Hämochromatose: Base Editing als Hoffnungsträger

Erste Mausversuche waren erfolgreich
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(von links): Professor Dr. Michael Ott, Dr. Simon Krooss und Erstautorin Dr. Alice Rovai
Haben einen Weg gefunden, den Erbgutdefekt bei der Eisenspeicherkrankheit zu korrigieren (von links): Professor Dr. Michael Ott, Dr. Simon Krooss und Erstautorin Dr. Alice Rovai. © Karin Kaiser / MHH
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Ein Forschungsteam setzt die CRISPR/Cas-Technologie zu Reparatur der C282Y-Mutation bei primärer Hämochromatose ein. Erste Untersuchungen bei Mäusen sind viel versprechend.

Die hereditäre Hämochromatose ist eine genetische Krankheit; sie ist durch die exzessive Akkumulation von Eisen (Fe) im Gewebe charakterisiert, die zu Gewebeschäden führt. Das klinische Bild dieser auch als Eisenspeicherkankheit bezeichneten Störung umfasst systemische Symptome, Lebererkrankungen bis hin zum Leberkrebs, Kardiomyopathie, Diabetes (Bronzediabetes) und Gelenkerkrankungen. Die Diagnose erfolgt durch erhöhte Serumferritin-, Eisen- und Transferrinsättigung und wird durch einen Gentest bestätigt. Normalerweise besteht die Behandlung in wiederholten Aderlässen.

Ursache ist ein Gendefekt

Ursache ist ein Gendefekt, der die Regulierung der Eisenaufnahme über die Dünndarmschleimhaut stört. Ein Forschungsteam um Professor Dr. Michael Ott und Dr. Simon Krooss aus der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt möglicherweise einen Weg gefunden, die Erbkrankheit mit Hilfe einer gezielten Genkorrektur zu behandeln.

„Die Eisenspeicherkrankheit beruht in den meisten Fällen auf einem Defekt im Hämochromatose-Gen HFE, das auf Chromosom 6 liegt“, sagt Professor Ott. Sie tritt nur bei Menschen auf, die diesen Defekt von beiden Elternteilen geerbt haben, also kein „gesundes“ Gen als Ausgleich besitzen. Bei mehr als 80 Prozent der Betroffenen findet sich in beiden Ausfertigungen des HFE-Gens eine bestimmte Veränderung, C282Y-Mutation genannt. Diese führt zum Austausch einer Aminosäure – also eines Eiweißbausteins – im HFE-Protein. Das HFE-Protein verliert dadurch seine Fähigkeit, die Eisenaufnahme in die Darmzellen zu steuern. Um die Eisenspeicher zu leeren und die Eisenkonzentration im Körper zu normalisieren, müssen Patientinnen und Patienten lebenslang Aderlässe in Kauf nehmen. „Das ist belastend und funktioniert zudem nicht bei allen“, gibt der Hepatologe zu bedenken. Medikamente, die das Eisen direkt im Körper binden und so neutralisieren, sind aufgrund starker Nebenwirkungen ebenfalls nicht ideal.

Einsatz von Base-Editing

Die MHH-Forscherinnen und -Forscher verfolgen deshalb einen anderen Ansatz. Sie nutzen die körpereigenen Reparaturmechanismen, um das defekte HFE-Gen zu reparieren. Mit Hilfe der als „Genschere“ bekannten CRISPR/Cas-Technologie und einem mitgeführten biotechnologischen Werkzeug haben sie gezielt einen winzigen fehlerhaften Baustein im mutierten HFE-Gen verändert (Base-Editing). Das Besondere dieser Genreparatur: Die Genschere wurde so eingesetzt, dass sie nicht wie in der klassischen Anwendung einfach den DNA-Doppelstrang an der gewünschten Stelle komplett zerschnitt. „Der Doppelstrangbruch birgt immer auch ein gewisses Risiko für unerwünschte Mutationen“, sagt der Arzt und Wissenschaftler. Beim Base Editing werden die beiden Einzelstränge dagegen voneinander gelöst und nur einer von ihnen verändert. „Dadurch startet die Zelle automatisch ihr natürliches Reparaturprogramm und baut das korrekte Nukleotid auch im zweiten Strang ein, so dass die C282Y-Mutation im gesamten Doppelstrang verschwindet“, erklärt Dr. Krooss.

Untersuchungen bei Mäusen

Diesen biotechnologischen Trick hat das Forschungsteam im Mausmodell untersucht. Mit einer einzigen Injektion lag die Rate der Genkorrektur bei zwölf Prozent. „Das ist ein großer Erfolg, denn die meisten genetischen Erkrankungen lassen sich schon kontrollieren, wenn fünf Prozent der Zellen das korrekte Gen aufweisen“, betont Dr. Alice Rovai, Erstautorin der Studie. Die Eisenwerte im Blut seien vier Monate nach dem Eingriff bereits deutlich gesunken. Außerdem rechnen die Forscherinnen und Forscher damit, dass sich nach zwölf Monaten eine weitere Senkung des Eisenspiegels zeigen wird. „Das Reparatursystem ist träge, es dauert also eine gewisse Zeit, bis weitere Leberzellen die Genkorrektur vornehmen.“

Nur den mRNA-Bauplan versenden

Doch das Forschungsteam will mehr. Bislang haben sie das CRISPR/Cas-System mit dem molekularen Werkzeug in einem sogenannten viralen Vektor – auch als Gentaxi bezeichnet – verpackt und per Injektion in die Maus verabreicht. In einem nächsten Schritt wollen die Forscherinnen und Forscher versuchen, nur den mRNA-Bauplan für das Base-Editing-System zu versenden – ähnlich wie bei den mRNA-Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. „Das ist sicherer und effizienter, weil wir auf den viralen Vektor verzichten können, und erhöht die Erfolgsrate möglicherweise auf 30 bis 40 Prozent“, hofft Dr. Krooss. Gelingt das und funktioniert die Anwendung dann auch beim Menschen, könnte eine einzelne Injektion in Zukunft schwer an Hämochromatose erkrankte Menschen vor Leberkrebs und Organentfernung bewahren. „Injektion statt Transplantation“, sagt Leberforscher Ott. Zudem könnte das Base-Editing eine Therapiemöglichkeit für viele angeborenen Erkrankungen sein, deren Ursache ein einzelnes schadhaftes Gen ist.

Literatur:
Rovai A, Chung B, Hu Q, et al.: In vivo adenine base editing reverts C282Y and improves iron metabolism in hemochromatosis mice. Nat Commun 13, 5215 (2022), DOI: doi.org/10.1038/s41467-022-32906-9.

Quelle: idw/MHH

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