Eine mögliche Revolution der Wirkstoffforschung? Um Künstliche Intelligenz führt kein Weg mehr herum, auch nicht in diesem medizinischen Bereich. Doch gerade in solchen Bereichen bietet KI eine enorme Bereicherung. Prof. Gisbert Schneider, Departement Chemie und angewandte Biowissenschaften der ETH Zürich, hat gemeinsam mit seinem ehemaligen Doktoranden Kenneth Atz einen Algorithmus entwickelt, um neue pharmazeutische Wirkstoffe zu entwerfen. Notwendig hierfür ist lediglich die dreidimensionale Form des zu beeinflussenden Proteins.
Neue Moleküle direkt synthetisierbar
Der neue Algorithmus erstellt passend zum gewünschten Protein mögliche Moleküle, welche die Aktivität des Proteins steigern oder hemmen können. Im Labor können diese Moleküle anschließend von Chemikerinnen und Chemikern synthetisiert und getestet werden. Diese neue Entwicklung baut auf der jahrelangen Bemühung auf, die dreidimensionale Struktur von Proteinen zu entschlüsseln und mithilfe von Computerverfahren nach passenden Wirkstoffmolekülen zu forschen. Bisher bestand der Einsatz von KI in diesem Bereich daraus, in mühsamer Handarbeit entwickelte Moleküle zu verbessern. Denn oft waren die eigens entwickelten Moleküle nur schwer oder gar nicht herstellbar.
Die neue KI schließt in die Entwicklung der neuen Moleküle von Anfang an mit ein, dass sie synthetisierbar sein müssen. Zudem werden nur Moleküle vorgeschlagen, die mit dem gewünschten Protein interagieren, kaum mit anderen – Nebenwirkungen werden hiermit so gering wie möglich gehalten. Das KI-Modell greift hierbei auf die Information hunderttausender bekannter Wechselwirkungen zwischen chemischen Molekülen und den Proteinstrukturen zurück.
Praktischer Test bestanden
Mit Kooperationspartnern wie dem Pharmaunternehmen Roche konnte das neue Verfahren bereits getestet und seine Leistungsfähigkeit belegt werden. Gemeinsam suchte man nach Molekülen, die mit Vertretern der PPAR wechselwirken. PPAR sind Proteine, die im Körper den Zucker- und Fettsäure-Stoffwechsel regulieren. Die bereits vorhandenen Medikamente erhöhen die Aktivität der PPAR: Die Zellen können mehr Zucker aus dem Blut aufnehmen und den Blutzuckerspiegel so senken.
Auch die von der KI entworfenen Moleküle zeigten im praktischen Test die gleiche Effektivität wie die der bestehenden Medikamente. Die Substanzen waren auf Anhieb stabil und nicht giftig. Nun findet die KI bereits in anderen Verfahren Einsatz und wird für ähnliche Studien neuer Medikamente eingesetzt. Zudem veröffentlichten die Forschenden den Algorithmus und die dazugehörige Software, um den Einsatz Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit zu ermöglichen. „Mit unserer Arbeit haben wir die Welt der Proteine für die generative KI in der Wirkstoffforschung zugänglich gemacht“, zieht ETH-Professor Schneider sein Resümé. „Der neue Algorithmus hat ein enormes Potenzial.“
Quelle: idw
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