Ihre zunehmende Aktivität in Böden, Gewässern und Nutztieren ist gleichzeitig eine Warnung vor menschengemachten Einflüssen auf das Klima. Diesen für die Umwelt und unser Klima so bedeutenden Mikroorganismus wählte die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) zur Mikrobe des Jahres 2021. In einer Kläranlage fanden Forscher 1972 diesen überraschenden Organismus, der heiße Temperaturen um 65° Celsius bevorzugt und keinen Sauerstoff verträgt. Methanothermobacter gehört zu den Archaeen – einzelligen, sehr ursprünglichen Lebewesen mit außergewöhnlichen Stoffwechselformen. Dabei ist Methanothermobacter äußerst genügsam: Er lebt nur von Wasserstoff (H₂), Kohlenstoffdioxid (CO₂) und wenigen Spurenelementen. Mit Hilfe von 200 Genen und nur in sauerstofffreier Umgebung gewinnt er die für sein Wachstum nötige Energie und bildet dabei Methan (CH₄).
Produktion von „grünem“ Methan
Methanothermobacter kann zu erstaunlich hohen Zellkonzentrationen wachsen. Der Organismus wird daher laut VAAM bereits genutzt, um „grünes“ Methan im industriellen Maßstab herzustellen. Grundlage seien dabei Wasserstoff, der bei der elektrolytischen Spaltung von Wasser gewonnen wird, und im Überfluss vorhandenes CO₂ aus Verbrennungs- und Industrieprozessen. Das bereits in ersten Produktionsanlagen angewandte Verfahren werde als „Power-to-Gas“ bezeichnet. Das gut speicherbare mikrobiell hergestellte Methan könnte einen wichtigen Schritt zu einer Energiewende darstellen, die von fossilen Rohstoffen unabhängig ist.
Sauberes Trinkwasser dank methanogener Mikroben
In Kläranlagen werden jährlich riesige Abwassermengen gereinigt und dem Wasserkreislauf zugeführt, aus dem wir unser Trinkwasser gewinnen. Vor allem Mikroorganismen (Bakterien, Archaeen, Pilze und Protozoen) bauen organische Verunreinigungen (Proteine, Lipide, Zucker) zu einfachen Verbindungen ab und klären so unser Abwasser. Die letzte Abbaustufe findet im Faulturm statt, in dem Methanothermobacter und Verwandte leben. Sie bilden ein Faulgas aus Methan, CO₂ sowie etwas H₂ und Schwefelwasserstoff (H₂S), das zur Stromerzeugung genutzt oder gereinigt in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. In manchen Regionen Afrikas nutzen Menschen die mikrobielle Reinigungswirkung aus Erfahrung: Sie werfen ein totes Weidetier in neu gebaute, recht einfache Kläranlagen. Denn in den Mägen der Kühe, Ziegen oder Schafe leben unzählige methanogene Mikroben, die so die Anlage „beimpfen“ und für eine gute Wasserreinigung sorgen.
Auswirkungen auf den Klimawandel?
In den spezialisierten Mägen der Wiederkäuer helfen Bakterien und Archaeen beim Verdauen von Gräsern. Die methanogenen Mikroorganismen unterstützen dies unter Bildung von Methan. Damit trägt die intensive Weideviehzucht zur weltweit steigenden Produktion des Klimagases Methan bei. Auch in den riesigen bewässerten Reisfeldern setzen methanogene Mikroben Klimagase frei. Der VAAM verweist zudem auf die großen Mengen organischen Kohlenstoffs, der in Dauerfrostböden (Polargebiete und Hochgebirge) gebunden ist. Tauen sie durch die Klimaerwärmung auf, werden Mikroben aktiv und bauen biologisches Material ab. Das daraus freigesetzte Methan beschleunigt als starkes Klimagas in der Atmosphäre den Klimawandel. Noch verharre etwa ein Viertel der Landfläche der Nordhalbkugel im Jahrtausende alten Permafrost; dort dürfte mehr Kohlenstoff gespeichert sein als in der Erdatmosphäre. Die vermehrte Aktivität von Methanothermobacter und ähnlichen Mikroben sei deshalb ein Warnsignal für unser Klima, so VAAM.
Die Mikrobe des Jahres weist auf die bedeutsame Rolle der Mikroorganismen für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft hin. Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) wählen sie jedes Jahr aus, um auf die Vielfalt der mikrobiologischen Welt aufmerksam zu machen.
Quelle: idw/Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V.
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