FOXR2 heißt das Protein, das auch Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf bei diesen häufigen kindlichen Tumoren zulässt. Es ist bei etwa neun Prozent der Neuroblastom-Patienten vorhanden und meist mit einer schlechten Prognose verbunden. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen nicht nur bei der Einteilung der Patienten in Risikogruppen helfen, sondern auch Ansatzpunkte für neue therapeutische Ansätze liefern. In ihren aktuell veröffentlichten Arbeiten konnten die Forscher des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) nicht nur den Einfluss von FOXR2 auf das aggressive Wachstum von Neuroblastomen nachweisen, sondern auch einen Zusammenhang zwischen FOXR2 und einem weiteren, bereits zuvor bekannten Krebstreiber in Neuroblastomen erkennen: Das Protein MYCN blockiert die Entwicklung von Vorläuferzellen in reife Nervenzellen, sodass sie unbegrenzt teilungsfähig bleiben und zu bösartigen Krebszellen entarten können.
Proben von 1.030 Patienten untersucht
„Wir haben in unseren Studien herausgefunden, dass die MYCN-Konzentrationen in FOXR2-bildenden Tumoren stark erhöht sind und dass MYCN durch FOXR2 stabilisiert wird“, sagt Felix Schmitt-Hoffner, Wissenschaftler am KiTZ und Erstautor der Publikation. „Die übermäßige Produktion von MYCN ist ein bereits bekannter Risikofaktor in Neuroblastomen. Bei dem Stabilisierungseffekt durch FOXR2 könnte es sich um einen alternativen Mechanismus handeln, der den MYCN-Spiegel auch ohne die genomische Vervielfältigung des MYCN-Gens in die Höhe treibt.“ Die Daten der wissenschaftlichen Untersuchung stammen aus der Analyse mit Tumorproben von insgesamt 1.030 Patienten.
Prognosen sehr unterschiedlich
Pro Jahr erkrankt etwa eines von 100.000 Kindern neu an einem Neuroblastom, oft schon im ersten Lebensjahr. Damit sind Neuroblastome eine bei Kindern relativ häufige Gruppe von Tumoren. Sie bilden sich bereits in der Embryonalentwicklung im unreifen Nervengewebe – den Neuroblasten – aus und kommen vor allem in der Nebenniere, der Wirbelsäule, im Halsbereich sowie im Brust-, Bauch- und Beckenraum vor. Neuroblastome sind schwer zu behandeln und häufig therapieresistent. Die Prognosen der erkrankten Kinder sind sehr unterschiedlich: Während bei einem Teil der Patienten die Tumoren spontan ausheilen, nimmt die Krankheitsentwicklung bei einem anderen Teil der Kinder einen sehr ungünstigen Verlauf.
Einteilung in Risikogruppen verbessern
„Mit FOXR2 haben wir nun einen unabhängigen prognostischen Faktor identifiziert, der bei Kindern mit Neuroblastomen die Einteilung in Risikogruppen weiter verbessern kann“, erläutert Marcel Kool, Arbeitsgruppenleiter am KITZ und am DKFZ. „Außerdem könnten unsere Erkenntnisse zur Stabilisierung von MYCN durch FOXR2 die schlechten Prognosen einiger Betroffener erklären und Ansatzpunkte für neue therapeutische Ansätze liefern.“
KiTZ-Wissenschaftler Frank Westermann, Abteilungsleiter am DKFZ und ebenfalls Leiter der Studie, ergänzt: „Um die Erkenntnisse für neue therapeutische Ansätze zu nutzen, suchen wir nun gezielt nach Wirkstoffen, die sich gegen FOXR2 richten“.
Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).
Schmitt-Hoffner F, et al.: FOXR2 stabilizes MYCN protein and identifies non-MYCN-amplified neuroblastoma patients with unfavorable outcome. Journal of Clinical Oncology (online publication 10th of June 2021). DOI: 10.1200/JCO.20.02540.
Quelle: KiTZ/idw
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