Die Patientin, die weltweit erstmalig mit der sogenannten Genschere CRISPR/Cas9 behandelt wurde, ist 20 Jahre und leidet an Beta-Thalassämie, eine genetisch bedingte Erkrankung des blutbildenden Systems. Bislang konnten Patienten wie sie hoffen, durch eine Stammzelltransplantation geheilt zu werden. Voraussetzung ist dann aber, dass passender Spender zur Verfügung steht. Findet sich kein Spender oder ist eine solche Transplantation aufgrund diverser Risikofaktoren nicht durchführbar, sind Betroffene auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen, mit all ihren potentiell lebensverkürzenden Nebenwirkungen. Insbesondere die Eisenüberladung lebenswichtiger Organe wie Herz und Leber führen über kurz oder lang zu schweren Komplikationen und zum Tod. Die Patientin, die am Universitätsklinikum Regensburg als erste in die CRISPR-Studie eingeschlossen werden konnte, hatte genau dieses Schicksal durchlaufen. Im Schnitt wurde sie 16 Mal pro Jahr transfundiert. Vor neun Monaten wurden die Blutstammzellen der Patientin nun durch das CRISPR/Cas9-Verfahren genetisch verändert und tatsächlich, bis heute ist sie transfusionsfrei und weist aktuell normale Blutwerte auf.
Heilung von einer schrecklichen Krankheit?
„Diese ersten Zwischenergebnisse stimmen uns sehr positiv“, führt Professor Dr. Selim Corbacioglu, Leiter der Abteilung für Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation sowie Studienleiter am UKR, aus. „Für Patienten, denen keine kurative Alternative angeboten werden kann, würde diese Therapieform die Heilung von einer schrecklichen Krankheit bedeuten.“
Insgesamt sollen in den sechs Studienzentren weltweit (USA, Kanada, Europa) 45 Patienten mit Beta-Thalassämie aufgenommen werden, die über zwei Jahre nach Infusion engmaschig betreut und nachbeobachtet werden.
Sichelzellerkrankung - Kindersterblichkeit von mehr als 85 Prozent
Ähnlich wie bei der Beta-Thalassämie ist auch bei der Sichelzellerkrankung genetisch bedingt die Hämoglobinbildung gestört. Hämoglobin besteht aus zwei verschiedenen Eiweißketten, der alpha- und der beta-Kette. Bei der Beta-Thalassämie wird die beta-Kette entweder nur sehr reduziert gebildet oder sie fehlt ganz. In der Folge kann nicht ausreichend Sauerstoff über die Blutkörperchen in den Körper transportiert werden, wodurch Patienten an Sauerstoffmangel leiden.
Bei der Sichelzellerkrankung wird die beta-Eiweißkette zwar produziert, eine einfache Punktmutation verändert die roten Blutkörper aber derartig, dass sie in sauerstoffarmem Milieu eine sichelartige Form annehmen. Diese Zellen verursachen durch diese bizarre Formveränderung eine Verstopfung der Blutgefäße, die dadurch entzündet und chronisch krank werden. Die Folgen sind unter anderem Schmerzkrisen, Hirninfarkte, Lungeninfarkte, hohe Infektneigung und unbehandelt eine Kindersterblichkeit von mehr als 85 Prozent in den ersten fünf Lebensjahren.
CRISPR/Cas9-Einsatz auch bei der Sichelzellerkrankung
Regensburg bietet nach eigenen Angaben deutschlandweit als einziges Zentrum eine CRISPR/Cas9-basierte Gentherapie für die Sichelzellerkrankung an. Für diese haben die Unternehmen CRISPR Therapeutics und Vertex Pharmaceuticals Incorporated kürzlich ebenfalls erste Ergebnisse einer amerikanischen Patientin veröffentlicht. „Auch diese Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung“, so Professor Corbacioglu weiter. „Die Patientin weist seit ihrer Behandlung vor vier Monaten keine Gefäßverschlüsse mehr auf. Zuvor hatte sie im Schnitt sieben pro Jahr.“
Insgesamt sollen am UKR jeweils fünf bis sechs Patienten pro Studie behandelt werden. „Wir halten damit nun für Patienten mit Beta-Thalassämie und Sichelzellerkrankung das volle Behandlungsspektrum vor, um diese Erkrankungen endgültig zu heilen“, freut sich Professor Corbacioglu.
Das Ziel: Bildung gesunder Blutzellen
Die Studien zur von Vertex und CRISPR Therapeutics entwickelten Stammzelltherapie CTX001 werden ex vivo durchgeführt. Dabei werden den Patienten blutbildende Stammzellen entnommen, welche anschließend in einem Labor durch das CRISPR/Cas9-Verfahren bearbeitet werden. Bevor die so editierten Zellen dem Patienten wieder eingesetzt werden können, wird diesem wie bei einer Stammzelltransplantation üblich durch eine Chemotherapie das Knochenmark zerstört. Der Patient erhält im Anschluss seine genveränderten Zellen wie bei einer Bluttransfusion. Die neuen Blutstammzellen siedeln sich in den Markhöhlen der Knochen an und beginnen dort funktionstüchtige Blutzellen zu bilden, die die ansonsten nötigen, aber auf Dauer schädlichen Bluttransfusionen ersparen.
Durch die Genomeditierung werden dabei keine der zugrundeliegenden Gendefekte korrigiert. Stattdessen wird ein alternatives Hämoglobingen aktiviert, wodurch die manipulierten Zellen sogenanntes fetales Hämoglobin produzieren können, welches den Sauerstofftransport übernimmt.
Quelle: idw/Universitätsklinikum Regensburg (UKR)
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