Herzinfarkt bei Hitze: Betablocker und Co. besser weglassen?

Wie Herz-Kreislauf-Medikamente bei hohen Temperaturen wirken
ab
Herzinfarktrisiko bei Hitze nach Betablocker und Co. höher
Ein akuter Herzinfarkt kann auch durch Hitze ausgelöst werden. Welche Rolle spielen dabei die Medikamete? © hedgehog94/stock.adobe.com
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.


Für Menschen mit koronarer Herzkrankheit können Betablocker zwar die Lebensqualität verbessern und Thrombozytenaggregationshemmer das Risiko eines Herzinfarkts senken. Doch an besonders heißen Tagen kann eine gegenteilige Wirkung eintreten, wie eine aktuelle Studie zeigt.  

Bekannt ist, dass Umweltfaktoren, wie Luftverschmutzung und niedrige Außentemperaturen, Herzinfarkte auslösen können. Darüber hinaus zeigt sich immer deutlicher, dass ein akuter Herzinfarkt auch durch Hitze ausgelöst werden kann. Allerdings war bisher unklar, ob Patient:innen, die bestimmte Herz-Kreislauf-Medikamente einnehmen, ein höheres Risiko aufweisen, an heißen Tagen einen Herzinfarkt zu erleiden, als Patient:innen ohne diese regelmäßige Medikamenteneinnahme. Dieser Frage gingen Forschende des Helmholtz Munich Instituts für Epidemiologie auf den Grund und zogen für ihre Analysen Daten des Herzinfarktregisters Augsburg der Jahre 2001 bis 2014 heran. Insgesamt konnten 2.494 Fällen während der Monate Mai bis September betrachtet werden.

Anstieg des Herzinfarktrisikos um mehr als 60 %

Es zeigte sich an heißen Tagen im Vergleich zu kühleren Kontrolltagen ein signifikant erhöhtes Risiko für nicht-tödliche Herzinfarkte bei Patient:innen, die Thrombozytenaggregationshemmer bzw. Betablocker einnahmen im Vergleich zu Patientinnen und Patienten, die diese Medikamente nicht einnahmen. Die Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern war mit einem Anstieg des Risikos um 63% und die Einnahme von Betablockern mit einem Anstieg des Risikos um 65% verbunden. Patientinnen und Patienten, die beide Medikamente einnahmen, hatten ein um 75% höheres Risiko. Bei Nichtanwendern dieser Medikamente war die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts an heißen Tagen nicht erhöht. Interessant ist auch, dass der Effekt der Medikamenteneinnahme in der jüngeren Altersgruppe (25–59 Jahre) stärker als bei älteren Betroffenen (60–74 Jahre) war, obwohl letztere häufiger bereits zugrunde liegende koronare Herzerkrankungen aufwiesen.

Mögliche Gründe für das erhöhte Risiko

Die Forschungsergebnisse beweisen nicht, dass diese Medikamente bei Hitze die Herzinfarkte verursacht haben. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler spekulieren jedoch auf Grund dieser Daten, dass die Einnahme der Medikamente die Thermoregulation im Körper, also die Anpassung an hohe Temperaturen, erschwert. Somit könnte die Medikamenteneinnahme diese Patientinnen und Patietnten tatsächlich empfindlicher gegenüber Hitzeexposition machen. Denkbar ist allerdings auch, dass die zugrunde liegende schwere Herzerkrankung, sowohl die Verschreibung der genannten Medikamente erklärt, als auch die höhere Empfindlichkeit dieser Patientinnen und Patienten gegenüber Hitze.

Jüngere besonders gefährdet?

Gegen letztere Hypothese spricht, dass zum einen der beobachtete Risikoanstieg durch die Medikamenteneinnahme besonders stark in der an sich gesünderen und jüngeren Patient/-innengruppe auftrat. Darüber hinaus konnte bei keinem weiteren Medikament, das häufig von Herzpatientinnen und -patienten eingenommen wird, eine Risikoerhöhung bzgl. das Auftretens von Herzinfarkten bei Hitze beobachtet werden (mit Ausnahme bei der Einnahme von Statinen).

Besondere Vorsicht bei Hitzewellen

„Die Ergebnisse legen nahe, dass Herzinfarkte mit fortschreitendem Klimawandel und damit verbundenen häufigeren heißen und sehr heißen Tagen zu einer größeren Gefahr für Patientinnen und Patienten mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden können“ erklärt Forschungsgruppenleiterin Dr. Alexandra Schneider. Besonders während Hitzewellen sei es für Betroffene daher ratsam, vorsichtig zu sein und sich im Kühlen aufzuhalten. „Welche Untergruppen der Bevölkerung am anfälligsten für diese Umweltextreme sind und damit am meisten von einem auf sie zugeschnittenen gesundheitlichen Hitzeschutz profitieren würden, ist aber noch unklar und bedarf weiterer Forschung“, so die Wissenschaftlerin. Vor allem die Wirkung der Medikamente auf die Thermoregulation, die veränderte Wirksamkeit der Medikamente bei Hitze sowie das Zusammenspiel von Medikamenten mit gesundheitlichen Hitzefolgen wie Dehydrierung, müsse noch besser erforscht werden. „Nur dann können Hausärzte auf angekündigte heiße Tage und Hitzewellen reagieren und die Medikation ihrer Patient:innen kurzfristig entsprechend anpassen“ erläutert die Forscherin.

Originalpublikation
Kai Chen  et al.: Triggering of myocardial infarction by heat exposure is modified by medication intake, Nature Cardiovascular Research. DOI: 10.1038/s44161-022-00102-z

Quelle: Helmholtz Zentrum München

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige