Nur wenige Millimeter lange Bürsten können in der Medizin erfolgreich dafür eingesetzt werden, Zellen schonend aus dem menschlichen Körper zu extrahieren und anschließend zu untersuchen. In der Gynäkologie wird diese Methode bereits seit längerem beim Screening auf Gebärmutterhalskrebs verwendet. Auch in der Urologie haben diese Mikrobürsten eine lange Tradition, indem mit ihnen aus dem Nierenbecken oder den Harnleitern für pathologische Untersuchungen Zellen entnommen werden können.
Die Bürsten bieten nicht nur die Möglichkeit, vitale Zellen zu gewinnen, sondern sind auch für den Patienten, gegenüber anderen Methoden, das am wenigsten belastende Verfahren. Anhand des frischen Gewebes können die Forscher analysieren, welche Gene unter welchen Bedingungen aktiv sind und diese Informationen mit der Situation in gesunden Zellen vergleichen. Um diese Genexpressionsanalysen auch bei Harnblasenkrebs durchzuführen, werden die Zellbürsten jedoch noch nicht eingesetzt. Denn diese Proben müssen bisher unmittelbar nach der Entnahme aufgearbeitet und in flüssigen Stickstoff bei dreistelligen Minusgraden gesichert werden, um vitales Gewebe für spätere Forschungszwecke zu erhalten – zu aufwendig für den Klinikalltag.
Forschende des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) konnten gemeinsam mit Experten des Klinikums Dortmund nachweisen, dass durch eine minimalinvasive Technik Zellen von Patienten mit Harnblasenkrebs in verwertbarer Menge für Genexpressionsanalysen gewonnen werden können. Hierzu kombinierten sie erstmals zwei kommerziell verfügbare Methoden: wiederverwertbare, kostengünstige und wenige Millimeter große Bürsten und ein Kitset, mit dem die Zellen vom Kliniker für molekularbiologische Analysen aufbereitet werden können.
Die Forscher wendeten diese Methode bisher bei 25 Patienten an, denen im Rahmen eines endoskopischen Eingriffs der Tumor entfernt werden sollte. Bei diesem medizinischen Eingriff wurde den Patienten gleichzeitig mit einer Bürste oberflächliches Tumorgewebe und mit einer weiteren Bürste gesunde Schleimhautzellen der Harnblase entnommen. „Die durch den Bürsteneinsatz minimal verlängerte Dauer des Eingriffs ist akzeptabel. Denn wir konnten qualitativ geeignetes Material für eine beachtliche Anzahl von Analysen gewinnen“, sagt Studienautor Dr. Alexander Kress vom Klinikum Dortmund. Zudem können die Bürsten im Klinikalltag unproblematisch gesäubert und sterilisiert werden und durch das Kit entfällt die Konservierung im flüssigen Stickstoff – die Proben können schon im Tiefkühlfach bei -18 Grad gelagert werden.
Diese neue Techniksynthese ermöglicht neue Erkenntnisse über das Harnblasenkarzinom. Auf lange Sicht könnten auch Patienten durch mögliche Fortschritte in der personalisierten Medizin profitieren. „Wenn es gelingt, bestimmte Muster in der Genexpression von Tumorgewebe zu identifizieren, könnten wir dieses Wissen in Zusammenhang mit der individuellen Prognose oder Wahl der geeigneten medikamentösen Therapie stellen“, erklärt Prof. Dr. Klaus Golka, Studienautor und Leiter der Arbeitsgruppe „Klinische Arbeitsmedizin“ am IfADo. Die Methode wäre auch denkbar zur Nutzung in Forschungsprojekten zu Erkrankungen endoskopisch zugänglicher Organe wie dem Darm oder der Lunge. (idw, red)
Kuhn, C., Lehmann, M., Kress, A., Truss, M., Hermes, M., Blaszkewicz, M., Hengstler, J., Golka, K. (2017): Micro-brushing-based technique to gain fresh urothelial cells for gene expression analysis. J. Toxicol. Environ. Health A 80, 411-416. DOI: 10.1080/10937404.2017.1304723.
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