Das Team der Forscherinnen und Forscher aus dem Marien-Hospital Herne und der Virologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie den Kliniken für Infektiologie und Anästhesie und dem Institut für Virologie der Universitätsmedizin Essen hat spezifische Antikörper und T-Zellen im Krankheitsverlauf bei leicht und schwer erkrankten sowie später verstorbenen COVID-19-Patienten untersucht. Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher vergleichbare Immunreaktionen fest. Sie berichten in der Zeitschrift Cell Reports Medicine vom 29. August 2020.
Überschießende Immunantwort
Antikörper und T-Lymphozyten gehören zu den wichtigsten Elementen der Immunabwehr gegen Viren. Die Antikörper binden an bestimmte Virusrezeptoren und verhindern so das Eindringen von Viren in die Wirtszelle. Außerdem markieren sie die infizierten Zellen für andere Akteure des Immunsystems, die die Zelle dann abtöten. Virus-spezifische T-Lymphozyten können dagegen infizierte Zellen direkt und sehr effizient töten.
Während der vergangenen Wochen sind einige Studien zur Analyse von solchen zelltötenden SARS-CoV-2-spezifischen T-Zellen bei Patienten mit COVID-19 publiziert worden. Sie stellten fest, dass solche Zellen vor allem bei Patienten mit durchgemachter COVID-19-Erkrankung zu finden waren, was auf deren schützende antivirale Wirkung schließen lässt. Andererseits legen einige Studien nahe, dass eine überschießende Immunantwort die Ursache für die schweren COVID-19-Verläufe sein könnte. Die Rolle der SARS-CoV-2-spezifischen T-Zellen bei dieser überschießenden Immunantwort ist unklar.
Immunantworten bei Patienten im Verlauf der COVID-19-Erkrankungen
In der aktuellen Studie hat das Forschungsteam Immunantworten bei Patienten im Verlauf der COVID-19-Erkrankung analysiert. „So wollten wir die Bedeutung der T-Zellen und Antikörper für die Kontrolle der Infektion und der Erkrankung untersuchen“, erklärt Prof. Dr. Nina Babel, Leiterin des Centrums für translationale Medizin am RUB-Klinikum Marien-Hospital Herne und Leiterin der Studie. „Die Neuheit unserer Studie besteht darin, dass wir SARS-CoV-2-spezifische T-Zellen und Antikörper in Bezug auf den Krankheitsverlauf und die Virusbeseitigung analysiert haben. Wir konnten feststellen, dass eine stark ausgeprägte T-Zell- und Antikörperantwort nicht nur bei Patienten mit leichtem COVID-19-Verlauf beziehungsweise nach besiegter Virusinfektion nachweisbar waren.“ Vergleichbare oder sogar stärkere Immunität gegen SARS-CoV-2 konnte man bei Patienten mit schwersten Verläufen und COVID-19-bedingtem Lungenversagen feststellen.
„Die Anzahl der spezifischen Immunzellen sowie deren Funktionalität waren im Verlauf der Erkrankung bei Patienten, die COVID-19 überlebt haben, nicht besser als bei den daran Verstorbenen“, sagt Dr. Ulrik Stervbo, Laborleiter im Centrum für Translationale Medizin. Es gab auch keinen Unterschied in der Stärke und der Funktionalität der Immunantwort zwischen den Patienten mit weiterhin bestehender und überstandener SARS-CoV-2-Infektion.
Entstehung lebensbedrohlicher Verläufe
„Obwohl weitere Studien benötigt werden, um den konkreten Mechanismus des COVID-19-assoziierten Lungenversagens zu verstehen, deuten unsere Daten darauf hin, dass eine überschießende SARS-CoV-2-spezifische T-Zell-Immunantwort eine Immunpathogenese auslöst und somit zur Entstehung lebensbedrohlicher Verläufe führt“, betont Nina Babel. „Die Ergebnisse aktueller Studien zu einer erfolgreichen Anwendung immunsuppressiver Therapien bei Covid-19 stützen diese Hypothese“, fasst Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinischen Klinik I des Marien-Hospitals Herne, zusammen.
Constantin J. Thieme, Moritz Anft et al.: A robust T cell immunity towards spike, membrane, and nucleocapsid SARS-CoV-2 proteins is not associated with recovery in critical COVID-19 patients, in: Cell Reports Medicine, 2020, DOI: 10.1016/j.xcrm.2020.100092
Quelle: idw/RUB, 01.09.2020
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