakt und individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche des Patienten eingehen zu können.

Und noch eine kurze Frage zu Ihrem Lebenslauf. Wie kamen Sie eigentlich zum MTRA-Beruf?
Gabriele Hauke: Unsere Familie ist medizinisch geprägt. Zum Beispiel arbeitete meine Mutter auf der Entbindungsstation. Ihre Freude am Beruf und die Wertschätzung der Patientinnen bewegte mich sehr. So entschloss ich mich später, selbst die medizinische Richtung einzuschlagen. Nach meinem Abitur in Schlesien absolvierte ich dann ein MTA-Studium, welches in Deutschland mit dem Abschluss eines Bachelors vergleichbar ist.

Der Beruf der MTRA in einer orthopädischen Klinik wie dem Annastift ist mit vielen Besonderheiten und Forschungsprojekten verknüpft, was mich schon immer sehr fasziniert hat.

Sie arbeiten auch als Lehr-MTRA. Was hat Sie bewogen, diesen Weg einzuschlagen?
Gabriele Hauke: Es hat mich motiviert zu unterrichten, mein Wissen weiterzugeben und dem Nachwuchs ein Wegweiser sein zu dürfen. Denn nur als kompetente Fachkraft, die mit Leib und Seele MTRA ist, kann man junge Herzen dafür „entflammen“, den Weg dieses spannenden Berufes ebenfalls einzuschlagen.
Vielleicht macht die eine/r oder andere/r sogar wie ich den Beruf zu seinem Hobby.

Frau Hauke, vielen Dank für das Interview.

Entnommen aus MTA Dialog 08/2016, die Fragen stellte Ludwig Zahn

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