Glioblastome gehören zu den häufigsten im Erwachsenenalter auftretenden Tumoren des Gehirns. Sie wachsen meist innerhalb weniger Monate deutlich und sind äußerst aggressiv. Das heißt, die üblichen Therapieoptionen wie die chirurgische Entfernung des Tumors, Bestrahlung und Chemotherapie sind selten nachhaltig erfolgreich; meist tritt der Tumor erneut auf (Rezidivbildung). „Obwohl neurochirurgische Operationsmethoden und die begleitenden Therapien in den vergangenen Jahren stetig verbessert wurden, können wir mit der Prognose von Patienten mit Glioblastom nach wie vor nicht zufrieden sein“, erläutert Professor Marc-Eric Halatsch, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Ulm.
Neuer Therapieansatz
Dies wird hoffentlich der neue Therapieansatz ändern, für den die klinische Studie im Oktober vorläufig ausgewertet wurde. „Die bisherigen Ergebnisse sind ermutigend“, berichtet Studienleiter Halatsch. „Die Patienten vertragen die eingesetzten Medikamente in einer Weise, wie wir sie aus anderen Zweit- und Drittlinientherapien kennen.“ Zweit- und Drittlinientherapien können auf eine erste Therapie folgen, wenn der Tumor auf diese nicht mehr anspricht.
Von November 2016 bis dato wurde bzw. wird insgesamt zehn Glioblastom-Patienten/-innen eine Wirkstoffkombination von neun Medikamenten namens CUSP9v3 (Coordinated Undermining of Survival Paths by 9 Repurposed Drugs, Version 3) verabreicht, wobei die zuletzt eingeschlossene Studienteilnehmerin erst seit 6 Monaten behandelt wird; der Tumor ist bei ihr in diesem Zeitraum nicht erneut gewachsen. Die vielversprechende Zwischenauswertung der „Proof-of-Concept“-Studie wurde Mitte November bei der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für Neuroonkologie in New Orleans (USA) vorgestellt.
Zusätzlich niedrig dosierte Chemotherapie
Zusätzlich zu den neun Studienmedikamenten erhielten bzw. erhalten die Studienteilnehmer/-innen noch eine niedrig dosierte Chemotherapie. Alle Patienten/-innen hatten vor Teilnahme an der Studie bereits eine Standardtherapie inklusive Operation und Bestrahlung hinter sich gebracht, bevor der Tumor erneut aufgetreten war. Können die positiven ersten Ergebnisse im Verlauf der nächsten sechs Monate bestätigt werden, ist eine größere klinische Folgestudie geplant. Für die aktuelle Studie werden keine neuen Teilnehmer/-innen gesucht.
Auf die unkonventionelle Idee, mehrere Wirkstoffe kombiniert einzusetzen, kam Professor Halatsch im Jahr 2013 gemeinsam mit dem amerikanischen Psychiater Dr. Richard Kast. Die Mediziner fragten sich, ob ein einzelner Wirkstoff möglicherweise zu wenig sei, um die aggressive Tumorart zu bekämpfen. Sie begannen daraufhin, nach Wirkstoffen zu suchen, die die Mechanismen stören, die für das Tumorwachstum verantwortlich sind. Bei ihrer Recherche prüften die Forscher vor allem auch in der Praxis bewährte, nebenwirkungsarme Wirkstoffe, die normalerweise zur Behandlung anderer Erkrankungen zur Anwendung kommen, zum Beispiel bei Pilzerkrankungen, HIV-Infektionen oder Bluthochdruck. Letztlich konnten Halatsch und Kast neun geeignete Präparate identifizieren, darunter auch Wirkstoffe, die bei Alkoholabhängigkeit, chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen, Depressionen oder zur Linderung von Übelkeit infolge einer Chemotherapie eingesetzt werden.
Glaube an das Potenzial
Gefördert wird die Studie von der belgischen Stiftung Anticancer Fund. „Wir sind uns bewusst, dass die Therapie mit einer Kombination von neun Präparaten in Verbindung mit einer Standardbehandlung äußerst ungewöhnlich ist“, begründet der Ärztliche Direktor des Anticancer Fund, Dr. Guy Buyens, die finanzielle und wissenschaftliche Unterstützung. „Wir sind jedoch fest davon überzeugt, dass das Verwenden von Wirkstoffen zu einem anderen als ihrem ursprünglichen Zweck (Drug Repurposing) ebenso wie kombinierte Therapien hohes Potenzial haben.“ „`Drug Repurposing` ist ein wertvoller Ansatz, um die Krebsforschung zu beschleunigen“, ergänzt die Geschäftsführerin der Stiftung, Dr. Lydie Meheus. „Bei bereits etablierten, zugelassenen Medikamenten wissen wir, wie sicher sie sind, außerdem sind sie leicht verfügbar und kostengünstig.“
Quelle: Universitätsklinikum Ulm
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