Krankenhauszukunftsgesetz: „Die Einrichtungen müssen sich gut vorbereiten“
4,3 Milliarden Euro haben Bund und Länder mit dem Krankenhauszukunftsgesetz zur Verfügung gestellt, damit die knapp 2.000 Kliniken im Bundesgebiet weiter digitalisieren können. Die Förderrichtlinien des Bundes sind inzwischen klar, aber die Länder, bei denen die Kliniken ihre Anträge einreichen müssen, halten sich mit konkreten Aussagen noch zurück. Dennoch sollten sich Krankenhäuser so bald wie möglich damit befassen, meint Michael Waldbrenner, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Clinical Solutions GmbH.
Herr Waldbrenner, wie wirksam ist das Krankenhauszukunftsgesetz wirklich?
Ich halte es grundsätzlich für einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung: Seit vielen Jahrzehnten stellt auch der Bund den Krankenhäusern wieder IT-Investitionsmittel bereit. Für die Einrichtungen ist das ein wertvolles Signal, denn die Förderung bedeutet: Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens wird mehr und mehr auch als nationale Aufgabe gesehen. Und das ist wichtig, denn Beschlüsse wie das Krankenhauszukunftsgesetz bewirken ein Fokussieren auf gemeinsame digitale Zielbilder. Jetzt gilt es, dafür zu sorgen, dass die Kliniken die 4,3 Milliarden Euro im Fördertopf auch wirklich abrufen können. Denn Fördermittel zu beantragen, ist häufig aufwendiger als gedacht.
Worauf müssen Krankenhäuser achten, wenn sie Fördermittel beantragen?
Der Prozess von der Bedarfsmeldung über den Antrag beim Land bis zur finalen Prüfung durch das Bundesamt für Soziale Sicherung – kurz BAS – ist kompliziert und kann dauern. Deshalb ist es wichtig, dass bereits die Bedarfsmeldung der Kliniken die Ziele der Länder und des Bundes berücksichtigt und die Projekte in diesem Duktus beschrieben werden. Dadurch fällt es den Ländern und dem BAS leichter, Bedarfsmeldungen zu prüfen und positiv zu bescheiden.
Wie geht es dann weiter?
Ob ein Förderantrag negativ oder positiv beschieden wird, hängt auch von den grundsätzlichen Digitalisierungsplänen der Einrichtung ab. Kliniken können zunächst über bereits bekannte Modelle ihren digitalen Reifegrad ermitteln. Daraus ergibt sich der konkrete Handlungsbedarf und die IT-Abteilung kann ein Maßnahmenpaket schnüren. Diese Reifegradmessung ist elementar, denn falls die Einrichtung Fördergelder bekommt, muss sie am Ende nachweisen, dass sie die digitalen Maßnahmen sinnvoll realisiert haben. Außerdem ist entscheidend, dass sie mit qualifizierten IT-Dienstleistern zusammenarbeiten.
Aber welche Kriterien die IT-Dienstleister und Krankenhäuser über die Zertifizierung und bekannten Formulare des BAS hinaus erfüllen müssen, steht wiederum noch nicht fest. Hier sind die Bundesländer gefordert, ihren Kliniken entsprechend transparente Informationen zu geben, ob bestimmte Bereiche stärker im Fokus stehen und welche zusätzlichen Belege und Formulare erforderlich sind. Das Gesetz lässt diese Möglichkeit für die Länder ausdrücklich zu.
Wie können Krankenhäuser ihren digitalen Reifegrad verbessern?
Zum Beispiel, indem sie mit digitalen Technologien die Patientensicherheit verbessern und dabei Ärzten und Pflegenden die Arbeit erleichtern. Ein digitaler Medikationsprozess beispielsweise im Krankenhausinformationssystem sorgt für weniger Fehler bei der Medikamentenvergabe und entlastet gleichzeitig das Pflegepersonal. Das Electronic Medical Records Adoption Model (EMRAM), das den Digitalisierungsgrad von Krankenhäusern beschreibt, bewertet diese Anwendung als Stufe 6 von 7 möglichen. Im Schnitt erreichen Kliniken in Deutschland zurzeit einen Wert von 2,3.
Sicher ist, dass Einrichtungen 15 Prozent der Fördergelder für die Sicherheit ihrer Systeme einplanen müssen.
Genau, und das finde ich vernünftig. Mehr digitale Systeme brauchen auch mehr Sicherheitsmaßnahmen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat im jüngsten Lagebericht festgehalten, dass Ransomware – also Schadprogramme, die zur Erpressung eingesetzt werden – zunehmend auch für Krankenhäuser gefährlich wird. Denken Sie nur an Cyber-Kriminelle, die regelmäßig die IT ganzer Institutionen lahmlegen.
Fehlt es den Gesundheitseinrichtungen am nötigen Bewusstsein für IT-Sicherheit?
Nein, aber ihnen fehlen einfach die finanziellen Mittel und das Personal. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir durch das Krankenhauszukunftsgesetz auch auf die Sicherheit schauen. Die Herausforderung ist: Fördergelder fließen in der Regel nur für neu begonnene Projekte, laufende Kosten bleiben hier außen vor. IT-Sicherheit ist aber ein kontinuierlicher Posten, denn hier findet ein Wettlauf zwischen Angreifern und Betreibern statt. Aus diesem Grund sollten Kliniken beispielsweise auch alle ihre Beschäftigten, die mit Computern arbeiten, regelmäßig schulen. Die Förderung des Bundes kann also für Kliniken nur das Startkapital sein für ein nachhaltiges Sicherheitskonzept.
Stichwort Corona-Krise: Führt uns die Pandemie nicht vor Augen, dass unser Gesundheitssystem noch viel zu wenig digital und vernetzt ist?
Absolut. Wir bekommen gerade wirkungsvoll gezeigt, dass zum Beispiel die Gesundheitsämter nicht so gut ausgestattet sind, wie sie sein könnten. Auch der elektronische Datenaustausch zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten, Apotheken, Physiotherapeuten oder auch Rehakliniken könnte viel einfacher und schneller ablaufen. Es fehlt in Deutschland noch an intersektoralen IT-Konzepten für das gesamte Gesundheitssystem.
Die Fragen stellte Sebastian Mainzer.
- Aktualisierung der (informations-)technischen Ausstattung der Notaufnahme
- Patientenportal für digitales Aufnahme- und Entlassmanagement
- Strukturierte Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen
- Automatisierte klinische Entscheidungsunterstützungssysteme
- Medikationsmanagement, gegebenenfalls mit robotikbasiertem Stellsystem (Unitdose)
- Krankenhausinterner Prozess zur Anforderung von Leistungen
- Strukturierte Abstimmung des Leistungsangebots mehrerer Krankenhäuser, zum Beispiel über ein Cloud-Computing-System
- Online-basiertes Versorgungsnachweissystem für Betten
- Telemedizinische Netzwerkstruktur zwischen Krankenhäusern und ambulanten Einrichtungen.
- Organisatorische und technische Vorkehrungen für Informationssicherheit
- Verringerung der Bettenzahl auf ein oder zwei je Patientenzimmer (COVID-19-Zimmer)
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