COVID-19: Lässt sich schwerer Verlauf künftig vorhersagen?
Es ist Forscherinnen und Forschern der Technischen Universität München (TUM) nun gelungen, mithilfe der Anzahl und Struktur von Blutplättchen vorherzusagen, ob es zu einem schweren COVID-19-Verlauf kommen kann. Damit haben sie einen prognostischen Biomarker für den Schweregrad von COVID-19 identifiziert. So kann die Therapie nun frühzeitig angepasst werden. Methodisch griff das Forschungsteam auf eine bildgebende Durchflusszytometrie zurück, die es ermöglicht, schnell und in großer Anzahl Interaktionen zwischen Blutzellen zu analysieren.
Konzentration von Blutplättchen-Aggregaten steigt an
Sobald sich der Körper mit SARS-CoV-2 infiziert, laufen eine Reihe von Immunreaktionen ab. Eine dieser Reaktionen besteht darin, dass sich die Thrombozyten an den Immunzellen anlagern und dadurch Zellaggregate, also Verklumpungen, im Blutkreislauf entstehen. Eine Studie des Teams um Oliver Hayden, Professor für Biomedizinische Elektronik, hat mithilfe einer bildgebenden Durchflusszytometrie gezeigt, dass bei Intensivpatientinnen und -patienten mit einem schweren COVID-19-Verlauf die Konzentration von Blutplättchen-Aggregaten sehr stark ansteigt. Dem Forschungsteam ist es damit gelungen, einen prognostischen Biomarker für den Schweregrad von COVID-19 zu identifizieren.
Proben direkt und standardisierbar untersuchen
Für die Analyse wurde den Probandinnen und Probanden zunächst Blut abgenommen. Wenige Tropfen Blut reichen aus, um mithilfe der bildgebenden Durchflusszytometrie innerhalb von Sekunden tausende Blutzellen abzuzählen und deren Aggregation zu analysieren. Der Leiter der Studie Prof. Hayden sagt: „Darüber hinaus hat diese Methode den großen Vorteil, dass wir die Proben weder aufbereiten noch markieren müssen, sondern sie direkt und standardisierbar untersuchen können, ohne die Aggregate durch Einwirkung hoher Scherkräfte zu verlieren. In Zukunft könnte diese kostengünstige Methode dabei helfen, Wechselwirkungen zwischen Gerinnungssystem und Immunsystem zu quantifizieren.“ Die patientennahe Messung erlaube eine unmittelbare Untersuchung nach Blutabnahme, um Alterungseffekte der Blutproben, die selbst zu Aggregaten führen, auszuschließen.
Zwei Drittel der Blutplättchen von Erkrankten betroffen
Insgesamt untersuchte das Forschungsteam das Blut von 36 Intensiv-Patientinnen/-Patienten im Alter zwischen 32 und 83 Jahren, die mit einer SARS-CoV-2-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert worden waren und einen mäßigen bis schweren Verlauf aufwiesen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bei schwer erkrankten Patientinnen und Patienten die Anzahl an gebundenen Thrombozyten signifikant höher war, als bei mäßig Erkrankten und erst recht im Vergleich zu gesunden Blutspendern.
In Bezug auf die Zusammensetzung der Zellaggregate konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass in Abhängigkeit vom Schweregrad der COVID-19-Erkrankung die Anzahl der Zellaggregate und deren Zusammensetzung sich graduell und frühzeitig vor dem Auftreten einer Komplikation verändern. Die Verklumpungen waren typischerweise aus weniger als zehn Thrombozyten zusammengesetzt. In Extremfällen wurde dabei beobachtet, dass bis zu zwei Drittel aller Thrombozyten von Patientinnen und Patienten aggregiert vorlagen.
Risikopatienten frühzeitig identifizieren
Die hohe Konzentration an Zellaggregaten konnte bei allen COVID-19 erkrankten Probandinnen und Probanden mit Einlieferung auf die Intensivstation nachgewiesen werden. Diese einfache Diagnostik von Blutplättchen-Aggregaten habe das Potenzial, Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren und damit die Versorgung zu verbessern.
Das interdisziplinäre Team aus Ingenieurinnen/Ingenieuren sowie Medizinerinnen und Medizinern will nun die gesammelten Erkenntnisse auf andere Erkrankungen übertragen. Die Forscherinnen und Forscher nehmen an, dass die hier beschriebene Methode zum Beispiel auch bei Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen funktionieren könnte.
Quelle: TUM
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