Das Mikrobiom wirkt auf das Immunsystem
Die Grenzflächen des Körpers zur Umwelt sind von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten besiedelt, die das Mikrobiom bilden. Im Laufe der Evolution hat sich durch die Interaktion mit den Mikroorganismen ein schützendes Signalnetzwerk gebildet. Wie Mikrobiom und Immunantwort zusammenhängen, haben jetzt Forscher unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité untersucht.
Kommt es durch eine Infektion zu einer Immunantwort, sind dabei konventionelle dendritische Zellen (cDC) von Bedeutung. Sie sind dem Immunsystem angeboren und besitzen Mustererkennungs-Rezeptoren, um eindringende Erreger schnell zu erkennen. Zunächst kommt es in den Zellen zu einer Ausschüttung von Zytokinen, die wiederum mehr Immunzellen zur Infektionsstelle locken. Sie nehmen die Erreger auf, zerlegen sie und präsentieren Bruchstücke als Antigene an der Zelloberfläche. Dies aktiviert T-Zellen und führt schließlich zu einer Immunantwort. Werden T-Zellen aber durch cDC aktiviert, hat das eine fehlgeleitete Immunantwort mit einer Autoimmunerkrankung zur Folge.
Permanentes IFN-I-Signal
Die Wissenschaftler konnten nun feststellen, dass cDC unter keimfreien Bedingungen keine Immunantwort starten können. Sie gehen davon aus, dass sie Signale im Basiszustand, also einem Zustand, in dem keine Infektion vorliegt, erhalten, die vom Mikrobiom ausgehen.
Die Forscher konnten nachweisen, dass diese speziellen Immunzellen im Basiszustand ein permanentes Typ-I-Interferon-Signal (IFN-I) erhalten, das von der Mikrobiota reguliert wird. Bei Interferonen handelt es sich um Botenstoffe, die der antiviralen Abwehr dienen. Aus den Ergebnissen schließen die Wissenschaftler, dass das Mikrobiom die Fitness des Immunsystem reguliere, weil es dieses in einem ausgeweiteten Abwehrzustand halte, um schnell auf Erreger reagieren zu können.
Keine Immunantwort durch gestörtern Zellstoffwechsel
Um diese Wirkungsweise zu untersuchen, setzten die Forscher Tiermodelle ein. Mittels RNA-Sequenzierung konnten sie das Transkriptom und Epigenom von cDC aus keimfreien Tieren, Kontrolltieren und solchen, die genetisch kein IFN-I Signal wahrnehmen konnten, vergleichen. „Interessanterweise konnten wir in den cDC von keimfreien Tieren und solchen ohne IFN-I-Signal eine geringere Expression von Genen feststellen, die an der mitochondrialen Atmungskette beteiligt sind“, erklärt Laura Schaupp, Charité-Wissenschaftlerin und Erstautorin der Studie.
In weiteren Analysen konnte ein gestörter Zellstoffwechsel bei cDC von keimfreien Tieren festgestellt werden, was dazu führe, dass sie keine Immunantworten starten könnten. So gesehen fehle den Zellen der Treibstoff für eine Reaktion. Folglich sei das Mikrobiom für das Funktionieren von cDC unbedingt notwendig.
Therapieansätze gegen Autoimmunerkrankungen
Durch die Ergebnisse sollen neue Therapieansätze für Autoimmunerkrankungen angestoßen werden. Der Systemische Lupus Erythematosus werde zum Beispiel durch eine verstärkte IFN-I-Produktion ausgelöst. Auch die Effektivität von Checkpoint-Inhibitoren bei Krebs-Immuntherapien werde durch das Mikrobiom beeinflusst. Ob eine veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms solche Erkrankungen positiv beeinflussen kann, wollen die Forscher in weiteren Arbeiten untersuchen.
Literatur:
Schaupp L, et al.: Microbiota-induced type I interferons instruct a poised basal state of dendritic cells. Cell 2020 Mai 06, DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.04.022.
Quelle: Charité
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