Leben retten durch Händewaschen

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Didier Pittet
Didier Pittet Robert-Koch-Stiftung
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Der Schweizer Mediziner Didier Pittet erhält den Robert-Koch-Preis für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention 2017. Vor 25 Jahren legte der Preisträger den Grundstein für eine der erfolgreichsten WHO-Kampagnen zum Schutz der Patientensicherheit.

Für seine bahnbrechenden Leistungen bei der Förderung einer besseren Händehygiene zur Vermeidung nosokomialer Infektionen wird Prof. Didier Pittet mit dem „Preis für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention 2017“ der Berliner Robert-Koch-Stiftung ausgezeichnet. Der Leiter der Abteilung für Krankenhaushygiene an den Genfer Universitätskliniken und Externe Leiter des WHO-Programms „Clean Care is Safer Care“ ist nach Prof. Helge Karch (Münster) und Prof. Petra Gastmeier (Berlin) der dritte Preisträger der 2013 geschaffenen und mit 50.000 Euro dotierten Auszeichnung.

„Durch sein unermüdliches Engagement und seinen Enthusiasmus hat der Preisträger maßgeblich dazu beigetragen, dass sein ‚Genfer Modell der Händehygiene’ zum globalen Standard wurde“, sagt Hubertus Erlen, Vorstandsvorsitzender der Robert-Koch-Stiftung. Die Preisübergabe findet heute in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften statt.

Vorschriften alleine reichen nicht

Millionen Menschen sterben jedes Jahr an sogenannten nosokomialen Infektionen, die sie sich in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen zuziehen. Allein in den USA könnte die Zahl bei jährlich bis zu 200.000 liegen, fürchtet Pittet: „Das entspricht in etwa so vielen Menschen, als würde jeden Tag ein Jumbo-Jet abstürzen.“ Trotzdem kann der Schweizer Mediziner stolz sein auf die bereits erzielten Erfolge. Die von ihm geleitete WHO-Kampagne „Clean Care is Safer Care“ nimmt für sich in Anspruch, fünf bis acht Millionen Menschen pro Jahr das Leben zu retten.

Unter dem Motto „SAVE LIVES: Clean Your Hands“ hat sie sich die verbesserte Händehygiene als eine zentrale Forderung auf die Fahnen geschrieben. In mehr als 50 Ländern gibt es mittlerweile nationale Kampagnen wie „Aktion Saubere Hände", „Mission Mains Propres“ oder „STOP! Clean your hands“. Fast 20.000 Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen aus 177 Ländern oder Regionen - von A (wie Afghanistan) bis Z (wie Zimbabwe) – haben sich als registrierte Teilnehmer verpflichtet, die konsequente Händedesinfektion in den klinischen Alltag fest zu integrieren. Für Didier Pittet ist damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: „Unser Ziel ist es, dass sich unserer Kampagne jedes einzelne Krankenhaus auf der ganzen Welt anschließt.“

Vor genau 25 Jahren, 1992, war Didier Pittet als neuer Direktor des Programms für Infektionskontrolle an den Genfer Universitätskliniken mit dem Problem der mangelhaften Händehygiene zum ersten Mal in verantwortlicher Position konfrontiert worden. Er wollte verstehen, warum die Compliance auch 150 Jahre nach Einführung der hygienischen Händedesinfektion durch Ignaz Semmelweis immer noch dermaßen zu wünschen übrig ließ. Vor allem eine Lektion hat er dabei gelernt, nämlich, dass Vorschriften alleine nicht reichen, um Menschen dazu zu bewegen, dasjenige zu tun, von dem sie eigentlich wissen, dass es richtig und vernünftig wäre.

Ein alkoholisches Desinfektionsmittel

Damals wusch man sich die Hände noch mit Wasser und Seife, was ein bis zwei Minuten in Anspruch nehmen konnte. Pittet setzte sich mit einem Klickzähler auf die Intensivstation. Er kam zu dem Schluss, dass eine Intensivschwester bei der großen Zahl von Patientenkontakten nahezu die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Händewaschen beschäftigt wäre, würde sie sich streng an die Regularien halten. Daraufhin führte Pittet in der Genfer Klinik ein alkoholisches Desinfektionsmittel ein. Sich damit die Hände einzureiben, dauerte nur 10 bis 15, maximal 30 Sekunden. Außerdem tötete es die Keime auf der Haut sehr viel effektiver ab als die herkömmliche Seife.

Pittet machte die Alkohollösung allgemein verfügbar, auf allen Stationen wurden Dispenser direkt an den Krankenbetten installiert. Alle Ärzte und Pflegekräfte bekamen außerdem kleine Kittelflaschen. Überall auf den Klinikfluren wurden von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen selbst entworfene Poster aufgehängt, die zeigten, wie man die Hände richtig desinfiziert.

Der Erfolg ließ nicht auf sich warten. Die Compliance bei der Händehygiene verbesserte sich von 48 auf 66 % Prozent – so das Ergebnis einer im Jahr 2000 im Fachblatt „Lancet“ veröffentlichten Studie aufgrund von mehr als 20.000 beobachteten Situationen, die Maßnahmen zur Händehygiene erforderten. Die Rate nosokomialer Infektionen sank über einen Zeitraum von drei Jahren um mehr als 40 Prozent; bei Infektionen durch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) betrug der Rückgang sogar mehr als 50 Prozent. Hunderte von Menschenleben wurden auf diese Weise gerettet – und zugleich Millionensummen eingespart.

"Genfer Modell der Händehygiene"

Das Beispiel machte Schule. Als erstes Land warb Großbritannien seit 2004 flächendeckend für das „Genfer Modell der Händehygiene“. Wenig später übernahm Pittet die externe Leitung des WHO-Programms „Clean Care is Safer Care“. Zusammen mit internationalen Experten wurden globale Leitlinien formuliert, die sich an der in Genf entwickelten multimodalen Strategie orientierten. Auf großformatigen Plakaten in vielen verschiedenen Sprachen und Dialekten, die auch auf unterschiedliche kulturelle und religiöse Kontexte Rücksicht nahmen, wurden die wesentlichen Handgriffe anschaulich erklärt. „Respekt vor dem religiösen Hintergrund und der kulturellen Vielfalt ist der Schlüssel zum Erfolg“, weiß Pittet.

2014 wurde die alkoholische Lösung zur Händedesinfektion in die Liste der „unentbehrlichen Arzneimittel“ der WHO aufgenommen. Um die Kosten vor allem in den ärmeren Regionen zu senken, entwickelte Didier Pittet zusammen mit Fachkollegen der WHO eine lizenzfrei vergebene Rezeptur - die sogenannte WHO-Alkohol-basierte-Formulierung - nach der in mittlerweile mehr als 60 Ländern alkoholische Händedesinfektionsmittel auf der Basis von Bioäthanol aus Anbaupflanzen wie Zuckerrohr, Mais, Maniok, Reis oder Kartoffeln hergestellt werden. Solche vor Ort fast unentgeltlich verfügbaren Präparate kamen auch beim jüngsten Ebola-Ausbruch in Liberia zum Einsatz.


Quelle: Robert-Koch-Stiftung, 20.09.2017

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