Zielsetzungen der Funktionsdiagnostik sind:
- Beurteilung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit bei gesunden und kranken männlichen und weiblichen Personen vom Kindes- bis zum Greisenalter;
- Präventive Untersuchungen des kardiopulmonalen Systems;
- Abklärung koronarer Herzkrankheit;
- Ermittlung des Arbeitsblutdruckverhaltens zwecks Ausschluss einer Arbeitshypertonie oder eines hyperkinetischen Syndroms;
- Ermittlung einer Herzinsuffizienz unterschiedlicher Genese;
- Ermittlung des Medikamenteneinflusses auf das Leistungsverhalten des Patienten;
- Prä- und postoperative Leistungsbeurteilung;
- Leistungsbeurteilung nach längerer Bettruhe;
- Übungs- und Trainingsdosisempfehlungen für Patienten;
- Gutachterliche Leistungsanalyse, z.B. für versicherungsrechtliche Fragen;
- Wissenschaftliche Untersuchungen.
Entwicklung von Apparaturen und Verfahren
18. Jahrhundert
Die eingangs genannten ärztlichen Aufgaben bzw. Fragestellungen setzen exakte naturwissenschaftliche Bedingungen voraus. Dazu gehört eine präzise Dosierbarkeit und eine exakte Reproduzierbarkeit des Untersuchungsverfahrens. Die historisch wohl ersten Versuche dieser Art gehen auf das Jahr 1789 zurück. Damals untersuchten die Franzosen Lavoisier und Seguin das Stoffwechselverhalten (Sauerstoffaufnahme/min) bei einer dosierten Arbeit. Sie bedienten sich hierzu eines Tretbretts mit einer darunter befindlichen Feder, die durch Fußdrücke unterschiedlicher Intensität zusammengepresst wurde. Man versuchte sowohl die Berechnung der mechanischen Arbeit als auch die Ermittlung der Tretfrequenz pro Minute. Eine luftdichtabschließende Gesichtsmaske ermöglichte die Einleitung der entstandenen Kohlensäure in einen Alkali-Lauge-Behälter (Prinz 1993; Abb. 1).
19. Jahrhundert
Es folgten 1813 Gasstoffwechseluntersuchungen bei körperlicher Arbeit durch den englischen Arzt Prout, wovon aber keine genauen Ergebnisse vorliegen.
Abb. 2: Tretarbeit in englischen Gefängnissen um 1860 (nach Hollmann u. Prinz 1994).
1856 entwickelte der englische Arzt Smith ein tragbares Spirometer und versuchte hiermit Gasstoffwechselmessungen beim Gehen sowie bei Belastungen auf einem Tretrad.
Von 1855 bis 1857 führte der französische Ingenieur Hirn in luftdicht abgeschlossenen Kammern Berechnungen des mechanischen Wärmeäquivalents durch. Es handelt sich vermutlich um die ersten Arbeitsversuche in einem Einschlussapparat. Die ausgeatmete Luft untersuchte Hirn auf ihren Gehalt an Kohlensäure, Sauerstoff und Stickstoff.
Die ersten Versuche mit einer gebremsten Hand-Drehkurbel unter Benutzung einer Respirationskammer gingen 1866 von Pettenkofer und Voigt aus (Tigerstedt 1922, in Prinz 1993).
Das wahrscheinlich erste Ergometer im Sinne heutiger Definition entwickelte der hessische Arzt Speck 1883. Es handelte sich um Drehkurbelergometerarbeit, die im Stehen durchgeführt wurde. Die Kurbelreibung konnte durch Aufsetzen einer Schraube verändert werden. Den Widerstand bestimmte Speck durch Gewichte, welche an die Kurbel angehängt waren, die Zahl der Drehungen pro Minute durch einen sich aufwickelnden Bindfaden. Die Ausatmungsluft sammelte er in einem Doppelspirometer und überprüfte nach Belastungsende die Luftzusammensetzung.
Der Wiener Arzt Gaertner stellte 1887 einen mechanisch gebremsten Apparat vor, mit dem sich die verrichtete Arbeit nach Kilogramm/Meter dosieren ließ. Das später mehrfach produzierte Gerät nannte er Ergostat (Abb. 3).
Abb. 3: In Serie hergestelltes Drehkurbelergometer von Gaertner 1897 (nach Hollmann u. Prinz 1994).
Zuntz, Professor für Physiologie im tierphysiologischen Institut der Universität Berlin, führte 1888 zusammen mit Lehmann erste Gasstoffwechseluntersuchungen mit dem Ergostat durch (Gunga 1989). Im selben Jahr entwickelte Zuntz das erste Laufband der Welt, zunächst für Untersuchungen an Pferden, denen solche an Menschen folgten (Zuntz u. Lehmann 1989; Abb. 4).
Abb. 4: Das erste Laufband der Welt, entwickelt von Zuntz und Lehmann 1899 in Berlin (nach Hollmann u. Prinz 1994).
Das erste Fahrradergometer der Welt entwickelte 1896 der französische Physiologe Bouny in Paris. Ursprünglich wollte er die Kraftanstrengung eines Radfahrers messen. Dabei kam ihm die Idee, eine mechanische Bremse direkt am Hinterrad eines aufgebockten Fahrrades zu installieren (Abb. 5).
Abb. 5: Das erste Fahrradergometer der Welt, entwickelt von Bouny 1896 in Paris (nach Hollmann u. Prinz 1994).
Die Amerikaner Atwater und Benedict ließen 1897 Probanden eine dosierte Arbeit auf einem Fahrradergometer verrichten und untersuchten den Stoffwechsel mittels eines Einschlussapparates, dessen Respirationsteil dem Pettenkoverischen Apparat nachgebaut war (Abb. 6). Ihr stationäres Fahrrad trieb einen Dynamo an, dessen Stromerzeugung und Erwärmung als Maß der verrichteten Arbeit diente.
Abb. 6: Fahrradergometrie mit Untersuchung des Gasstoffwechsels nach Atwater u. Benedict 1900 in den USA (nach Hollmann u. Prinz 1994).
20. Jahrhundert
Diese Arbeitsgruppe, erweitert durch Carpenter und Cady, entwickelte 1912 ein Fahrradergometer, das erstmals mit einer elektromagnetischen Bremse ausgestattet war.
Um 1900 entwickelten Voigt und Zuntz in Berlin ein Fahrradergometer (Abb. 7).
Abb. 7: Von Voigt und Zuntz in Berlin um 1900 entwickeltes Fahrradergometer (nach Hollmann u. Prinz 1994).
1911 stellten Caspari und Zuntz fahrradergometrische Untersuchungen mit eigenen Konstruktionen von mechanischer Bremsung an. Im selben Jahr publizierte der schottische Physiologe Douglas in Oxford einen später nach ihm benannten Gassack, in dem die Ausatmungsluft gesammelt und anschließend auf ihre Zusammensetzung analysiert wurde. Diese Methode hat sich für Felduntersuchungen noch bis in die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gehalten (Abb. 8).
Abb. 8: Gasstoffwechseluntersuchung während des Laufens unter Benutzung des Douglas-Sacks, durchgeführt von Kost 1928 in Königsberg (nach Herbst 1928).
1913 schuf der Däne Krogh aus dem Berliner Benedict-Gerät ein ausreichend eichbares Ergometer. Er ordnete die Elektromagneten frei drehbar um die Achse einer Kupferscheibe an.
1924 entwickelte Knipping in Hamburg einen Apparat zur Gasstoffwechseluntersuchung in Körperruhe, bestimmt für die ärztliche Praxis. Diese Grundumsatzbestimmung sollte ebenfalls bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Rolle spielen.
In den 1920er Jahren entstanden zahlreiche Regulationsprüfungen. Sie erlaubten lediglich eine Aussage über die Art einer Reaktion und somit der körpereigenen Regulation. Am Gebräuchlichsten wurden Steh-, Kniebeugen- und Atmungstests in Verbindung mit der Registrierung von Pulsfrequenz, Blutdruck und EKG. So empfahl man zum Beispiel die Durchführung von 10 Kniebeugen mit Beurteilung der Pulszahl einige Minuten lang nach Belastungsende. Würde ein gut leistungsfähiges Herz vorliegen, sollte die Pulszahl etwa in einer Minute oder früher zum Ausgangspunkt zurückgegangen sein.
Eine andere Regulationsprobe bestand darin, die Zeit zu messen, innerhalb welcher nach tiefer Einatmung der Atem angehalten werden kann. Wenn das Herz gesund sei, könnte der Atmungsvorgang leicht etwa 30 s angehalten werden, während der „Herzschwache“ die Atmungspause nicht über 15 bis 20 s hinaus durchhalten könnte.
Die Ausführung von Kniebeugen wurde auch mit Vorstrecken eines mittelschweren Stuhles empfohlen. Diese Übung sollte aber nur von erwachsenen Männern ausgeführt werden. Bei Jugendlichen und bei älteren Personen wandte man stattdessen geringere Belastungsintensitäten an. Trat spätestens nach 4 Minuten der Erholungsphase keine deutliche Beruhigung von Atmung und Pulsfrequenz ein, so liege ein anormales Verhalten vor. Das sollte als Kriterium für eine zusätzliche Untersuchung in Körperruhe genommen werden (Herxheimer 1933).
Noch weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein bestand der in Deutschland am meisten durchgeführte Regulationstest im sogenannten Schellong-Test. Es handelte sich um eine Übung im Stehen und Liegen mit Puls- und Blutdruckregistrierung. Hiermit konnten zum Beispiel orthostatische Kreislaufregulationsstörungen festgestellt werden, jedoch nicht die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des kardiopulmonalen Systems. Gleiches gilt für die in den 1950er Jahren eingeführten Kipptischuntersuchungen.
Als einen echten Leistungstest entwickelte Master 1929 in den USA den nach ihm benannten Master-Stufentest (Abb. 9). Er sollte sich in den USA zur am meisten benutzen Methode im Sinne von Kreislauffunktionsproben entwickeln und spielte selbst um das Jahr 2000 noch eine prozentual nennenswerte Rolle in amerikanischen kardiologischen Labors. Der Proband musste in einem bestimmten Tempo nach einem Metronom in 90 s zwei Stufen hinauf- und hinuntergehen. Jede Stufe dieser Treppe hatte eine Höhe von 22,86 cm. Die Steigerungszahl richtete sich nach Alter, Geschlecht und Gewicht, wozu Tabellen erarbeitet wurden. Pulsfrequenz und Blutdruck registrierte man vor der Leistung sowie 105 bis 120 s danach, ebenso ein EKG vor und nach der Belastung. Als Faustregel galt, dass Blutdruck und Herzfrequenz nach Ablauf von 2 min zur Norm zurückgekehrt sein sollten. 1963 fügte Kaltenbach in Frankfurt diesem Test eine Sprossenwand hinzu.
Abb. 9: Master Stepptest
Kniebeuge-, Stufen- bzw. Treppensteigetests besitzen im Vergleich zu ergometrischen Untersuchungsmethoden folgende Nachteile:
Die Belastung ist nicht exakt dosierbar. Durch unterschiedliche Schrittlänge sowie durch differierende koordinative Qualität der Bewegungen können erhebliche Wirkungsgradunterschiede entstehen, die sich in Stoffwechselveränderungen mit entsprechenden Auswirkungen auf das kardiopulmonale System manifestieren;
Die Belastung ist nicht exakt reproduzierbar. Hierfür gelten die gleichen Gründe wie soeben genannt. Gewichtsunterschiede bei Vergleichsuntersuchungen ein- und derselben Person können nicht gleichwertig durch Korrekturfaktoren korrigiert werden;
Die Variationsmöglichkeiten der Dosierung sind zu gering. Da das volle Körpergewicht von vorneherein einen Teil der Belastungsgröße darstellt, kann der Kraftaufwand nicht bei null beginnen, sondern bei einer Größenordnung, die das Körpergewicht heben kann. Infolgedessen sind niedrige Arbeitsintensitäten nicht einstellbar und die Belastung nicht hinreichend abstufbar. Höhere Leistungen können nur durch Erhöhung des Bewegungstempos erzielt werden, womit wiederum Wirkungsgradänderungen eintreten.
Bereits 1924 entwickelte der englische Nobelpreisträger A. V. Hill das Prinzip der Ermittlung der maximalen Sauerstoffaufnahme. Sie stellt die äußerste Grenze körperlicher Leistungsfähigkeit im aeroben Sinne dar. Zur Bestimmung dieses Wertes bediente man sich vornehmlich des Douglas-Sacks. So konnte Herbst 1928 in Königsberg maximale O2-Aufnahme bei Gesunden und Kranken beim Radfahren in einem Stadion ermitteln.
1929 baute Knipping in Hamburg sein Grundumsatz-Bestimmungsgerät volumenmäßig und technisch aus und verband die Untersuchung mit einer Drehkurbelarbeit im Stehen. Dieser sogenannte Knipping´sche Stoffwechselapparat setzte sich später weltweit unter der Bezeichnung „Spiroergometrie“ durch. Die Apparatur bestand aus einem geschlossenen System mit einem Spirometer, einer Taschenflasche, einer motorbetriebenen Pumpe und einem Mundstück mit 3-Wege-Hahn zum Anschluss des Patienten. Jede respiratorische Bewegung innerhalb dieses geschlossenen Systems wurde auf einen Kymographen übertragen, der mittels einer Schreibfeder die Spirometerbewegungen auf geeichtes Papier übertrug. So konnten kontinuierlich die Atemfrequenz, die Atemtiefe, das Atemminutenvolumen, die O2-Aufnahme und die CO2-Ausscheidung registriert werden. Das Gerät fand schnell weltweite Verbreitung und gehörte wenige Jahre später gewissermaßen zur Standardausrüstung einer Klinik für innere Krankheiten.
Darum kann das Jahr 1929 als die Geburtsstunde der klinischen Leistungsdiagnostik bezeichnet werden.
Das von Knipping bereits 1928 entwickelte Dynamoergometer bestand aus einer Handkurbel mit verstellbarem Handgriff.
Durch die neuartige Apparatur mit ihren Untersuchungsmöglichkeiten ergaben sich neue Kriterien zur Beurteilung der kardiopulmonalen Funktion. Dazu zählten der Atemgrenzwert, die Atemreserve, die respiratorische Ruheinsuffizienz, die respiratorische Arbeitsinsuffizienz.
1938 prägte Knipping die Bezeichnung „Arbeitsinsuffizienz von Herz und Kreislauf“. Hier wurde bereits differenziert mit dem Begriff der Arbeitsinsuffizienz des Herzens im Gegensatz zum symptomlosen Befund in Körperruhe gearbeitet.
Kelso und Hellebrandt beschrieben 1934 ein elektrodynamisches Fahrradergometer, E. A. Müller in Dortmund vom dortigen Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie ein Fahrradergometer mit einem Drehstrommotor und einem Getriebe, welches eine stufenlose Regulierung zwischen 0 und 48 km/h ermöglichte. Es wurde 1940 von E. A. Müller modifiziert und schließlich 1950 zu einem Fahrradergometer einer solchen Qualität ausgebaut, dass es in seiner Exaktheit über Jahrzehnte unübertroffen blieb.
Die Firma Dargatz in Hamburg entwickelte 1949 das Dargatz-Wirbelstromergometer, welches für spiroergometrische Untersuchungen 1½ Jahrzehnte den Maßstab setzte. Es arbeitete ohne Zahnräder und Ketten mit einem übersetzungslosen Kurbelergometer. Jede Leistung konnte mit beliebiger Drehzahl eingestellt werden. Es handelte sich um eine im Stehen verrichtete, weit ausholende Drehkurbelarbeit.
1949 entwickelte die Firma Dargatz ebenfalls ein neues Spirographensystem für Arbeitsuntersuchungen. Bis zu dem Zeitpunkt hatten die einschlägigen Geräte naturwissenschaftlichen Anforderungen nur beschränkt genügt. Darum gelang der Spiroergometrie der eigentliche Durchbruch als Routineuntersuchungsmethode für klinische Zwecke erst in den 1950er Jahren, in den USA ca. 20 Jahre später als in Europa.
Die erste, nach dem Zweiten Weltkrieg gebaute Spiroergometrieanlage wurde auf Geheiß des Kölner Klinikdirektors Knipping in der Sporthochschule Köln aufgestellt, um Normwerte für das Leistungsverhalten von Herz, Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel an gesunden Personen zu gewinnen. Das geschah in einer vierjährigen Tätigkeit (Hollmann u. Tietz 1949-1953; Abb. 10, 11).
Abb. 10: Ruhephase vor Beginn einer spiroergometrischen Untersuchung 1949 in der Deutschen Sporthochschule Köln. Das Spirographensystem war das erste, nach Kriegsende hergestellte dieser Art (nach Hollmann u. Tietz 1955).
Abb. 11: Im Stehen durchgeführte Drehkurbelergometerarbeit mit dem Spirographensystem der Firma Dargatz 210 in der Medizinischen Universitätsklinik Köln.
Der Nachteil der Drehkurbelarbeit im Stehen besteht in der Schwierigkeit, den Arbeits-Blutdruck messen zu können. Da es sich hier um ein präventiv und therapeutisch wichtiges Kriterium handelt, ersetzten wir 1954 das Drehkurbelergometer durch das E. A. Müller‘sche Fahrradergometer (Hollmann, Abb. 12).
Abb. 12: Im Sitzen auf dem Fahrradergometer durchgeführte Spiroergometrie mit gleichzeitiger optischer und akustischer Registrierung des Arbeits-Blutdruckverhaltens in der Deutschen Sporthochschule Köln 1955 (nach Hollmann u. Sander).
Das besagte Fahrradergometer arbeitete mit einer Kette, deren Geräusch sich so intensiv auf den Körper ausdehnte, dass eine Blutdruckmessung mit Stethoskop nach wie vor unmöglich war. Das brachte uns auf die Idee, ein frequenzgesteuertes Mikrophon zu entwickeln, welches in die Blutdruckmanschette eingebaut wurde und sich dann in der Ellenbeuge befand. Zusätzlich wurde ein Lautsprecher eingearbeitet bei gleichzeitiger schriftlicher Registrierung des Blutdrucks mittels eines Fallbügelschreibers (Hollmann u. Sander 1955). Damit wurde es international erstmalig möglich, bei jedem Patienten beliebig oft den Arbeits-Blutdruck zu ermitteln.
Die Firma Elag in Köln übertrug gemäß unseren Angaben das System auch auf Blutdruckmessgeräte für Ruheuntersuchungen durch den Nicht-Arzt (1958). Das war die Geburtsstunde der Möglichkeit, dass sich jedermann ein solches Gerät beschaffte – später in Apotheken – und somit ein von Hollmann 1957 präzisiertes Wunschziel erreicht werden konnte, die Eigenblutdruckmessung speziell beim Hypertoniker mit entsprechend angepasster Medikamentendosierung.
In der Medizinischen Universitätsklinik Köln musste jeder Patient, unabhängig von der Diagnose, spiroergometriert werden, falls keine Kontraindikationen vorlagen. Das einzige zuverlässige Kriterium war die maximale Sauerstoffaufnahme/min. Sie setzte aber die maximal mögliche Beanspruchung des Patienten voraus, was uns junge Ärzte aber immer wieder ängstigte. Darum machte ich mir als zusätzlich biochemisch Ausgebildeter Gedanken, ob es nicht möglich wäre, ein anderes Kriterium zu finden, welches nur submaximale Belastungen erforderte. Nach vielen Monaten vergeblichen experimentellen Arbeitens entdeckte ich zufällig, dass das Atemminutenvolumen und der arterielle Milchsäurespiegel (Laktat) bei ansteigender körperlicher Arbeit streng parallel anstiegen. Das bedeutete mit anderen Worten, dass es eine höchste Belastungsstufe gab, die noch ohne nennenswerte zusätzliche Milchsäurebildung bewältigt werden konnte. Das war die Entdeckung der heute sogenannten aerob-anaeroben Schwelle und löste die Welle der Laktatdiagnostik auch international aus.
Mitte der 1960er Jahre wurden die bis dahin geschlossenen Spirographensysteme durch offene Systeme mit elektronischer Messeinrichtung mehr und mehr ersetzt. Nur das Fahrradergometer blieb zunächst noch das alte. Angestoßen durch zwei amerikanische Besucher, bemühten wir uns jedoch ab 1970 um die Entwicklung eines computerisierten und elektronischen Fahrradergometers. 1974 war es erreicht: die Firma Keiper (Kaiserslautern) stellte für uns das „Dynavit“ her, welches nach unseren Anweisungen gebaut war. Es wird heute als der Stammvater aller computerisierten und elektronischen Fahrradergometer bezeichnet (Abb. 13).
Abb. 13: Das erste voll elektronisierte und computerisierte Fahrradergometer (nach Hollmann u. Liesen 1974), gebaut von der Firma Keiper in Kaiserslautern.
Eine weitere Entwicklung machte die Spiroergometrie ab Mitte der 1980er Jahre durch. Einer italienischen Firma gelang es, ein tragbares Spiroergometriesystem herzustellen, welches auch bei Sportausübung die bekannten Kriterien ermittelte (Fa. Cosmed). Weitere Modelle dieser Art sollten in der Nachfolgezeit entstehen.
21. Jahrhundert
Heute gehört die spiroergometrische Untersuchung zu den Standardmaßnahmen der Medizin. Selbst an Bord von Weltraumstationen trifft man sie an. Gewiss wird die Zukunft weitere technische Entwicklungen erbringen, aber das Prinzip wird bleiben.
Abb. 14: Tragbares Gerät zur Messung von Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidausscheidung während sportlicher Tätigkeit der Firma Cosmed (nach Hollmann u. Strüder 2009).
Literatur
1. Hollmann W, Strüder HK. Sportmedizin – Grundlagen für körperliche Aktivität, Training und Präventivmedizin. Schattauer Verlag, Stuttgart (2009).
2. Hollmann W, Strüder HK, Predel HG, Tagarakis CVM. Spiroergometrie – kardiopulmonale Leistungsdiagnostik des Gesunden und Kranken. Schattauer Verlag, Stuttgart (2006).
3. Hollmann W, Prinz JP. Zur Geschichte und Bedeutung der kardiopulmonalen Arbeitsuntersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Spiroergometrie. Z Kardiol 83: 247 (1994).
Der Autor:
Wildor Hollmann
Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin
Deutsche Sporthochschule Köln
em. Univ.-Prof. mult. Dr. med. Dr. h. c. mult. Wildor Hollmann
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
Hollmann@dshs-koeln.de
www.dshs-koeln.de
Entnommen aus MTA Dialog 12/2015
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