Leberkrebs: Neue Therapien in Sicht?

Zellen des angeborenen Immunsystems nutzen
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Dr. Bernd Heinrich von der MHH
Dr. Bernd Heinrich untersucht die Rolle des angeborenen Immunsystems zur Bekämpfung von Leberkrebs. © Karin Kaiser/MHH
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Der MHH-Gastroenterologe Dr. Bernd Heinrich sucht nach neuen Therapien gegen das hepatozelluläre Karzinom (HCC).

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist eine der häufigsten Krebserkrankungen weltweit. Allerdings ist laut Krebsinformationsdienst der Leberkrebs in Westeuropa vergleichsweise selten. Etwa 9.500 Personen erkranken demnach jedes Jahr in Deutschland an einem primären Lebertumor. Drei von vier Erkrankten davon sind Männer. Etwa 65 Prozent dieser Tumore sind Leberzellkarzinome. Leberzellkrebs ist bei Männern sogar 4-mal häufiger als bei Frauen. Die Zahl der Neuerkrankungen steigt mit dem Alter an. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 71 Jahre für Männer und 75 Jahre für Frauen, so der Krebsinformationsdienst.

Nichtalkoholische Fettleber verantwortlich

Obwohl Virushepatitis und starker Alkoholkonsum wichtige Risikofaktoren sind, ist die nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) aufgrund ungesunder Ernährung vor allem in den Industrieländern mittlerweile mit eine der Hauptursachen für diese Form von Leberkrebs. Die Behandlung ist schwierig. Es gibt Hinweise, dass bestimmte Immuntherapien, die bereits zur Standardbehandlung bei HCC gehören, bei Betroffenen mit NAFLD nur begrenzt wirken. Dr. Bernd Heinrich, Assistenzarzt an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), möchte daher einen anderen Weg gehen. Er nimmt Zellen des angeborenen Immunsystems in den Fokus, um den Leberkrebs zu bekämpfen. Im Rahmen des renommierten Max-Eder-Nachwuchsgruppenprogramms der Deutschen Krebshilfe erhält der Mediziner eine Förderung über vier Jahre in Höhe von 800.000 Euro und kann seine eigene Arbeitsgruppe aufbauen. „Dadurch bekomme ich die große Chance, meine Forschungsideen umzusetzen“, sagt der Gastroenterologe.

Schutzschild der Krebszellen durchbrechen

Unser Immunsystem verfügt über zwei Verteidigungslinien. Die unspezifische Immunabwehr, das sogenannte angeborene Immunsystem, ist die erste Abwehr gegen die meisten Infektionen und richtet sich unspezifisch gegen alle Krankheitserreger. Die zweite, adaptive Immunabwehr wird auch erworbenes Immunsystem genannt. Hier lernt das Immunsystem, Krankheitserreger gezielt zu erkennen und Antikörper gegen die Eindringlinge zu bilden. Die Standard-Immuntherapien gegen Tumore zielen auf das erworbene Abwehrsystem ab, das durch den Krebs geschwächt wird. Denn obwohl es in manchen Tumoren von Immunzellen nur so wimmelt, greifen sie ihn nicht an. Der Grund: Die Krebszellen senden Signale aus, die den Angriff lahmlegen. Um die „schlafenden“ Immunzellen zu wecken, werden Checkpoint-Inhibitoren eingesetzt: Diese speziellen Antikörper binden an die Oberfläche der Abwehrzellen, die dadurch wieder aktiviert werden und den Tumor attackieren. „Leider sind die Ansprechraten vor allem bei Betroffenen mit Fettleber niedrig“, sagt Dr. Heinrich. Er setzt bei der Krebsabwehr daher auf Vertreter der ersten Verteidigungslinie, die angeborenen lymphoiden Zellen (innate lymphoid cells, ILC).

ILC: Therapeutisches Potenzial weitgehend unbekannt

Bereits kurz nach seiner Promotion als Postdoktorand am National Cancer Institut im US-amerikanischen Bethesda erforschte der Gastroenterologe das Immunsystem in Zellkulturen und Tiermodellen von Leberkrebs und Lebermetastasen. Vor allem interessierte ihn dabei der Einfluss der Fettlebererkrankung auf die Immunantwort in Lebertumoren und die Rolle der ILCs in der unmittelbaren Tumorumgebung. „Das therapeutische Potenzial von ILC für die Immuntherapie ist noch weitgehend unbekannt“, stellt er fest. Mit seiner neuen Arbeitsgruppe will er zunächst klären, welche Rolle diese Immunzellen bei der Krebsabwehr spielen und wie sie im HCC-Tumor mit den Zellen des erworbenen Immunsystems kommunizieren. Dafür werden Proben von menschlichem Tumorgewebe mit gesundem Lebergewebe verglichen und analysiert, welche Immunzellen wann und wo aktiv sind. „So lernen wir, wie das Netzwerk der angeborenen und erworbenen Immunzellen im HCC-Tumor funktioniert und können die Erkrankung besser verstehen“, erklärt Heinrich.

Zytokine sollen Immunzellen aktivieren

In einem nächsten Schritt möchte Heinrich die Zellen des angeborenen Immunsystems so verändern, dass sie effektiver gegen die Krebszellen vorgehen. Das soll mit Hilfe von Zytokinen geschehen. Diese Botenstoffe werden bei einer Reaktion des Immunsystems gebildet und aktivieren bestimmte Abwehrzellen wie ILCs. „Um die auch als Zytokinsturm bekannte überschießende Immunreaktion zu vermeiden, wollen wir die Botenstoffe nicht direkt in die Leber geben, sondern nur ihren Bauplan in Form von mRNA“, erläutert der Nachwuchsgruppenleiter. Dadurch werden die aktivierenden Zytokine erst nach und nach gebildet und der Zytokinspiegel steigt kontrolliert an. Einen zweiten Therapieansatz verspricht sich der Wissenschaftler von einer bestimmten Untergruppe der ILC, die wie Natürliche Killerzellen (NK) arbeiten und den programmierten Zelltod bei Zellen einleiten, die sich nicht als gesunde Körperzelle „ausweisen“ können – etwa Tumorzellen. Diese Sorte ILC kommt bei NAFLD-Betroffenen offenbar weniger häufig vor und könnte ein Grund dafür sein, dass diese Gruppe von HCC-Patientinnen und -Patienten weniger gut auf die bisher eingesetzten Immuntherapien anspricht. Die Arbeitsgruppe will nun gezielt eine Substanz untersuchen, die NK-ähnliche ILC mobilisiert und somit die Anti-Tumor-Antwort verbessern könnte. Funktionieren die Therapieansätze im Mausmodell, könnten sie anschließend in einer klinischen Studie am Menschen getestet werden. „Das ist ein ambitioniertes Programm für vier Jahre“, gibt Heinrich zu. „Wir hoffen aber, unsere Ziele in den vier Jahren Förderzeit erreichen zu können.“

Quelle: idw/MHH

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