Bei manchen Filmen liegt die Spannung förmlich in der Luft – und das nicht nur im übertragenen Sinn. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben während verschiedener Filmvorführungen die Luft in Kinosälen analysiert und festgestellt: Jeder Film hinterlässt ein charakteristisches Muster in der Atemluft.
Spannend oder lustig lässt sich chemisch bestimmen
Ob eine Filmszene spannend, lustig oder eher langweilig ist, lässt sich somit neuerdings auch chemisch bestimmen. Die Mainzer Forscher untersuchten, wie sich die Zusammensetzung der Atemluft veränderte, während Zuschauer Filme unterschiedlicher Genres sahen: Komödien wie „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ und „Buddy“ oder Actionfilme wie „Der Hobbit“ und den Science Fiction-Thriller „Tribute von Panem“. Anhand der Substanzmuster ermittelten die Forscher, wie die Zuschauer auf einzelne Filme reagierten, und zwar Szene für Szene. So konnten sie anhand ihrer Analyse auch rekonstruieren, welche Szene sich auf der Leinwand gerade abspielte. Am eindeutigsten sind die chemischen Muster demnach bei spannenden oder lustigen Szenen.
Signatur bei ‚Tribute‘ war eindeutig
„Die chemische Signatur der ‚Tribute von Panem‘ war sehr eindeutig; wir haben sie bei unterschiedlichem Publikum immer wieder gemessen“, sagt Jonathan Williams, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie. „An der Stelle, an der die Heldin um ihr Leben kämpft, stiegen die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft immer deutlich an“, ergänzt der Atmosphärenchemiker, der mit seinem Team sonst erforscht, welche Moleküle beispielsweise von Regenwäldern emittiert werden. Isopren ist eine von über 800 chemischen Verbindungen, die gesunde Menschen neben Kohlendioxid typischerweise in winzigen Mengen ausatmen. Welche physiologischen Prozesse der Bildung der Moleküle zugrunde liegen, ist jedoch weitgehend unbekannt.
Eine Erklärung für die ansteigenden Kohlendioxid- und Isoprenwerte sehen die Mainzer Wissenschaftler darin, dass sich die Kinobesucher bei aufregenden Filmszenen anspannen, unruhig werden und schneller atmen. Eine andere molekulare Spur als die Spannungsmomente erzeugten lustige Sequenzen in der Atemluft. „Wir können die Massenspektrogramme deutlich voneinander unterscheiden“, sagt Jonathan Williams. Die Forscher wissen aber noch nicht, um welche chemischen Verbindungen es sich genau handelt, die Zuschauer bei lustigen Szenen verstärkt ausatmen.
Menschliche Beitrag zur globalen Konzentration?
„Wir haben uns gefragt, ob sich Szenen, in denen unterschiedliche Gefühle angesprochen werden, chemisch voneinander unterscheiden lassen“, sagt Williams, der sich seit geraumer Zeit für den Atem von Menschenmassen interessiert und seine Geräte auch bereits während eines Fußballspiels im Mainzer Fußballstadion zum Einsatz brachte. Williams wollte nämlich herausfinden, ob der Atem der Menschheit wesentlich zu den Konzentrationen von Spurengasen wie etwa den Treibhausgasen Kohlendioxid und Isopren beiträgt. Der Analyse im Fußballstadion zufolge tut er das nicht, allerdings verlief die Partie auch wenig aufregend und endete 0:0. Daher wollten Jonathan Williams und seine Kollegen die menschlichen Emissionen während emotionalerer Erlebnisse analysieren und verfielen auf Kinovorführungen.
Neue Möglichkeiten für Forschung und Industrie
„Es scheint, dass wir eindeutig messen können, ob Spannung in der Luft liegt.“ Williams sieht in den Atem-Messungen ein großes Potenzial etwa für die Erforschung des menschlichen Atems, die Rückschlüsse auf den Stoffwechsel erlaubt. Messungen in der Atemluft großer Menschenmengen bieten so auch eine Alternative zu Studien an Individuen, für die zunehmend ethische Hürden errichtet werden.
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